Im Jahr 2021 hatte Memmingen zeitweise die höchsten Inzidenzen in Deutschland.
Bild: Matthias Becker (Archivbild)
Im Jahr 2021 hatte Memmingen zeitweise die höchsten Inzidenzen in Deutschland.
Bild: Matthias Becker (Archivbild)
Am 11. März 2020 wurde das Corona-Virus zur Pandemie erklärt. Ein weltweiter Ausnahmezustand begann. Noch immer leben wir mit der Pandemie und ihren Folgen. Aber in diesem Sommer der vermeintlichen Normalität fühlt es sich an, als sei die Corona-Pandemie ein zurückliegender Albtraum. Isolation – war da was? Fischertag und Kinderfest konnten endlich wieder gefeiert werden wie vor der Pandemie.
Aber das Virus hat auch in Memmingen seine Spuren hinterlassen. In der Maustadt wurden bislang insgesamt 19.062 Covid-19 Infektionen erfasst. 39 Menschen sind an oder mit Corona gestorben. Das entspricht einer Sterblichkeitsrate von 0,2 Prozent. Die Sieben-Tage–Inzidenz liegt bei 146,5. (Stand: 08.09.2022).
Homeoffice ist zu einer neuen Realität geworden, Homeschooling für viele Schülerinnen und Lehrer zur Belastungsprobe. Zeitweise mussten viele Branchen schließen, es wurden viele Verbote ausgesprochen. Die vergangenen zweieinhalb Jahre haben uns alle verändert. Und ein Ende der Corona-Pandemie ist nicht in Sicht.
Daher haben wir verschiedene Menschen in Memmingen und dem Unterallgäu gefragt, was das Virus für Auswirkungen auf ihr (Berufs-) leben und ihre Branche hatte. Wo waren die größten Probleme? Und was hat sich verändert?
„Unsere Mitgliederzahlen sind über die Corona-Pandemie relativ stabil geblieben“, sagt Wolfgang Schropp, Kommandant der Feuerwehr Buxheim. 59 Mitglieder zählt die Feuerwehr, fünf davon seien in den vergangenen Jahren von der Jugendfeuerwehr zur „normalen“ gewechselt. Zwei Neulinge seien ebenfalls zur Truppe dazugestoßen. Für Schropp habe das Virus im Feuerwehr-Alltag wenig verändert. „In den Corona-Hochzeiten war die Maske ziemlich hinderlich bei den Einsätzen“, sagt der Kommandant.
Gerade weil man sich bei dem Job viel bewege und der Mundschutz bei körperlicher Aktivität die Atmung erschwere. „Wir haben während der Lockdowns den Übungsdienst eingeschränkt und das mangelnde Training war das Schlimmste für uns.“ Mittlerweile liefen die Einsätze und der Dienst wieder wie gewohnt.
David Michael vom Unverpackt-Laden „happyend“ findet: „Das Bewusstsein hat sich bei vielen Menschen in der Pandemie verändert.“ Es gebe beim Einkaufen immer die Leute, die nur auf den Preis schauten. Einige achteten aber auch auf andere Aspekte, wie die Herkunft der Produkte oder die Arbeitsbedingungen der Landwirte. „Die Leute haben angefangen, mehr nachzufragen. Das Interesse am Thema Lieferketten nehme beispielsweise zu. Einige fragten sich: Wo kommt mein Essen eigentlich her?“, sagt Michael.
Die Fridays-for Future-Bewegung habe dafür einen Grundstein gelegt, doch so richtig hätte das Nachhaken erst während der Pandemie begonnen, hat der Ladenbetreiber beobachtet. „Mit den Lockdowns haben viele Menschen ein Gefühl für globale Abhängigkeiten bekommen.“ Das wirke sich auf ihr Einkaufsverhalten aus.
„Wir mussten während der Pandemie baulich viel verändern“, sagt Larissa Lokcodi, Leiterin des Indoor-Spielplatzes „Kiddiko“ in Memmingen. Es durfte nur eine gewisse Anzahl an Personen ins Kinderland, Eingang und Ausgang mussten getrennt werden, die Tische wurden auseinander gerückt. Laut Lokcodi sei die Impfproblematik ein großes Thema gewesen und habe zu vielen Beschwerden geführt. „Die Eltern haben wegen der Aufsichtspflicht die Aufgabe, ihre Kinder ins Kinderland zu begleiten. Sie mussten aber geimpft sein, um auf das Gelände gehen zu dürfen.“ Das habe viele genervt.
Nun sind die Maßnahmen wieder aufgehoben, die Besucherzahlen sind Lokcodi zufolge aber noch immer nicht auf dem Niveau vor der Pandemie. Schuld daran ist in ihren Augen die Inflation und die dadurch gestiegenen Preise.
Albert Madlener, Leiter des Seniorenheims St. Ulrich, ist froh, dass die Heime wieder Besucher empfangen können. „Leider sind die sozialen Kontakte über unser Tagescafé, in dem sich Besucher mit Bewohnern austauschen können, nicht mehr so rege, wie vor der Pandemie.“ Viele Besucher schrecke wohl der erforderliche Schnelltest ab.
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Das Heim habe in den vergangenen Jahren mehr Veranstaltungen im Grünen abgehalten. „Wir müssen die Balance finden zwischen Risiken minimieren und trotzdem Gemeinschaft schaffen.“ Zudem seien die Mitarbeitenden seit der Pandemie dauerhaft belastet. „Corona hat unsere Personal-Engpässe massiv bestärkt.“
„Im ersten Pandemie-Jahr haben die Mitglieder die Einschränkungen mitgetragen“, sagt Christopher Budras, Leiter der Geschäftsstelle des TV Memmingen. „Im zweiten Jahr hatten wir dann sehr viele Kündigungen.“ Von den rund 3000 Mitgliedern traten etwa 500 Personen aus dem Verein aus. „Viele haben nicht verstanden, warum sie noch einen Jahresbeitrag zahlen sollen, obwohl aktuell kein Sport möglich ist“, sagt der 29-Jährige.
Die Wahrnehmung, wie Sportvereine arbeiten, habe sich verändert. Die zentrale Einnahmequelle sind die Solidarbeiträge. Ohne diese werde es schwierig für den Verein, sich zu finanzieren. Nachdem der Sportbetrieb wieder erlaubt war, seien die Mitgliederzahlen gestiegen. Während der Lockdowns konnte der TVM zumindest ein lange geplantes Projekt realisieren: eine Beachsport-Anlage.
„Am anstrengendsten war in den vergangenen zwei Jahren sicherlich die generelle Unplanbarkeit. Das Hinarbeiten auf ständig neue Termine, die dann doch wieder nicht einzuhalten waren“, sagt Axel Lapp, Leiter der Mewo-Kunsthalle in Memmingen.
Es war für den Kunsthistoriker deprimierend zu sehen, wie Museen, die „wichtige Bildungseinrichtungen sind, schlechter gestellt waren als zum Beispiel Restaurants. Und das, obwohl man die Verhaltensregeln in den zumeist großzügigen Räumen gut hätte einhalten können.“ Den Umgang mit der Kultur könne man nur als Signalpolitik werten. In den vergangenen Jahren habe die Kunsthalle daher vermehrt auf den digitalen Bereich zurückgegriffen.
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„Es ist uns gelungen, einige neue Vermittlungsformate zu entwickeln“, sagt Lapp. Sie hätten beispielsweise begonnen, Informationsfilme zu drehen. „Wir haben zunächst herausfinden müssen, was den Leuten gefällt.“ Zudem habe die Mewo Liveführungen über Zoom angeboten, die sich Interessierte ansehen konnten. Diese digitalen Formate würde der Museumsleiter gerne weiterführen, doch im Normalbetrieb fehle dazu meist die Zeit.
„Wir merken auch, dass die Online-Führungen im Sommer nicht so gut laufen“, sagt Lapp. Die Besuchszahlen seien dagegen hoch: Von Januar bis Juli wurden 4600 Besucher gezählt. Das liege auch am 9-Euro-Ticket.
Das Kulturzentrum Kaminwerk in Memmingen musste während der Pandemie lange schließen. Betreiber Matthias Ressler: „Das Kaminwerk ist leidlich durch die Krise gekommen. Mit Unterstützung unserer Besucherinnen und Besucher unter anderem durch Spendenaktionen, dem Behalten von Karten und einer passablen Finanzlage vor der Pandemie konnten wir die finanziellen Ausfälle halbwegs ausgleichen.“ Außerdem habe die Stadt Memmingen weiterhin kulturelle Zuschüsse gezahlt.
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Die größten Schwierigkeiten waren laut Ressler der enorme Zeitaufwand bei den staatlichen Hilfsprogrammen und beim Verschieben von Veranstaltungen. Das Umsetzen der neuen Hygieneanforderungen sei ebenfalls eine Herausforderung gewesen. „Erstaunlich war die Flexibilität bei den Agenturen, ganze Touren innerhalb von Tagen neu zu planen“, sagt Ressler.
Das habe vorher Monate gedauert. „Wir haben die Zeit auch genutzt, um unsere Garderoben neu zu gestalten, die Fassade zu erneuern und die Technik zu sanieren.“ Nicht nur das Kaminwerk habe sich in den zwei Jahren verändert, auch die Besucher: „Das Kaufverhalten ist rückläufig. Viele haben sich vom Konzertgeschehen abgewandt.“
Aktuell werde nur noch in große Konzerte investiert, die kleinen Konzerte von weniger bekannten Künstlern hätten es extrem schwer. Zudem verzeichnet die deutsche Konzertszene Ressler zufolge im Moment wieder vermehrt Veranstaltungsabsagen wegen schlechter Zahlen im Vorverkauf.
„Bei uns wurden während der Pandemie viele Prüfungen vom TÜV gestrichen“, sagt Luca Fiebig von der Fahrschule Frömsdorf aus Memmingen. Im ersten Lockdown sei alles geschlossen gewesen und so hätten sich die Prüflinge „quasi gestaut“. Das wirkt sich auf die Schüler aus: Um das Gelernte in der Wartezeit nicht zu vergessen, benötigen sie mehr Fahrstunden. „Der Führerschein wird also immer teurer“, fasst Fiebig zusammen.
Von Oktober 2021 bis Ende März habe es eine Ausnahmeerlaubnis von der Bayerischen Regierung für Online-Unterricht in der Theorie gegeben. Die Folgen der Pandemie sind für die Fahrschule noch spürbar: „Es dürfen weiterhin nicht mehr als zwei Personen im Auto sitzen“, erklärt Fiebig. Ausnahme sei die praktische Prüfung. Es gebe Wartelisten für die Theorieprüfung, weil der Andrang so groß sei. Auch den Führerschein beim Landratsamt zu beantragen, koste mehr Zeit: „Mittlerweile sollte man etwa ein halbes Jahr einplanen, bis man seinen Führerschein erhält.“
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