Fröhliche Spielleuth, aufmüpfige Bauern, geschickte Stelzengänger, ein furchterregender Henker, seltene Handwerks-Erzeugnisse: Tausende Besucher zieht es nach Bad Grönenbach zum Mittelalter-Spektakel "Anno 1525".
Bild: Franz Kustermann
Fröhliche Spielleuth, aufmüpfige Bauern, geschickte Stelzengänger, ein furchterregender Henker, seltene Handwerks-Erzeugnisse: Tausende Besucher zieht es nach Bad Grönenbach zum Mittelalter-Spektakel "Anno 1525".
Bild: Franz Kustermann
Drei Tage lange kehrte der sehnliche Traum nach Freiheit und einem selbstbestimmten Leben längst vergangener Zeiten wieder zurück: Nachdem das mittelalterliche Spektakel „ANNO 1525“ siebenmal rund um das fantastische Ambiente des Hohen Schlosses und einmal nördlich des Feuerwehrhauses veranstaltet wurde, konnten heuer wieder Tausende von Besuchern bei der nunmehr neunten Auflage das anmutige Flair längst vergangener Zeiten diesmal am Gelände des neuen Bauhofes hautnah miterleben. Es fehlte zwar das historische Ambiente des mittlerweile verkauften Hohen Schlosses. Doch der diesjährige Veranstaltungsstandort hatte zweifellos auch seine Vorteile: Weitab von jeder Wohnbebauung wurde niemand durch den Kanonendonner über Gebühr erschreckt. Und selbst per Rollstuhl konnte jeder den Festplatz vom Parkplatz aus ohne die beschwerliche Ersteigung des hohen Schlossberges bequem erreichen.
Die Besucher tauchten ein in die Zeit der leibeigenen und massiv unterdrückten Bauern, wo sie ihre Forderungen in den berühmten zwölf Bauernartikel manifestierten. So mancher Landwirt sah sich bei der Verlesung der Artikel gar Parallelen zu seiner aktuellen Situation: Angesichts der zunehmenden Gängelung durch die Politik und den drastisch zunehmenden gesellschaftlichen Forderungen mit all den immer weiter zunehmenden Vorschriften, nicht kostendeckenden Preisen für landwirtschaftliche Erzeugnisse bei endlos weiter steigenden Belastungen! Und wie makaber: Selbst „Severinus, der Henker“ (von Beruf Taxifahrer) war mit seiner langen, geradezu fruchterregenden Peitsche und seinem ungezügelt-wildwachsenden Bart wieder mit dabei.
Die Besucher konnten aber auch die schönen Seiten der Zeit von „ANNO 1525“ genießen: Kulinarische Genüsse, wie etwa auf offenem Feuer am Spieß gebratene Spanferkel, leckere Schupfnudeln, geschmalzene Maultaschen und frittierte Kartoffeln.
Auch die Unterhaltung kam nicht zu kurz: „Spielleuth“ begeisterten mit Sackpfeifen, geradezu artistische Stelzenläufer, atemberaubend flinke Jongleure, trickreiche Zauberer und mitreißende Trommler entführten in eine mittelalterliche Welt, wo anscheinend Zeit und Geld noch nicht die so dominante Rolle spielten. Wehrhafte Bauern mit amüsant-wuchernden Bärten, anmutig gekleidete, edle Frauen; ja sogar fantastisch begeisterte Kinder verkörperten den einstigen Widerstand gegen die erbarmungslos herrschende Obrigkeit. Eindrucksvoll bewaffnet mit Kanonen, Handrohren, Spießen, Dreschflegeln und Mistgabeln verliehen sie ihrer unerbittlichen Forderung nach Freiheit den erforderlichen Nachdruck. Mutige Feuerspeier erhellten die funkelnde Budenstadt mit einem bizarren Farbenspiel zu nächtlicher Stunde.
Auch die Freunde des mittelalterlichen Marktes kamen voll auf ihre Kosten: 50 Händler aus nah und fern - teilweise bis aus Budapest, Österreich oder Tschechien angereist - boten ihre mittelalterlichen Waren zum Kauf an: Kernige Lederwaren, strapazierfähige Leinenstoffe, wertvoller Schmuck, farbige Edelsteine und praktische Holzschuhe, die es so nirgendwo sonst zu kaufen gibt. Bezahlt wurde allerdings nicht mit echten Gulden, Taler oder Kreuzer, sondern „ziemlich zeitgemäß“: Mit Euros.
Thomas Visel, Vorsitzender der „Schwarzen Schaar“ hatte mit seinen 60 Mitgliedern lange diskutiert, ob heuer das Mittelalter-Spektakel durchgeführt werden sollte: Es war „nicht Optimismus, sondern Hoffnungswerte“, um ein Zeichen zu setzen. Der Verein wollte den Leuten „eine Perspektive zur Normalität“ bieten; und den Händlern, die davon leben, eine „Möglichkeit zum Geld verdienen“. Der 60-jährige hat darauf spekuliert, dass vor den Wahlen die Bremse nicht so stark angezogen wird. Bereits vor einem Jahr hatte der Brauchtumsverein mit der Organisation von „ANNO 1525“ angefangen, zunächst ohne dafür Geld auszugeben. Erst Ende Juni entschieden sich die Mittelalter-Freunde, „in die Vollen zu gehen“ und das Fest durchzuziehen: Vier verschiedene Hygienekonzepte mussten (mit 25 Helfern im Einsatz) ausgearbeitet werden: Für den Markt, Lager, Gastronomie und für das Unterhaltungsprogramm. Tausende von Besucher genossen es sichtlich, dass endlich wieder einmal ein so großes Fest – weitgehend unbekümmert - unter freiem Himmel starten konnte.
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