Den Reiz des Fußballs machen unter anderem spektakuläre Szenen vor dem Tor aus. Das Bild, das als Beispiel dienen soll, zeigt im grünen Trikot den Bad Grönenbacher Goalgetter Denis Wassermann.
Bild: Siegfried Rebhan (Archiv)
Den Reiz des Fußballs machen unter anderem spektakuläre Szenen vor dem Tor aus. Das Bild, das als Beispiel dienen soll, zeigt im grünen Trikot den Bad Grönenbacher Goalgetter Denis Wassermann.
Bild: Siegfried Rebhan (Archiv)
„Nachspielzeit! Und jetzt passen Sie auf!“, Fernsehmoderator Tom Bartels ist begeistert: „Ibrahimovic! Ein Tor des Jahres! Ein Tor des Jahrzehnts! Dieser perfekte Fallrückzieher! 50 000 verneigten sich! So etwas hat der schwedische Fußball …“ Am 14. November 2012 erzielte Zlatan Ibrahimovic beim Länderspiel der Schweden gegen England das 4:2, mit einem Fallrückzieher aus rund 30 Metern Entfernung.
Seit fünfzig Jahren wird in der ARD-Sportschau das „Tor des Monats“ gekürt. Seit 1971 wurden mehr als 550 Fußballer und Fußballerinnen nach einem perfekt gezirkelten Freistoß, einem unwiderstehlichen Dribbling, einem spektakulären Flugkopfball oder einem fulminanten Distanz- oder Volleyschuss mit einer Medaille ausgezeichnet.
Manchmal reichte ein raffinierter Abstauber oder aber ein wuchtiger Abschlag für die meisten Einsendungen. Neunmal schoss ein Torhüter das Tor des Monats. Am meisten Begeisterung aber lösten in den vergangenen fünf Jahrzehnten Tore aus, die mittels Fallrückzieher oder Seitfallzieher erzielt wurden. 77-mal schaffte es eine derart akrobatische Einlage auf Platz eins. Am 16. November 1977 erzielte Deutschlands Klaus Fischer im Stuttgarter Neckar-Stadion gegen die Schweiz auf diese Weise nicht nur das „Tor des Jahrhunderts“, sondern gleichzeitig das Tor seines Lebens.
Es sieht halt auch ungeheuer spektakulär aus, wenn sich der Schütze, mit dem Rücken zum Tor, waagerecht in die Luft wirft, um den Ball über seinen Kopf hinweg mit einem Scherenschlag ins Tor zu befördern. Da braucht es neben einer Portion Glück vor allem Mut, Körperbeherrschung und das richtige Timing.
Kein Wunder also, dass Reinhold Haar (34, TSV Kammlach), einer der gefürchtetsten Torjäger im Unterallgäu, der schon mehr als 300 Tore erzielt hat, auf die Frage, welches Tor des Monats ihn am meisten beeindruckt habe, ganz spontan den eingangs beschriebenen Treffer von „Ibrakadabra“ Ibrahimovic nennt.
Vielleicht liegt es daran, dass er „als junger Seucher“, wie er lachend bemerkt, selbst mal ein ähnliches Tor erzielt habe. Er sei 17 Jahre alt oder höchstens 18 gewesen, als ihm in seiner allerersten Saison 2004/05 in einem A-Klassen-Spiel der Ersten Mannschaft ein Fallrückzieher aus rund 16 Metern Entfernung gelungen sei. Videobilder auf Youtube, wie vom Treffer Ibrahimovics, gibt es leider nicht. Auch Bezirksliga-Torwart Marius Steiger (26, TSV Babenhausen), erinnert sich zuallererst an den Treffer von Ibrahimovic. „Na gut“, sagt er und schmunzelt, „wenn das schon ein anderer gewählt hat, dann entscheide ich mich für das Tor von Lukas Podolski gegen England, das er 2017 in seinem Abschiedsspiel für die deutsche Nationalelf mit einem strammen Schuss in den Winkel erzielt hat“. Podolski! Kein Spieler wurde öfter für ein Tor des Monats ausgezeichnet. Zwölfmal durfte „Poldi“ im Studio seine Medaille abholen.
In einem Spiel gegen den SV Pforzen sei er mal zu weit vor dem Tor gestanden, berichtet Steiger. Da habe ihn Gegenspieler Ali Ünal mit einem Schuss von der Mittellinie übertölpelt. Also mit einem Treffer, wie in Klaus Augenthaler in einem Pokalspiel für den FC Bayern gegen Frankfurt erzielt hat, dem Tor des Monats August 1989.
„Nein“, an ein kurioses Eigentor könne er sich nicht erinnern, sagt Steiger und lacht. Aber an sein einziges selbst erzieltes Tor. In der Jugend habe er nämlich im Feld gespielt, unter anderem beim FC Memmingen. Nach dem Wechsel nach Babenhausen sei er noch als A-Jugendlicher beim Relegationsspiel gegen den 1. FC Sonthofen II als Feldspieler eingesetzt worden und habe das 1:0 geschossen. Spektakulär sei der Treffer nicht gewesen, ein Schuss von der Strafraumkante ins linke Eck, aber wichtig. Am Ende habe man nämlich 2:0 gewonnen.
Ähnlich pragmatisch sieht die Sache Naim Nimanaj (33, DJK SV Ost Memmingen). Wer ihn kennt, weiß, dass ihm das runde Leder gehorcht wie ein dressiertes Hündchen. Ja, sagt er lapidar, „mit zwei, drei Fallrückziehern war ich auch schon erfolgreich“. Aber viel wichtiger als ein sehenswerter Treffer zum 6:0 sei eine Kiste zum 1:0.
Nimanaj ist deshalb sicher, das bedeutendste Tor seiner Laufbahn im Jahr 2010 gegen Mindelheim erzielt zu haben. „Da hab’ ich ein, zwei Verteidiger ausgespielt, dann auch noch den Torwart und den Ball ins kurze Eck gelegt.“
Tatsächlich gewannen „die Ostler“ damals mit 4:0 und stiegen in die Kreisliga auf. Ein anderes Tor, das ihm wichtig gewesen sei, sagt Nimanaj, habe Ronaldo im WM-Finale 2002 gegen Oliver Kahn erzielt. Nein, nicht der Portugiese CR 7 mit dem Sixpack unter dem Trikot und den gegelten Haaren, sondern der inzwischen körperlich etwas aus den Fugen geratene ehemalige brasilianische Torjäger. Der sei sein Vorbild gewesen. Den habe er bewundert.
Zum Tor des Monats wurde der Treffer von Ronaldo allerdings nicht gewählt. Wen wundert’s? Deutschland verlor das WM-Finale 2002 in Yokohama gegen Brasilien mit 0:2. Gewählt aber wurde der Fallrückzieher von Ibrahimovic, eines der spektakulärsten Tore dieser Sportart, und zwar im November 2012 zum Tor des Monats und dann auch zum Tor des Jahres.