Gähnende Leere vor Karstadt in Memmingen: Wie werden Kaufhäuser in der Innenstadt wieder attraktiver?
Bild: Brigitte Hefele-Beitlich
Gähnende Leere vor Karstadt in Memmingen: Wie werden Kaufhäuser in der Innenstadt wieder attraktiver?
Bild: Brigitte Hefele-Beitlich
Die Chancen, dass Karstadt in Memmingen erhalten bleibt, stehen gut. Es steht nicht auf der am Montag veröffentlichten Liste der Kaufhäuser des Konzerns Galeria Karstadt Kaufhof, die geschlossen werden sollen – im Gegensatz zur Kemptener Filiale. Allerdings muss die Gläubigerversammlung am 27. März den Plänen zustimmen. Wenn es so kommt, wird vermutlich an der Attraktivität der Memminger Filiale gearbeitet werden, damit weiterhin die Kunden kommen und die Zukunft des Kaufhauses nicht bald erneut gefährdet ist.
Surfer und Bergfans im Kaufhaus: Wie ein Warenhaus attraktiver werden kann, dafür hat Prof. Dr. Frank Danzinger zwei Beispiele. Er ist an der Hochschule Augsburg unter anderem Professor für Digital Business. Ein für ihn wichtiges Thema ist die Entwicklung des Einzelhandels in Innenstädten.
Das generelle Konzept eines großen Warenhauses sei von vielen bereits für tot erklärt worden. In Osnabrück aber hatte das Kaufhaus L&T eine Idee: Es baute sein Gebäude um, richtete im Untergeschoss eine stehende Welle ein, auf der Surfer reiten können – ähnlich der im Münchner Eisbach. Für Anfänger gibt es sogar Surfkurse.
In einem Fitnessstudio können sich Bergfans außerdem auf Wander- und Klettertouren in den Alpen vorbereiten: Über eine spezielle Klimatechnologie wird die Sauerstoffkonzentration so verringert, dass sie einer Höhe von 2500 Metern entspricht. Unter diesen Bedingungen kann an den Fitnessgeräten trainiert und so der Sporturlaub in den Bergen vorbereitet werden. Freizeitvergnügen und einkaufen: Die Ideen kamen gut an, die Kundenfrequenz sei stark gestiegen. Weiteres Beispiel: In Nürnberg habe ein Warenhaus einen bekannten Schuh-Influencer eingestellt, also jemanden, der im Internet viele Fans hat und mit dem Thema Schuhe ein großes Publikum erreicht.
Eine stehende Welle mitten im Warenhaus: Solche ungewöhnlichen Ideen können dauerhaft für höhere Kundenzahlen sorgen, sagt ein Experte der Hochschule Augsburg. Hier, in einem Osnabrücker Kaufhaus, habe es funktioniert." title="
Eine stehende Welle mitten im Warenhaus: Solche ungewöhnlichen Ideen können dauerhaft für höhere Kundenzahlen sorgen, sagt ein Experte der Hochschule Augsburg. Hier, in einem Osnabrücker Kaufhaus, habe es funktioniert." width="665" height="374" class="img-fluid" loading="lazy"> Eine stehende Welle mitten im Warenhaus: Solche ungewöhnlichen Ideen können dauerhaft für höhere Kundenzahlen sorgen, sagt ein Experte der Hochschule Augsburg. Hier, in einem Osnabrücker Kaufhaus, habe es funktioniert.
Mit Ideen und Leidenschaft lasse sich im Einzelhandel viel erreichen. Das betreffe nicht nur Warenhäuser, sondern den Einzelhandel in der Innenstadt insgesamt. Lesen Sie auch: Die Entscheidung von Galeria Karstadt Kaufhof sorgt für Jubel und Trauer im Allgäu
Wie die Stadtverwaltung helfen könnte: Dass Zentren immer mehr mit Leerstand und sinkenden Kundenzahlen zu kämpfen haben, dieses Problem entwickle sich seit mehr als 20 Jahren. Früher seien Innenstädte Orte gewesen, an denen die Menschen viel erledigen konnten und mussten: einkaufen, Dienstleistungen im Rathaus nutzen, jemanden treffen. Bis heute habe sich das Nutzerverhalten drastisch geändert, vieles könne bequemer, manchmal effizienter und besser über das Internet erledigt werden. Es gebe weniger Gründe, ins Zentrum zu kommen.
Damit sich das wieder ändert, sei es für den Einzelhandel wichtig, dass er experimentieren und Neues ausprobieren kann, sagt Danzinger. Dabei könne die Stadtverwaltung helfen. Sie könne Regelungen so anpassen, dass Händlern das Leben erleichtert wird. Innovationen seien wichtig, um alte Strukturen zu erneuern. Beispielsweise seien viele Auflagen nicht mehr zeitgemäß, etwa das Verbot in vielen Städten, einen Bildschirm in ein Schaufenster zu stellen, um darauf eigene Produkte bewerben zu können.
Die Stadt könne potenzielle Einzelhändler unterstützen, sich in der Innenstadt anzusiedeln. Unter anderem, indem sie Unternehmer mit relevanten Informationen versorgt. Etwa darüber, welche Waren in der Innenstadt bisher nicht funktionierten – und warum. Auch Anreize für Haus-Eigentümer könnten hilfreich sein. Mancher habe vielleicht gar kein Interesse, leer stehende Geschäftsräume zu vermieten, sondern warte auf einen guten Zeitpunkt, an dem er das Gebäude verkaufen oder zu besseren Konditionen vermieten kann. So könnten finanzielle Impulse für Vermieter, die einen Anreiz zur Nutzung von Flächen bieten, Teil einer Lösung sein.
Eine Stelle, die es bisher nicht gibt: Viel bewegt werden könne laut Danzinger auch von einer Institution, „die Innovation und Gründergeist in der Stadt anfacht und Experimente ermöglicht. Ein derartiger Akteur müsste mit einer Vision und erfahrenen Machern ausgestattet sein, mutig für den Einzelhandel und moderne Nutzungen agieren und unabhängig handeln können. Ein Akteur, der für die Stadt brennt, Verbindungen zu Verwaltung, Einzelhandel, zur IHK und anderen Institutionen hat“. Er könne sich dafür einsetzen, dass Ideen etwa von Einzelhändlern umgesetzt werden können, dass die Verwaltung den Weg für Experimente frei macht. Wo diese Institution angesiedelt ist, müsse aus einem Veränderungsprozess der Stadtgemeinschaft hervorgehen.
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