Im Notfall muss es schnell gehen: Von der Alarmierung der Rettungskräfte bis zum Eintreffen beim Patienten sollen in Bayern nur zwölf Minuten verstreichen. Dafür ist eine gut funktionierende Rettungskette erforderlich. Oft reicht ein Rettungswagen aus. In speziellen Fällen wie einem schweren Verkehrsunfall braucht es aber einen Notarzt. Doch bei diesem Glied in der Kette hakt es. Immer wieder fehlt Personal – vor allem auf dem Land.
Das Rettungssystem in Bayern ist komplex. Darin sind sich Notärzte und Wolfgang Klaus, Geschäftsführer des Allgäuer Rettungszweckverbandes, im Gespräch mit unserer Redaktion einig. In den vielen Verordnungen sei beispielsweise festgelegt, dass ein Notarzt von der Zwölf-Minuten-Regel ausgenommen ist, erläutert Klaus. Die Mediziner und Medizinerinnen können aufgrund weiter Wege diese Zeit oft nicht einhalten. Angestrebt werde sie dennoch.

Notärzte vor dem Kollaps? Das sagt ein Notarzt
Immer wieder hätten Standorte im Allgäu Probleme, genügend Ärzte zu finden, sagt ein Mediziner, der seinen Namen hier nicht lesen möchte. Die Notarzt-Problematik sei ein sensibles Thema. 2019 traf es beispielsweise den Standort Pfronten. Auch in Marktoberdorf gab es einen Mangel an Notärzten. An beiden Orten sei das Problem mittlerweile behoben, sagt der Mediziner. Das Oberallgäu und Kempten hätten nun sogar eine Ausfallzeit von null Prozent. Die Ausfallzeit ist ein Indikator dafür, wie häufig kein Notarzt am Standort verfügbar war. Ist die Zahl hoch, ist das schlecht. Die Anwesenheit wird mit der Besetzungsquote gemessen. Diese lag laut Kassenärztlicher Vereinigung (KVB) bayernweit in den ersten drei Quartalen bei 94 Prozent. Hört sich gut an, kann aber täuschen, sagt der Notarzt. Denn die sechs Prozent Ausfallzeit beträfen meist nur wenige Orte. Fällt etwa in Oberstdorf ein Arzt aus und es gibt kurzfristig keinen Ersatz, dann müssen Notärzte von weither anrücken. Das koste Zeit. Gleichzeitig fehlt dann der Arzt andernorts.
Auch Wolfgang Klaus bemängelt: „Die Personaldecke ist dünn.“ Obwohl spezielle Notarztgutachten immer wieder das Gegenteil feststellten, fügt er hinzu. Damit die Rettungskette optimal funktioniere, sei es gut, wenn Rettungsdienst und Notarzt in der Rettungswache zusammen vor Ort sind: „Dann ist der Weg zum Patienten am kürzesten.“
Klaus: "Kein Arzt heißt nicht, dass jemand stirbt."
Klaus betont aber, dass es durchaus Abhilfe gebe. Die Sanitäter der Rettungswagen seien Fachkräfte: „Kein Arzt heißt nicht, dass jemand stirbt.“ Laut KVB, die für die Einteilung der Mediziner zuständig ist, erhalten Notärzte 25 Euro je Stunde als Grundpauschale, zusätzlich eine Pauschale je Einsatz (86,25 Euro) und bestimmte Zuschläge an Sonn- und Feiertagen oder Nächten. „Für nicht ortsansässige Notärzte ist eine extra Anreise zur Übernahme von Diensten oft nicht interessant“, sagt die KVB.
Das Problem hat die Vereinigung erkannt. Ärzte seien ohnehin großen Belastungen ausgesetzt, beispielsweise durch die viele Arbeit in Kliniken und Praxen. Notärztlicher Nachwuchs bleibe deshalb aus. Höhere Bezahlung sei ein Beispiel dafür, um den Beruf auch auf dem Land attraktiv zu halten. Der Notarzt sagt: Wer sich unter den niedergelassenen Ärzten noch freiwillig für Wochenend-Notarztdienste melde, der sei „Idealist“.