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Mordprozess in Memmingen: Frau nach tödlichem Brand am Hühnerberg 2023 vor Gericht

Mordprozess gegen Witwe

War der tödliche Brand in Memmingen eiskalter Mord - oder doch ein Unfall?

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    Ein Polizist nimmt der Angeklagten die Bauchfesseln ab, bevor sie sich auf die Anklagebank im Landgericht Memmingen setzt. Links Verteidigerin Anja Mack (Memmingen), rechts Verteidiger Alexander Hamburg.
    Ein Polizist nimmt der Angeklagten die Bauchfesseln ab, bevor sie sich auf die Anklagebank im Landgericht Memmingen setzt. Links Verteidigerin Anja Mack (Memmingen), rechts Verteidiger Alexander Hamburg. Foto: Andreas Berger

    Schwarzer Mundschutz, schwarze Sonnenbrille, schwarze Kleidung: So wird die 34-jährige Angeklagte am Dienstag in den großen Saal des Memminger Landgerichts geführt. Auch der Bauchgurt ist schwarz, an dem die Hände der Frau fixiert sind. Ein Polizist löst sie, dann setzt sie sich auf die Anklagebank.

    Die Memmingerin soll ihren Mann umgebracht haben, das wirft ihr die Staatsanwaltschaft vor. Am Dienstag, dem ersten Verhandlungstag, liest Staatsanwalt Roman Stoschek vor, was die Frau getan haben soll. Heftige Anschuldigungen sind es. Die aber aus Sicht der Verteidigung entkräftet werden können, wie Anwalt Alexander Hamburg danach sagt. Drei Brüder und die Schwester des toten Mannes sitzen ihm gegenüber, gleich neben dem Staatsanwalt. Sie sind Nebenkläger und richten immer wieder ihre Blicke fest auf die Beschuldigte. Die ist umrahmt von ihren beiden Verteidigern. Neben Hamburg ist dies auch Rechtsanwältin Anja Mack aus Memmingen.

    Mordprozess in Memmingen: So lautet die Anklage

    Staatsanwalt Stoschek legt los: Spätestens zwischen Oktober und Dezember 2022 habe die heute 34-Jährige geplant, ihren 38-jährigen Mann zu töten. Sie soll ihn zudem dazu gebracht haben, verschiedene Versicherungen abzuschließen, die im Falle seines Todes zahlen. Das Geld sollte dann sie bekommen. In der Anklage ist die Rede von 2,4 Millionen Euro.

    Schlaftabletten in recht hoher Dosis?

    Am 6. Mai 2023 soll es dann so weit gewesen sein: In der gemeinsamen Wohnung soll die Frau dem 38-Jährigen gesagt haben, dass sie ein weiteres Kind mit ihm haben wolle. Die beiden hatten bereits fünf Kinder. Sie habe ihm empfohlen, ein Medikament einzunehmen, „dass die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Zeugung erhöht“. Allerdings soll es sich stattdessen um das Schlafmittel Zolpidem gehandelt haben. Und zwar in einer recht hohen Dosis. Der Mann soll seiner Frau vertraut und arglos das Mittel genommen haben. Irgendwann am Nachmittag wirkte es, der 38-Jährige schlief laut Staatsanwalt ein.

    Staatsanwalt: "... strafbar als Mord"

    Wenig später soll die Frau in dem Zimmer Feuer gelegt haben. Sie habe dafür Kleidung und eine Matratze angezündet, „um den Geschädigten zu töten“. Danach soll sie die Wohnung und das Haus verlassen haben. Sie habe damit ihren Mann und die anderen Hausbewohner ihrem Schicksal überlassen. Es brach allerdings kein großes Feuer aus. Es blieb bei einem Glimmbrand – das bedeutet etwa, dass sich die Glut durch die Stoffe fraß. Das habe aber ausgereicht: Der Mann starb an einer Rauchgasvergiftung. „Die Angeschuldigte wird daher beschuldigt, aus Habgier, heimtückisch, mit gemeingefährlichen Mitteln und um eine andere Straftat zu ermöglichen (Betrug), einen Menschen getötet zu haben, strafbar als Mord", sagt der Staatsanwalt.

    Verteidiger geht von einem Unfall aus

    Verteidiger Alexander Hamburg sieht seine Mandantin zu Unrecht wegen Mordes angeklagt. Zu viele Aspekte sprächen gegen ihre Schuld. Zum Beispiel die Art des Feuers: Würden eine Matratze und Kleidung angezündet, breche meist ein starkes Feuer aus, kein Glimmbrand. Das hätten Untersuchungen eines renommierten Gutachters ergeben. Da in diesem Fall in der Wohnung kein offenes Feuer ausgebrochen ist, geht der Verteidiger von einem Unfall aus – beispielsweise ausgelöst durch eine Zigarette. Sie hätte einen Glimmbrand verursachen können.

    Rechtsanwalt bringt den Vater der Frau ins Spiel

    Anwalt Hamburg will einen weiteren Beweis der Staatsanwaltschaft entkräften: Er bezieht sich auf das Handy des Vaters der Angeklagten, der in der Nachbarschaft wohnt. Mit diesem Mobiltelefon sei am Tat-Tag im Internet danach gesucht worden, wie sich Rauch über länger Zeit auf einen Menschen auswirke. Die Anklage verdächtigt die Frau, das Handy für die Suche genutzt zu haben. Doch Hamburg bezweifelt das: Die Ermittlungen hätten ergeben, dass kurz vor der Suche nach der Auswirkung von Rauch nach dem Wetter und danach nach einer TV-Sendung im SWR gesucht worden ist. Warum hätte die Frau erst nach Wetter und TV-Sendung suchen sollen und direkt danach nach der Wirkung von Rauch? Wahrscheinlicher sei, dass jemand anderes diese Suchen eingegeben habe.

    Nun bringt Hamburg ihren Vater ins Spiel. Der habe kein gutes Verhältnis zu seinem Schwiegersohn gehabt. Als er die Rauchentwicklung in dessen Wohnung gesehen habe, habe er sich entschieden, nicht zu helfen, mutmaßt der Anwalt. Und dann im Internet nach Rauch-Auswirkungen gesucht.

    Verteidiger: Handy-Beweise passen nicht

    Der Verteidiger geht auf einen weiteren Beweis der Staatsanwaltschaft ein: Die habe ermittelt, dass das Handy der Angeklagten zur Tatzeit an dem Funkmast geortet worden ist, in dessen Bereich auch die Wohnung der Eheleute liegt. Allerdings sei eine solche Funkzelle sehr groß, sagt Hamburg. So hätte die Frau auch Kilometer entfernt von der Wohnung sein können. Aus seiner Sicht also kein ausreichender Beweis für die Schuld der Frau.

    Und noch einen Punkt nennt er, in dem er die Anklage als nicht gerechtfertigt sieht: Seiner Mandantin wird vorgeworfen, spätestens zwischen Oktober und Dezember 2022 den Tod ihres Mannes geplant zu haben. Die Versicherungen für ihn aber seien bereits vorher abgeschlossen worden. Also könne das Motiv der Bereicherung nicht stimmen. Zudem sei die Frau finanziell in dieser Zeit in keiner Notlage gewesen. Sie hätte das Geld also nicht benötigt. Mit Blick auf all dies fielen die Vorwürfe der Anklage „wie ein Kartenhaus zusammen“.

    Der Prozess soll am Donnerstag, 23. Mai, fortgeführt werden. Ein Urteil soll Ende August fallen.

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