Im Stadtmuseum Memmingen gibt es schon lange eine Abteilung, die die Geschichte von Sudetendeutschen erzählt. Nun öffnet das Heimatmuseum Freudenthal/Altvater nach drei Jahren wieder.
Bild: Hannah Greiner
Im Stadtmuseum Memmingen gibt es schon lange eine Abteilung, die die Geschichte von Sudetendeutschen erzählt. Nun öffnet das Heimatmuseum Freudenthal/Altvater nach drei Jahren wieder.
Bild: Hannah Greiner
„Eine Generation an Wissen stirbt aus“, sagt Memmingens Zweite Bürgermeisterin Margareta Böckh in einen Raum voller Erinnerungen. An der Wand zeigt sich, was von besagter Generation bleibt. Glänzendes Porzellanbesteck, vergilbte Bücher und Miniaturmöbel aus feinstem Holz – damals sicher Teil eines Puppenhauses – reihen sich in Vitrinen aneinander. Es ist das Leben vieler Sudetendeutschen, komprimiert und verpackt.
„Vertreibung und Flucht sind universelle Erfahrungen“, sagt Kuratorin Ursula Winkler am Anfang ihrer Rede. Und in jedem Raum des Heimatmuseums Freudenthal/Altvater stellt sich unwillkürlich die Frage: Wonach würde ich greifen, würde ich vertrieben und meines bisherigen Lebens beraubt werden? Winkler ist mitverantwortlich für die Renovierung des Heimatmuseums, das am Sonntag, 7 Mai, im Stadtmuseum neu eröffnet. Es erzählt die Geschichte der Sudetendeutschen in Memmingen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die deutschsprachige Minderheit von den Siegermächten aus dem heutigen Tschechien vertrieben. Laut Winkler kamen in den Jahren 1945/46 etwa 20.000 von ihnen in einem vom Krieg gezeichneten Memmingen an. Der Kulturschock war groß: „Die Einwohnerzahl verdoppelte sich auf einen Schlag“, erklärt Winkler. Zwar hätten sowohl die „Flichtling“, wie die Sudetendeutschen oft abfällig bezeichnet wurden, als auch die Einheimischen dieselbe Sprache gesprochen. Doch vor allem ihre Konfessionen trennten sie. Mit den katholischen Sudetendeutschen aus Altvater, Freudenthal, Jägerndorf und Römerstadt kam Wirbel in die protestantische Maustadt.
Zehn Jahre nach der Ankunft eröffnete das Heimatmuseum, das nun zum ersten Mal rundum modernisiert wurde. Nach drei Jahren Konzeptionsarbeit „sind wir froh und stolz“, sagt Dr. Hans-Wolfgang Bayer, Kulturamtsleiter der Stadt Memmingen.
Auf den 200 Quadratmetern Museumsfläche werden sowohl die Herkunft und Ankunft der Sudetendeutschen, als auch das Memminger Kriegsgeschehen thematisiert. „Bisher hat das Museum die Geschichte der Sudetendeutschen nur bis zur Ankunft in Memmingen erzählt“, sagt Kuratorin Winkler, „jetzt setzen wir den Fokus aber auf die Bekenntnisgeneration und lassen die Zeitzeugen zu Wort kommen“. Besucher können sich zum Beispiel über ein Dutzend Interviews ansehen. In einem Film erzählt etwa Frida Güttler von ihrer Arbeit in einer Seidenweberei im Sudetenland, die der heute 99-Jährigen dann maßgeblich in ihrer neuen Heimat Memmingen zu Gute kam.
Auch noch heute ist der Dialog über die Vertreibung aus dem Sudetenland laut Winkler wichtig: „Bei den Familien haben sich oft Traumata vererbt.“ Das Heimatmuseum möchte deshalb die Fragen von Nachkommen beantworten und Interessierte über dieses bedeutsame Kapitel der Memminger Geschichte informieren. Alle Besucher können Anfragen zur Geschichte ihres Stammbaums stellen und vor Ort Recherchen betreiben.
Die Renovierung des Heimatmuseums kostete fast 265.000 Euro. Finanziert wurden diese Kosten durch den Heimatkreis Freudenthal/Altvater, das Staatsministerium für Familien, Arbeit und Soziales sowie durch private Einzelspenden.
Die Neueröffnung ist am 7. Mai um 11 Uhr im Kreuzherrnsaal. Anschließend geht es zur Besichtigung des Heimatmuseums. Die Haupttexte sind dreisprachig formuliert: Auf Deutsch, Tschechisch und Englisch. Für die Teilnahme am Sonntag ist eine Anmeldung bei der Stadt erforderlich, der Eintritt in das Museum ist frei.