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In der Kabine ging es ums Überleben: Wie der ECDC Memmingen lernt, Mitspieler zu retten

Mit hoher Konzentration ließen sich die Spieler des ECDC Memmingen nach dem Training von Thilo Schick (vorn links) erklären, wie sie reagieren müssen, wenn ein Mitspieler plötzlich auf dem Eis zusammenbricht.

Mit hoher Konzentration ließen sich die Spieler des ECDC Memmingen nach dem Training von Thilo Schick (vorn links) erklären, wie sie reagieren müssen, wenn ein Mitspieler plötzlich auf dem Eis zusammenbricht.

Bild: Andreas Berger

Mit hoher Konzentration ließen sich die Spieler des ECDC Memmingen nach dem Training von Thilo Schick (vorn links) erklären, wie sie reagieren müssen, wenn ein Mitspieler plötzlich auf dem Eis zusammenbricht.

Bild: Andreas Berger

Ein Spieler des Memminger ECDC liegt regungslos auf dem Eis. Wie müssen die Mitspieler reagieren? Auf jeden Fall schnell, damit er Überlebenschancen hat.
07.09.2022 | Stand: 19:19 Uhr

„Nach drei bis fünf Minuten ist das Hirn, ich sage es mal auf Schwäbisch: Matsch.“ Thilo Schick steht in der vollen Kabine der ECDC-Männer. Die Memminger Eishockey-Oberligisten kommen gerade vom Training, sind verschwitzt, schauen ihn aber dennoch konzentriert an. Schick will mit seiner Aussage verdeutlichen: Sehen die Sportler, dass einer ihrer Kollegen regungslos auf dem Eis liegt, müssen sie schnell reagieren. Denn es könnte ein Herz-Kreislauf-Stillstand sein. Dann ist jede Sekunde wichtig, damit das Gehirn nicht durch Sauerstoffmangel zerstört wird. Und damit der Betroffene eine Chance hat, zu überleben.

Schick ist Rettungssanitäter und Betreiber eines Unternehmens, das unter anderem Erste-Hilfe-Kurse anbietet. Außerdem ist der Mann aus Niederrieden großer ECDC-Fan. Dieser Kurs nun bei den Indians über Reanimation ist ihm also im wahren Sinn des Wortes eine Herzensangelegenheit. Denn im semiprofessionellen Sport sei das Thema Herz-Kreislauf kaum präsent. Während der Spiele achteten zwar Sanitäter auf die Sportler. Während des Trainings aber seien die Spieler zunächst auf sich selbst gestellt.

Zwei Tote im Tschechischen Eishockey

Vergangenes Jahr sind laut Schick in Tschechien ein Eishockeyspieler und ein Eishockeytrainer während eines Spiels beziehungsweise eines Trainings an Herz-Kreislauf-Stillstand gestorben. „Weil sie nicht auf die Symptome geachtet haben. (...) Ich will euch keine Angst machen, aber sensibilisieren, mehr auf euch zu achten, nach euch zu gucken.“

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Es könne harmlos beginnen: „Ihr kennt es: Man hat eine Erkältung. Es steht ein Spiel an. Man will fit werden, geht schnell wieder aufs Eis. Große Gefahr.“ Gerade Erkältungen, schon ein leichter Schnupfen, können gefährlich für das Herz werden, wenn sie nicht auskuriert werden. „Da solltet ihr auf euch selbst hören. Wenn ihr merkt, dass ihr keine Leistung bringen könnt, ist der Trainer euch bestimmt nicht böse, wenn ihr sagt: Ich fahre heute lieber nur 50 Prozent, denn ich habe das Gefühl, es geht mir nicht gut. Das ist besser, als wenn ihr volle Leistung bringt und unter Umständen auf dem Eis zusammenklappt.“

Symptome vor einem Herz-Kreislauf-Stillstand

Herz-Kreislauf-Probleme kündigten sich oft mit Symptomen an, auf die Spieler achten sollten – nicht nur bei sich selbst, auch bei ihren Mitspielern, sagt Thilo Schick, und nennt Beispiele:

  • Herzrasen: ... wenn es schon bei leichten Tätigkeiten auftritt, etwa nach wenigen Treppenstufen.
  • Plötzlich auftretende Rückenschmerzen: ... dort, wo die Rippen enden, ungefähr in der Mitte des Rückens. Wenn es dort plötzlich schmerzt, ohne Einwirkung von außen, „kann das ein Hinweis sein, dass was mit dem Herzen ist.“
  • Atemnot.
  • Beklemmungsgefühle.
  • Schweißausbruch: ... ohne vorherige Anstrengung, also in der Ruhe.

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Die Schritte der Ersten Hilfe

Dann zeigt Thilo Schick an einer Reanimationspuppe, was getan werden muss, wenn jemand am Boden liegt und sich nicht regt. Ein Spieler liegt auf dem Eis.

  • Ansprechen: „Das Erste ist: ansprechen und anfassen. Ihr dürft den Menschen anschreien und rütteln. Dann gucken, ob er atmet.“
  • Überstrecken: Mit Blick auf die Eishockeyspieler sagt Schick: „Bei euch wichtig: Nehmt der Person den Helm runter, sonst könnt ihr den Kopf nicht richtig überstrecken.“ Dann eine Hand an die Stirn, eine ans Kinn, den Kopf deutlich nach hinten überstrecken, so werden die Atemwege frei.
  • Atmung: Mit dem Ohr am Mund der Person hören, ob sie atmet, gleichzeitig auf deren Bauch schauen, ob er sich hebt und senkt.
  • Oberkörper: Wenn die Person nicht atmet: Normalerweise gelte, dass der Oberkörper entblößt werden muss, damit die Helfer die richtige Stelle für die Herzdruckmassage finden können. Nämlich die untere Hälfte des Brustbeins. Doch mit der Brustpanzerung der Eishockeyspieler werde die Herzdruckmassage vermutlich auch funktionieren – mit etwas mehr Kraftaufwand. Denn sie auszuziehen, dauere vielleicht zu lang.
  • Herzdruckmassage: Beide Hände aufeinander auf das Brustbein legen und mit dem Drücken beginnen, drei bis fünf Zentimeter tief, 100 bis 120 Mal pro Minute. Um im Rhythmus und bei der richtigen Geschwindigkeit zu bleiben, dienten zur Orientierung etwa die Lieder Stayin Alive der Bee Gees und Yellow Submarine der Beatles.
  • Beatmung – wenn es zumutbar ist: Nach 30 Mal Drücken zwei Mal beatmen – durch Mund oder Nase. Dann wiederholt sich alles: 30 Mal drücken, zwei Mal beatmen. Wenn das jemand aus Ekel nicht könne, vielleicht, weil das Gesicht der Person voller Blut oder Erbrochenem ist, soll der Helfer, die Helferin einfach mit der Herzdruckmassage fortfahren, also ohne Beatmung. Und zwar so lange, bis der Rettungsdienst da ist und übernimmt.