In Kaufbeuren ist kürzlich ein Kind an einer bakteriellen Meningitis, einer Hirnhautentzündung, erkrankt. Verursacht wurde sie durch Meningokokken. Laut des behandelnden Chefarztes Professor Markus Rauchenzauner hat sich der Zustand des jungen Patienten deutlich verbessert. Es gebe Grund zur Hoffnung, dass sich das Kind übers Wochenende weiter stabilisiert. Aktuell werde es noch antibiotisch behandelt. Trotzdem stellen sich viele Eltern die Frage: Wie häufig kommt so etwas vor? Und wie gefährlich ist eine Ansteckung? Darüber sprachen wir mit Dr. Volkmar Reschke, Ärztlicher Leiter des Medizinischen Versorgungszentrums für Kinder- und Jugendmedizin in Kaufbeuren.
Wie groß ist die Sorge der Eltern?
Dr. Volkmar Reschke: Sehr groß. Uns haben vergangene Woche viele Anfragen von Eltern erreicht, deren Kinder in einer Theatervorstellung waren, die das erkrankte Kind besucht hat, oder Kontakt im Kindergarten hatten. Aber auch andere, bei denen es keinen direkten Kontakt gab, haben sich informiert oder wollten Symptome ihrer Kinder abklären lassen.
Was sind Meningokokken und wie gefährlich ist eine Infektion?
Reschke: Meningokokken sind Bakterien, die zu einer Meningitis, also zu einer Hirnhautentzündung, führen können. Das ist aber nicht zwingend. Sie können auch schwere Allgemeininfektionen hervorrufen. Symptome sind zum Beispiel Kopfweh, Fieber, Nackensteifigkeit, Schläfrigkeit und ein schlechter Allgemeinzustand. Im schlimmsten Fall kann eine Ansteckung tödlich enden. Ich kenne eine Frau aus dem Senegal, die als Kind schwer erkrankt ist und mehrere Extremitäten verloren hat. Auch geistige Behinderungen können eine Folge sein. So gefährlich die Meningokokken sind, so selten sind aber schwere Meningokokken-Erkrankungen. In Deutschland werden jährlich etwa 250 bis 300 Fälle dokumentiert.
Wer ist besonders gefährdet?
Reschke: Anstecken können sich Menschen aller Altersgruppen. Vorwiegend sind Säuglinge, Kleinkinder und dann wieder Jugendliche ab etwa 16 Jahren betroffen. Erkranken kann aber jeder.
Wie kann man sich mit Meningokokken anstecken?
Reschke: Die Übertragung des Erregers erfolgt von Mensch zu Mensch über eine Tröpfcheninfektion. Etwa jeder Zehnte trägt Meningokokken in sich, allerdings ohne Symptome zu haben. Sie sind im Nasen-Rachen-Raum angesiedelt und können über dessen Sekret weitergegeben werden, also unter anderem beim Niesen. Anders als beispielsweise beim Corona-Virus sind aber nur sehr enge Kontaktpersonen gefährdet. Dazu zählen meist Familienangehörige aus dem selben Haushalt oder auch Mitschüler.

Wie sieht die Therapie nach einer Infektion aus? Und was gilt für Kontaktpersonen?
Reschke: Erkrankte werden in der Regel stationär behandelt und erhalten Infusionen mit einem geeigneten Antibiotikum. Oft ist auch eine intensivmedizinische Behandlung in einer Klinik erforderlich. Ein Antibiotikum bekommen auch die Kontaktpersonen durch die Haus- oder Kinderärzte. Kindern wird es oral in Form eines Safts und Jugendlichen und Erwachsenen in Form von Tabletten verabreicht.
Kann man sich vor einer Ansteckung schützen?
Reschke: Es gibt Impfungen, die auf jeden Fall einen schweren Verlauf verhindern. Meningokokken sind aber sehr komplex, es gibt zwölf Untergruppen. Seit 2006 empfiehlt das Robert-Koch-Institut eine Impfung gegen den Serotyp C ab dem 13. Lebensmonat. Heute haben 90 Prozent der Kinder im Schulalter diese Impfung bereits erhalten. Der größte Teil der Bevölkerung ist allerdings nicht geimpft, weil es die Empfehlung dazu noch nicht so lange gibt. Dazu kommt, dass bei etwa der Hälfte der Meningokokken-Fälle Serotyp B auftritt, der besonders schwere Krankheitsverläufe verursacht. Auch gegen ihn ist eine Impfung möglich. Anders als in anderen europäischen Ländern gibt es in Deutschland dafür allerdings noch keine offizielle Impfempfehlung. In der Folge übernehmen auch nicht alle Krankenkassen die Kosten von rund 400 Euro. Es gibt Familien, die sich die Impfung schlicht nicht leisten können. Andere sparen sogar extra darauf.
Ist es für Erwachsene ratsam, sich impfen zu lassen?
Reschke: Es gibt die Empfehlung für Personen aller Altersgruppen, die zum Beispiel einen Immundefekt haben. Auch Fernreisende in tropische Regionen und Risikoländer sowie gefährdetes Laborpersonal sollte sich impfen lassen. Für Kontaktpersonen empfiehlt sich ebenfalls eine Impfung, wenn der Erreger bekannt ist. Ein gesunder Erwachsener muss sich aber nicht generell gegen Meningokokken impfen lassen.
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