Wohnort und Arbeitsplatz liegen für Wolfgang Zettler quasi Tür an Tür: in der Augsburger Straße im Osten von Memmingen. Der Bauunternehmer ist dort aufgewachsen, heute setzt sich der CSU-Stadtrat als Referent für den Stadtteil für dessen Entwicklung und Belange ein.
Bild: Verena Kaulfersch
Wohnort und Arbeitsplatz liegen für Wolfgang Zettler quasi Tür an Tür: in der Augsburger Straße im Osten von Memmingen. Der Bauunternehmer ist dort aufgewachsen, heute setzt sich der CSU-Stadtrat als Referent für den Stadtteil für dessen Entwicklung und Belange ein.
Bild: Verena Kaulfersch
„Problemviertel“ oder „Sanierungsfall“: Derlei Etiketten wurden dem Memminger Osten einst gerne verpasst – bis heute haften sie teils hartnäckig. Doch die Aufnahme ins Programm Soziale Stadt im Jahr 2017 hat vieles in Gang gebracht. Wir zeichnen ein Porträt des Stadtteils: Was macht das Quartier aus, wo liegen seine Probleme, Eigenheiten, aber auch Qualitäten? Und wer sind die Menschen, die es voranbringen wollen?
Wolfgang Zettler ist seinem Stadtteil treu geblieben: In der Augsburger Straße, wo sein Elternhaus steht, lebt der 64-Jährige bis heute und auch sein Bauunternehmen hat dort seinen Sitz. Der CSU-Stadtrat war damit gewissermaßen prädestiniert für das neu geschaffene Referat „Kernstadt Ost“.
Welche Kindheitserinnerungen haben Sie an den Memminger Osten?
Wolfgang Zettler: Damals war der ganze Stadtteil ländlicher geprägt, es gab vereinzelt Bauernhöfe und noch keinen Tiroler Ring. Stattdessen war da ab der Mammostraße Grünland, auf dem im Sommer Kühe geweidet haben. Meine Großmutter hatte in Memmingerberg einen Bauernhof und ein Sägewerk, wo ich zu Fuß auf Feldwegen hinlaufen konnte.
Heute zeigt sich ein ganz anderes Bild. Weckt das bei Ihnen auch Wehmut?
Zettler: Teilweise denke ich schon immer noch zurück. Zum Beispiel konnte man von hier aus die Berge sehen, heute haben wir stellenweise dichte Wohnbebauungen und Gewerbeansiedlung, die aber zur Weiterentwicklung auch wichtig sind und den Standort für Arbeitgeber und Arbeitnehmer attraktiv halten.
Wie hat sich der Stadtteil in Ihrer Beobachtung gewandelt?
Zettler: Früher ist der Osten eher belächelt worden und man hat dort Einrichtungen und Infrastruktur angesiedelt, die man anderswo vielleicht nicht unbedingt haben wollte. Ich denke zum Beispiel an unsere Friedhöfe. Dabei bieten sie viel Grün und sind parkähnlich angelegt. Man kann sie als grüne Lunge des Ostens sehen. Auch die Infrastruktur hat sich aus meiner Sicht zum Positiven weiterentwickelt mit der Versorgung durch Lebensmittelmärkte, Apotheken und ein Ärztehaus. Im Jahr 1970 wurde die Christuskirche eingeweiht – noch ein positives Beispiel. Schade ist, dass im Osten kein Zentrum existiert, wo alles zusammenkommt. Dafür liegen wir aber nahe an der Innenstadt und ich denke, dass deshalb ein solcher Platz nicht funktionieren würde. An manchen Stellen zeigt sich einfach, dass die Städteplanung zur früheren Zeit etwas unstrukturiert war.
Früher galt der Osten als schwierige Gegend – teils hallt dies noch nach. Woran liegt das?
Zettler: Um nach dem Zweiten Weltkrieg Unterkünfte für Geflüchtete und Vertriebene zu schaffen, hat man Flächen im Osten der Stadt zur Verfügung gestellt. Es entstand der Geschosswohnungsbau an der Münchner Straße. Viele Menschen haben sich mit Fleiß und Mühe eine neue Existenz aufgebaut. Aber durch die sozial schwierigen Verhältnisse trat in den 60er und Anfang der 70er Jahre auch Konfliktpotenzial auf, das unterschiedliche Ursachen hatte. Allerdings habe ich als Kind die genauen Hintergründe nicht mitbekommen.
Mit Ihrer Firma sind Sie ebenfalls im Osten zuhause – und damit zufrieden?
Zettler: Das Expansionspotenzial ist in der Augsburger Straße zwar beschränkt, weil wir uns nicht weiter ausbreiten können. Aber wir haben als Puffer den Standort in Memmingerberg. Ansonsten halte ich es für eine große Stärke des Ostens, dass Gewerbe wie auch Wohnen nebeneinander bestehen. Manchmal ist es dafür erforderlich, dass man gegenseitig aufeinander achtet. Der Osten ist dadurch aber auch keine Schlafstadt, es herrscht Leben. Viele schätzen die Nähe zum Arbeitsplatz und kommen mit dem Fahrrad. Das sehen wir bei uns in der Firma. Generell haben wir eine super Verkehrsanbindung: Man kommt zu Fuß zur Bahn oder zum Busbahnhof zum Flugplatz und zur Autobahn ist es nicht weit.
Wie entwickelt sich aus Ihrer Sicht das Image des Stadtteils?
Zettler: Früher genoss der Westen einen besseren Ruf, hatte die besseren Wohnlagen. Einer, der dort gewohnt hat, wäre nie in den Osten gezogen. Das ändert sich, der Osten holt auf. Auch das Programm Soziale Stadt bewirkt viel: Die neuen Spielplätze wie der am Haienbach werden gut angenommen. Dann sind da Projekte wie die Umgestaltung am Schießstattdreieck, das Bürgerhaus beim Kreisverkehr am Tiroler Ring und der Skaterplatz, auch wenn das noch dauert. Was von vielen gar nicht so wahrgenommen wird, sind die Freizeitqualitäten. Entlang der vielen kleinen Bäche gibt es schöne Ecken, außerdem darf man das Angebot des Sportvereins DJK und das Freibad nicht vergessen. Ich behaupte, der Osten wird in Zukunft der Westen der Stadt sein.
Die Soziale Stadt zeigt zugleich auf, dass es noch Problemzonen gibt. Wo wünschen Sie sich Verbesserungen?
Zettler: Das Kalker Feld zum Beispiel hat sehr dichte Besiedlung und viele Jahre ist dort nichts gemacht worden. Ich glaube, der Spielplatz und das Bürgerhaus, die in der Nähe entstehen sollen, helfen, das Viertel aufzuwerten. Wenn allgemein alles umgesetzt wird, was im Rahmen der Sozialen Stadt vorgesehen wurde, ist das ein guter Weg. Profitieren wird der Osten auch, wenn das Rosenviertel einmal fertig ist. Die Anbindung an die Stadt wird dann ganz anders wahrgenommen werden.
Vor welchen Schwierigkeiten stehen Sie als Stadtrat, der für den Stadtteil zuständig ist?
Zettler: Mir werden viele Anliegen mitgeteilt, aber manchmal ist es für mich als Ortsteilreferent nicht ganz einfach, weil es um ganz unterschiedliche Themen geht. Die Situation unterscheidet sich schon von der in gewachsenen Stadtteilen wie Amendingen, Steinheim oder Dickenreishausen. Ein Vereinsleben wie dort, zum Beispiel mit Schützenverein oder Feuerwehr, gibt es im Osten bedingt durch seine Geschichte einfach nicht.
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