Sollte sich Memmingen entscheiden, sarglose Bestattungen zu erlauben, müssen einige Details geklärt werden. Etwa, wie der Leichnam ins Grab gelassen wird.
17.12.2021 | Stand: 12:00 Uhr
In Memmingen könnten sie bald möglich sein: Bestattungen ohne Sarg. Vor allem für viele Muslime ist es wichtig, nach ihrem Tod in einem Leichentuch begraben zu werden. Der Freistaat hatte im April 2021 die Bestattungsverordnung geändert, seitdem ist es Kommunen möglich, sarglose Erdbestattungen „in einem Leichentuch ohne Sarg aus religiösen und weltanschaulichen Gründen“ zu erlauben - „soweit öffentliche Belange nicht entgegenstehen“.
In Memmingen ist es derzeit noch nicht möglich. Der Stadtrat muss zunächst darüber abstimmen, ob die Friedhofssatzung geändert und sarglose Bestattungen erlaubt werden sollen. Einen Zeitplan dafür gibt es laut Stadt aber noch nicht.
Auf dem Memminger Waldfriedhof gibt es seit 1993 eine Abteilung nur für Muslime. Dort wurden bisher 45 Menschen bestattet. Damit habe die Stadt der Vielfalt der Gesellschaft schon Rechnung getragen, sagt Ayşe Coşkun von der Islamberatung Bayern mit Sitz in München. Sie berät bayerische Kommunen rund um das Thema Islam. Wenn eine Kommune die sarglose Bestattung erlaube, habe das heutzutage aber nichts mehr mit Integration zu tun, sondern es sei ein Zeichen, dass sie in der Normalität angekommen sei. Denn Muslime seien ein fester Teil der deutschen Gesellschaft.
Mit einer Änderung der Friedhofssatzung allein ist es aber nicht getan. Es müssen zuvor einige Details festgelegt werden:
- Waschen des Leichnams: Wo können die Toten gewaschen werden? Im Islam ist es verpflichtend, dass Leichname vor der Bestattung nach einem bestimmten Ritual gewaschen werden. Ein entsprechender Raum auf dem Friedhofsgelände „wäre optimal“, sagt Ayşe Coşkun. Die Türkisch Islamische Gemeinde Memmingen habe in der Moschee an der Schlachthofstraße einen speziellen Raum dafür, sagt Christian Ettmüller, Inhaber von Allgäu Bestatter mit Hauptsitz in Memmingen. Und auch sein Unternehmen biete einen solchen Raum an. Den könnten auch die Angehörigen der Verstorbenen nutzen, um den Leichnam zu waschen – wie es Brauch ist. „Das ist bei uns gang und gäbe.“
- Ins Grab lassen: Aus Ettmüllers Sicht muss in der Friedhofssatzung auch festgelegt werden, wie der Leichnam ohne Sarg ins Grab gelassen wird. In München seien zwei Varianten getestet worden, deren Demonstration er sich habe anschauen dürfen. Einmal wird der Leichnam auf ein Brett niedergelassen, das bereits im Grab liegt. Doch die bessere Variante sei, den Leichnam samt Brett hinabzulassen. Das sehe ästhetischer aus.
- Vorbereitung des Leichnams: Ein weiterer Aspekt, der in der Satzung berücksichtigt werden müsse, sei der, dass ein Leichnam professionell vorbereitet werden müsse. Denn werde er ohne Sarg, nur im Leichentuch zum Grab getragen, müsse das so geschehen, dass es andere Friedhofsbesucher nicht störe. Zum Beispiel dürften keine Flüssigkeiten zu sehen sein – die ein Sarg verberge, ein Leichentuch aber nicht so leicht.
- Transport zum Friedhof: Wird ein Leichnam beispielsweise von der Moschee mit einem Auto zum Friedhof gebracht, muss er während der Fahrt in einem Sarg liegen. So sieht es das deutsche Recht vor. Der muss festverschlossen, widerstandsfähig sowie blick- und flüssigkeitsdicht sein, sagt Matthias Liebler, Vorsitzender des Bestatterverbands Bayern. Die Definition Sarg schließe Überführungstragen und Unfallwannen ein. Zwingend gekauft werden muss ein Sarg aber für die wenigen Kilometer Fahrt nicht. Es gibt Bestatter, die Särge für diesen Zweck vermieten. „Ein Sarg kann mehrfach verwendet werden, sofern er vor der Wiederbenutzung ausreichend gereinigt und desinfiziert worden ist“, sagt Liebler.
- Der Wunsch nach einer sarglosen Bestattung: Ob sich viele Menschen aus Memmingen für eine sarglose Bestattung auf dem Waldfriedhof entscheiden werden, sobald sie erlaubt ist, diese Einschätzung konnte uns niemand geben. Anfragen zu diesem Thema habe der Integrationsbeirat der Stadt noch nicht bekommen, sagt Vorsitzende Patricia Isac. Auch Ayşe Coşkun von der Islamberatung Bayern kann es schwer einschätzen. Viele Menschen muslimischen Glaubens entscheiden sich dafür, sich nach ihrem Tod im Land ihrer Vorfahren, etwa der Türkei, bestatten zu lassen.