Klimawandel und Umwelt

Mammutbaum statt Eiche: Neue Bäume braucht die Stadt

Etwa 150 Zukunftsbäume verschiedener Arten wurden in Memmingen gepflanzt. Ein ganzes "Versuchsfeld" gibt es an der Benninger Straße – in der Nähe eines der letzten Baumriesen, einer etwa 30 Meter hohen Pappel (Bildhintergrund).

Etwa 150 Zukunftsbäume verschiedener Arten wurden in Memmingen gepflanzt. Ein ganzes "Versuchsfeld" gibt es an der Benninger Straße – in der Nähe eines der letzten Baumriesen, einer etwa 30 Meter hohen Pappel (Bildhintergrund).

Bild: Verena Kaulfersch

Etwa 150 Zukunftsbäume verschiedener Arten wurden in Memmingen gepflanzt. Ein ganzes "Versuchsfeld" gibt es an der Benninger Straße – in der Nähe eines der letzten Baumriesen, einer etwa 30 Meter hohen Pappel (Bildhintergrund).

Bild: Verena Kaulfersch

Klima, Schädlinge und Krankheiten setzen Esche, Eiche und Co. zu. In der Innenstadt werden daher „Zukunftsbäume“ gepflanzt. Wo dabei die Schwierigkeiten liegen.
18.09.2023 | Stand: 18:00 Uhr

Einer „der letzten Riesen in der Stadt“ ragt bei der Gaststätte „Spiegelschwab“ etwa 30 Meter in den Himmel, den Stammumfang schätzt Michael Koch auf sieben Meter. Dem Sturmtief „Ronson“ hat die Pappel jüngst standgehalten, aber einige Äste eingebüßt. Angesichts von Klimawandel und häufigerer extremer Wetterlagen wird die Luft für viele heimische Baumarten immer dünner. Darum hat der Leiter des Amts für Stadtgrün einen Steinwurf entfernt an der Benninger Straße ein „Versuchsfeld“ angelegt. Geweihbaum, Hopfenbuche, Amur Korkbaum und Kaukasische Flügelnuss – junge Bäumchen dieser und vieler weiterer Arten säumen die Fahrbahn. „So haben wir den Eins-zu-Eins-Vergleich, wie verschiedene Bäume mit identischen Bedingungen zurechtkommen.“

In Memmingen wurden bisher etwa 150 "Zukunftsbäume" gepflanzt

Etwa 150 „Zukunftsbäume“ haben Koch und sein Team seit 2020 verteilt auf das Stadtgebiet gepflanzt. Bewusst probiert der Amtsleiter eine lange Liste verschiedener Arten aus – denn um sich durchsetzen zu können, müssen die Pflanzen einiges wegstecken: Sie müssen Hitzephasen ebenso trotzen wie Stürmen, müssen mit wenig Wasser und einer relativ kleinen Baumgrube – also Platz für Wurzelwerk – zurechtkommen. Außerdem sind da Luftverschmutzung und Salz. Zwar kommt Letzteres nur in der kalten Jahreszeit zum Einsatz, aber laut Koch ist es „ein entscheidender Faktor und schädigt nachhaltig“.

Das Amt für Stadtgrün setzt bei den Zukunftsbäumen auch auf großblättrige Arten, die für deutliche Abkühlung in ihrer Umgebung sorgen. Diese Paulownie steht am Parkhaus in der Krautstraße.
Das Amt für Stadtgrün setzt bei den Zukunftsbäumen auch auf großblättrige Arten, die für deutliche Abkühlung in ihrer Umgebung sorgen. Diese Paulownie steht am Parkhaus in der Krautstraße.
Bild: Verena Kaulfersch

Noch sind die Mammutbäume nicht einmal mannshoch

An der Münchner Straße haben Vertreter von „Sequoiadendron giganteum“ Wurzeln geschlagen – noch sind sie nicht einmal mannshoch. Dass sie eines Tages imposante Mammutbäume werden sollen, sieht man ihnen beileibe nicht an. Doch der Anfang ist gemacht – für Koch der springende Punkt: „Es wird immer schwieriger, Bäume im Stadtgebiet zu etablieren. Umso früher wir es angehen, desto besser: Wenn die Temperaturen im Mittel weiter steigen, tun wir uns noch schwerer.“ Zu Beginn benötigen die Bäume viel Wasser – etwa 100 bis 200 Liter sind es pro Gieß-Aktion.

So lange werden die neuen Bäume in Memmingen bewässert

150 Jungpflanzen im Stadtgebiet stellen laut Koch so auch die Grenze des Machbaren dar: „Da müssen wir den 4000-Liter-Tank am Fahrzeug schon einige Male auffüllen.“ Drei Jahre lang gibt es Starthilfe, danach folgt die Bewährungsprobe: Es wird nicht mehr gegossen. „Da trennt sich sozusagen die Spreu vom Weizen.“ Haben die Bäume eine gewisse Größe erreicht, geben sie sich Koch zufolge gegenseitig Schutz vor Wind und spenden sich Schatten. Sie kühlen wirksam ihre Umgebung und den Boden ab, der dadurch weniger schnell austrocknet.

Überall im Stadtgebiet hat das Amt für Stadtgrün "Zukunftsbäume" gepflanzt - beispielsweise auch im Zollergarten.
Überall im Stadtgebiet hat das Amt für Stadtgrün "Zukunftsbäume" gepflanzt - beispielsweise auch im Zollergarten.
Bild: Verena Kaulfersch

Der Geweihbaum, benannt nach der Wuchsform mit kurzen Seitentrieben, steht dem Amtsleiter zufolge in dem Ruf, gut mit Hitze und Trockenheit zurechtzukommen. Ein Exemplar davon ist auch im Zollergarten zu finden, während zum Beispiel am Schweizerberg Magnolienbäume gepflanzt wurden. „Diese Art hat kleine Blüten, blüht weiß bis gelblich und wird nicht zu groß. Damit ist sie dem Wind gerade bei Stürmen nicht so stark ausgesetzt.“ Die Paulownie alias Blauglockenbaum, die etwa am Parkhaus in der Krautstraße zu finden ist, blüht Koch zufolge nicht nur wunderschön, sondern punktet dank großer Blätter mit viel Wasserverdunstung und entsprechendem Kühlungseffekt. Einer der Bäume hat die Anwuchsphase nicht überstanden – auch einzelne andere junge Bäume sind abgestorben. „Das ist oft schlecht vorhersehbar und nicht genau zu erklären“, sagt Koch: „Bäume sind eben auch Lebewesen.“

Auch Nadelbäume werden in Memmingen neu gepflanzt: An der Augsburger Straße sollen Kiefern gedeihen.
Auch Nadelbäume werden in Memmingen neu gepflanzt: An der Augsburger Straße sollen Kiefern gedeihen.
Bild: Verena Kaulfersch

Einen schwierigen Start haben die kleinen Kiefern an der Augsburger Straße hinter sich: „Wir hatten anfangs Probleme, weil sie so viel Wasser gebraucht haben.“ Nun ist Koch zuversichtlich, dass sich die Nadelbäume auf dem kiesigen, trockenen Boden am Straßenrand wohlfühlen. Wirklich zeigen werde sich das aber frühestens in 20 Jahren – eine Schwierigkeit, die das Projekt „Zukunftsbäume“ mit sich bringt.

Heimische Bäume leiden unter Klima und Krankheiten: Das Bild in der Innenstadt wird sich ändern

Eins ist klar: Das Bild in der Innenstadt wird sich verändern. Zwar bemühe man sich – vor allem in Außenbereichen, wo die Belastung geringer ist –, heimische Bäume wie Pappel, Ulme, Eiche, Ahorn oder Linde zu halten oder neu zu pflanzen, doch durch den Stressfaktor Klima würden die Bäume auch anfälliger für Schädlinge und Krankheiten. Als Stichwort nennt Koch etwa das Eschentriebsterben. Etwa 1000 der laut Baumkataster rund 15.000 Einzelbäume im Stadtgebiet sind nach Kochs Schätzung Eschen: „Ob es in zehn Jahren noch welche gibt, weiß ich nicht.“ Hinzu kommt, dass Alleen und Flächen früher oft mit Bäumen der gleichen Art angelegt wurden. Diese Monokulturen bedeuten für Schädlinge oder Pilze quasi ein gefundenes Fressen. „Innerhalb von drei Jahren könnte zum Beispiel die Platanenfäule die ganze Allee an der Dr.-Karl-Lenz-Straße vernichten“, sagt Koch.

Die Frage, welche „Zukunftsbäume“ die richtigen für Memmingen sind, bleibt spannend. Ob ihm die Aufgabe Spaß macht oder eher Kopfzerbrechen bereitet? Koch überlegt und antwortet mit einem Lächeln: „Ich würde sagen, das Kopfzerbrechen macht mir Spaß.“

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