An Bambusstangen hängen eine Reihe von Kleiderbügeln mit T-Shirts, Blusen und Hosen. Mit alten Kletterseilen ist ein Lautsprecher an der Decke aufgehängt. In einer Ecke stehen Kino-Sessel und bunt zusammengewürfelte Stühle. Weiter hinten im Laden können Kundinnen und Kunden Hirse oder Paprikapulver in eigene Behälter füllen. Fast die gesamte Einrichtung im „Piepmatz“ ist gebraucht. „Piepmatz“ - das ist der Unverpacktladen und Fair Fashion Store in der Kemptener Innenstadt.
Der Piepmatz gehört zum Verein Gemeinwohl-Gesellschaft, den die Kemptener Steffen Kustermann und Anna Kammerlander 2020 gemeinsam mit anderen gründeten. Die Idee dazu bestand schon länger, sagt Kustermann: „Wir wollten Aufklärungsarbeit im Bereich Nachhaltigkeit mit einem Angebot für faire Kleidung verknüpfen.“ Doch schnell sei klar gewesen, es gehe der Gruppe nicht nur um fair produzierte Kleidung, sondern um gemeinsame Werte und einen bewussten Umgang mit Ressourcen.
Um dafür einen Raum zu schaffen, mietete der Verein im Sommer 2021 den Laden in der Zwingerstraße, wo die Mitglieder seitdem fair produzierte Kleidung und unverpackte Lebensmittel verkaufen. „Es ist cooler geworden, als wir uns vor allem zu Pandemiezeiten erträumt haben“, meint Kustermann. Im Piepmatz finden außerdem Film- und Buchvorstellungen, Poesieabende oder Sofakonzerte statt. Auch Schulklassen kommen in den Laden. Damit gestaltet der Verein nicht nur die kulturelle Szene der Stadt mit, sondern bietet den Kemptenerinnen und Kemptenern eine Möglichkeit, sich selbst aktiv für Nachhaltigkeit einzusetzen. Für ihren ehrenamtlichen Einsatz für Mensch und Natur erhalten die Vereinsmitglieder mit ihrem Piepmatz-Laden von unserer Zeitung nun die Silberdistel.
Ein Angebot „ohne erhobenen Zeigefinger“
Im Allgäu gebe es nur wenige Alternativen, um fair produzierte Kleidung zu kaufen. Dem Verein gehe es darum, ihren Mitmenschen ein Leben zu ermöglichen, das nicht auf Kosten von Mensch und Natur geht. „Aber ohne erhobenen Zeigefinger. Es ist ein Angebot und vielleicht ein kleines Wachrütteln“, meint Vorsitzende Ute Blotenberg. Seitdem sich die 62-Jährige im Verein engagiert, hat sie angefangen, ihren eigenen Konsum zu hinterfragen: „Das war spannend für mich. Was brauche ich wirklich? Und wo kommen die Dinge her, die ich kaufe?“
Im Piepmatz bietet der Verein ausschließlich Produkte an, die dessen Werten entsprechen: fairer Umgang miteinander, fairer Handel und eine ökologische Ausrichtung des Lebens. Danach wählen die Ehrenamtlichen die Produzenten und Lieferanten ihrer Produkte aus. „Da muss ich mir als Verbraucherin oder Verbraucher keinen Kopf machen, ob es in Ordnung ist, das jetzt zu kaufen. Das haben wir im Verein schon übernommen“, sagt Blotenberg. Ob Schokolade aus Ghana, Kaffee aus Nicaragua oder Dinkelnudeln aus dem Allgäu - alles, was im Unverpacktladen verkauft wird, sei Bio und nicht mit dem Flugzeug, sondern per Schifff nach Europa transportiert worden.
„Tolle Leute, die Bock haben, die Welt ein bisschen besser zu machen“
Rund 350 Mitglieder hat der Verein und finanziert sich und den Piepmatz zu mehr als 80 Prozent über Mitgliedsbeiträge, statt über den Verkauf im Laden, sagt Blotenberg: „Wir wollen, dass die Mitglieder hier kostengünstig und fair einkaufen können. Wir wollen keinen Gewinn machen.“ Aktuell sei der Verein dabei, das Sortiment des Unverpacktladens zu überarbeiten. Dafür stimmen alle Mitglieder darüber ab, was dort künftig angeboten werden soll. So sei das im Verein üblich, erklärt Kustermann: „Wenn jemand eine coole Idee hat, dann stimmen wir darüber ab und bei einer Mehrheit nehmen wir das dann im Konzept auf.“
Irgendwo noch einen zweiten Laden wie den Piepmatz zu eröffnen, sei vorerst nicht geplant, sagt Kustermann: „Aber wir wollen unser Konzept an andere weitergeben und es leichter machen, sich ehrenamtlich für Mensch und Natur zu engagieren.“ Dafür wollen die Ehrenamtlichen über den Verein Interessierte in der Region und darüber hinaus vernetzen, die selbst einen nachhaltigen Laden aufbauen wollen.
Es sei zwar nicht möglich, keinen CO2-Fußabdruck auf der Welt zu hinterlassen, im Piepmatz wollen die Ehrenamtlichen jedoch Ansätze bieten, um den Fußabdruck zumindest zu reduzieren. Was für Kustermann aber das Beste am Piepmatz ist? „Tolle Leute, die Bock haben, die Welt ein bisschen besser zu machen.“
Das ist unsere Silberdistel
Auszeichnung Mit der Silberdistel ehrt unsere Redaktion seit vielen Jahren Menschen aus der Region für ihr besonderes, bürgerschaftliches Engagement.
Handwerk Der Preis besteht aus einer Urkunde und einer kunstvoll in Silber gearbeiteten Distelblüte, die eigens in der „Alten Silberschmiede“ in Augsburg angefertigt wurde.
Vorschläge Jede Leserin, jeder Leser kann Vorschläge für unsere Auszeichnung machen. Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner finden sich in unseren Lokalredaktionen.
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