„Stopp! Anhalten!“ Kurz hinter einer Rechtskurve am Jochpass springt Polizeihauptmeister Florian Götz, 36, abrupt auf die Straße und bremst einen ungestümen Motorradfahrer aus. Der 54-Jährige aus Ulm ist völlig verdattert, als seine abenteuerliche Bergauf-Fahrt von Bad Hindelang (825 Meter hoch gelegen) nach Oberjoch (1139 Meter) ein vorläufiges Ende findet. „Damit hätte ich an diesem Fleck nicht gerechnet“, sagt er über den Polizeieinsatz.
"Der Pass verleitet einfach dazu"
Verblüfft ist er auch, dass ihn Polizist Götz und dessen Kollegin Saime Vaitl, 42, von der Allgäuer „Kontrollgruppe Motorrad" mit einem konkreten Vergehen konfrontieren: Auf einer der um die 100 Kurven umfassenden Verbindungsstraße sei er an einem Auto vorbeigefahren - obwohl im gesamten Bereich der Tempo-60-Zone Überholverbot herrscht. „Das stimmt“, gibt er reumütig zu und akzeptiert ein Bußgeld von 70 Euro sowie einen Punkt in Flensburg ohne Einspruch. Begründung für sein illegales Manöver? „Der Pass verleitet einfach dazu.“ Viel mehr als das eingeräumte Vergehen beschäftigt den Biker eine andere Frage: „Wie hat die Polizei mich beobachtet?“
Der Trick ist einfach, aber effektiv. Götz und Vaitl mischten sich am Samstag mit ihrem Kollegen Stefan Wasmeier, 36, von der Sonthofener Polizei am Aussichtspunkt „Kanzel“ unter die Touristen. Von dort hat man einen wunderbaren Blick auf die Passstraße. Fällt ein Übeltäter auf, eilen die Beamten zum etwa 200 Meter entfernten Parkplatz - und ziehen ihn dort aus dem Verkehr. „Das ist kein Geheimnis und hat sich bewährt“, sagen die Polizisten, die am Wochenende auch am Riedbergpass massiv Biker ins Visier nahmen.

Bis Sonntagnachmittag wurden 45 Motorräder kontrolliert, bei einem Drittel gab es Beanstandungen. Am häufigsten sei, dass die Betriebserlaubnis wegen verbotener Umbauten erloschen ist, erläutert Götz. Der Ton bei den Kontrollen ist freundlich, die Botschaft dennoch klar: Die Polizei zeigt Präsenz zu Beginn der Bike-Saison. Motto: „Pass auf!“ Immer wieder kommt es auf den Passstraßen im Allgäu zu schweren Unfällen mit Beteiligung von Motorradfahrern. In diesem Frühjahr gab es bereits ein erstes Todesopfer: Ein 65-jähriger Motorradfahrer kam Ende April am Riedbergpass von der Fahrbahn ab und starb an der Unglücksstelle.
Warum immer mehr Motorradfahrer unterwegs sind
Die Pässe ziehen viele Biker wie magisch an. Zu Hochzeiten an Sommer-Wochenenden nehmen allein am Jochpass um die 100 Biker pro Stunde die Aufwärtsroute nach Oberjoch. Tendenz steigend: „In der Corona-Krise haben viele ältere Motorradfahrer wieder ihre Leidenschaft entdeckt. Leider geht das teils mit Selbstüberschätzung einher“, sagt Götz. Zudem geben auch verstärkt wieder junge Biker – meist aus der Region – Gas und benutzen den Jochpass als „Trainingsstrecke“ sowie als Kulisse für Videos auf Social-Media-Kanälen.
Verschärft wird das Problem durch eine steigende Zahl von Radfahrer-Gruppen und Wohnmobil-Fahrzeugen im unteren Tempobereich, hinter denen es manche Biker kaum aushalten. „Jeder beansprucht den Pass für sich“, sagt Götz. Gegen ein weiteres von Anwohnern ins Feld geführte Thema sind Polizisten dagegen meist machtlos: den Lärm der Motorräder. Sofern es sich nicht um getunte Maschinen handelt, gibt es keine Handhabe. Deutlich wird dies bei einem Harley-Fahrer, dessen Chopper zwar keine Beanstandung aufweist – aber ohrenbetäubenden Lärm erzeugt. „Da sind uns die Hände gebunden“, sagt Götz.
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