Es sieht aus wie eine Mischung aus Kleinflugzeug, Helikopter und Drohne und soll die medizinische Versorgung im ländlichen Raum auf neue Beine stellen: Als „fliegenden Notarztwagen mit Elektroantrieb“ hat der ehemalige bayerische Gesundheitsminister und jetzige CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek das Fluggerät bei einem Pressetermin in Memmingen bezeichnet.
Es soll in den nächsten Jahren in Memmingen und dem Unterallgäu im Rahmen eines deutschlandweit einmaligen Modellprojektes auf Herz und Nieren getestet werden. Das Gerät ist gedacht als Ergänzung zu Rettungshubschrauber und Krankenwagen. Es soll dazu beitragen, die medizinische Versorgung massiv zu verbessern.
Modellprojekt in Memmingen und im Unterallgäu: Neues Fluggerät
Das neue elektrisch betriebene Fluggerät hört auf den Namen „eVTOL“. Und der Prototyp dieses „fliegenden Krankenwagens“ soll bereits im Juli vorgestellt werden. Mit dem Fluggerät sind viele Hoffnungen verbunden. Holetschek spricht mit Blick auf die medizinische Versorgung und die geplante Krankenhausreform in Deutschland von großen Herausforderungen: „Welche Krankenhäuser werden da sein? Wie werden die ländlichen Räume dargestellt? Wie werden die Rettungswege aussehen?“ Um Verletzte ins Krankenhaus zu bringen, oder um Patienten von einer Klinik in eine andere zu verlegen, werden jetzt Rettungshubschrauber und Krankenwagen genutzt. Nun soll mit dem neuen Fluggerät ein weiterer Baustein hinzukommen, der Patienten schnell und vergleichsweise kostengünstig transportieren kann.
sagt Dr. Krystian Pracz, Vorsitzender der Stiftung der DRF Luftrettung, die Teil des deutschen Rettungsdienstes ist. Rettungshubschrauber seien laut und kostenintensiv. Das neue Fluggerät sei leiser und günstiger in Anschaffung und Unterhalt, heißt es bei dem Termin in Memmingen. Kostet ein Rettungshubschrauber je nach Ausstattung bis zu zwölf Millionen Euro, schlägt das neue Fluggerät mit etwa vier Millionen Euro zu Buche. Es wird von einem Piloten gesteuert, Platz in dem Gerät ist außerdem für einen Patienten, medizinisches Personal und technische Geräte.
Allgäu: Patienten im ländlichen Raum sollen besser versorgt werden
Der Investor ist Professor Rudolf Schwarz von der „Industrieanlagen Betriebsgesellschaft“. Zu der Unternehmensgruppe gehört auch die ERC-System GmbH, die mit der Technischen Universität München das senkrecht startende und landende Fluggerät konzipiert hat. Man wolle neuer Technik zum Durchbruch verhelfen, fasst Schwarz zusammen, was er mit dem Memminger Projekt erreichen möchte.
Mit Blick auf das Fluggerät sagt er: „Wir fliegen elektrisch, wir müssen sparsam mit der Energie sein.“ Der Prototyp werde aus Eigenmitteln finanziert. Einen genauen Betrag nennt er nicht, spricht aber von einer „erheblichen Millionensumme“. Anfang Juli wollen Schwarz und sein Team den Prototypen bereits vorstellen. Der erste Testflug soll nächstes Jahr von der Unterallgäuer Gemeinde Babenhausen nach Memmingen führen. Das ist eine Entfernung von etwa 23 Kilometern. Stationiert wird das Fluggerät voraussichtlich in Memmingen, heißt es bei dem Pressetermin.
Von Anfang an waren auch Mediziner in die Entwicklung des „eVTOL“ involviert. Da ist beispielsweise Professor Peter Biberthaler vom Münchner Klinikum rechts der Isar. Seit über 30 Jahren habe er Erfahrung in der Notfallmedizin, sagt Biberthaler. Die Wahrscheinlichkeit, an einer schweren Verletzung zu sterben, sei in dieser Zeit von 45 auf 15 Prozent gesunken. Warum? Weil man auf innovative Technologien zurückgreife. Im Kern gehe es darum, die Zeit zu reduzieren, um vom Unfall- oder Notfallort in eine Klinik zu kommen. In die Planung des Fluggeräts habe man die Anforderungen integriert, „die wir aus ärztlicher Sicht brauchen, damit die Patienten gut versorgt sind“.
Ab wann wäre ein regulärer Betrieb möglich?
Es geht aber auch um die Verlegung von Patienten, zum Beispiel von einer Grundversorgungsklinik in eine Schwerpunktklinik. Das laufe jetzt aus Kostengründen größtenteils über den Landweg und solle künftig auch mit dem neuen Fluggerät geschehen, teilen die Verantwortlichen mit. Bis tatsächlich das neue Gerät bei der medizinischen Versorgung im Allgäu hilft, wird es aber noch dauern. Mit einer Genehmigung für den regulären Betrieb rechnen die Beteiligten im Jahr 2029. Bis dahin will man testen, wie gut sich das Fluggerät in die bestehenden Strukturen einbinden lässt. Man müsse neu denken und brauche neue Versorgungskonzepte, sagt Pracz mit Blick auf Kostensteigerungen, demografischen Wandel und Fachkräftemangel. Diesen Prozess habe man jetzt gestartet.