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Notfallsanitäter im Allgäu: Streit um Kompetenzen mit Notärzten

„Kompetenzgerangel“ mit Notärzten

Notfallsanitäter als Retter zweiter Klasse? Retter starten Protestaktion im Allgäu

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    Viele Notfallsanitäter in Bayern und im Allgäu sind derzeit ertwas aufgebracht. Grund dafür ist eine Gesetzesänderung.
    Viele Notfallsanitäter in Bayern und im Allgäu sind derzeit ertwas aufgebracht. Grund dafür ist eine Gesetzesänderung. Foto: Ralf Lienert (Symbolbild)

    Was darf ein Notfallsanitäter und welche Medikamente dürfen vom Rettungsfachpersonal gegeben werden? Wann muss ein Notarzt hinzugezogen werden? Über diese Fragen diskutiert das Rettungspersonal in Bayern – und startete auch im Allgäu eine Protestaktion.

    Die Notfallsanitäter im Freistaat fühlen sich als Retter zweiter Klasse. Denn auch im Notfall ist bei allen Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit ein Notarzt nachzufordern, selbst bei vergleichsweise kleinen Fällen. Von einem „Kompetenzgerangel“ zwischen den Sanitätern auf der einen und den Notärzten und Ärztlichen Rettungsdienstleitern auf der anderen Seite spricht Michael Göschel. Der Ostallgäuer ist seit 20 Jahren im Rettungsdienst.

    Notfallsanitäter als Retter zweiter Klasse? Sorge um Patienten

    Der gelernte Notfallsanitäter nennt ein Beispiel: Sauerstoff dürfen er und seine Kollegen seit diesem März nur in einer Dosierung von zwei bis vier Litern pro Minute verabreichen – was aber oft nicht reicht. Dann müsse laut neuem Gesetz ein Notarzt nachgefordert werden, um dem Patienten größere Mengen zu geben.

    Das sei „eine Respektlosigkeit“ gegenüber den medizinisch gut ausgebildeten Notfallsanitätern und habe Nachteile für die Patienten, schimpft Christian Desalm, Landesgruppensprecher Bayern des Vereins „Deutscher Berufsverband Rettungsdienst“ (DBRD). Sinnvoll sei, bei Bedarf einen Notarzt per Telemedizin zuzuschalten. Dazu müssten aber erst noch die Rahmenbedingungen geschaffen werden.

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    Notfallsanitäter-Gesetz: Innenministerium ignoriert Änderungsvorschläge

    Das Bayerische Innenministerium ignoriere Änderungsvorschläge zum Notfallsanitätergesetz, kritisiert der DBRD. „Es scheint dem Freistaat um eine möglichst durchgängige Notarztalarmierung zu gehen“ bemängelt der DBRD, deren Begründung „primär in der einsatzorientierten Vergütung zu finden ist und nicht darin, ob der Notfallpatient davon ernsthaft profitiert“. Und das, obwohl in weiten Teilen Bayerns „die Ressource Notarzt ein knappes Gut“ sei und das Gesetz eigentlich zu weniger Notarzteinsätzen führen sollte.

    (Lesen Sie auch: Allgäuer Rettungshubschrauber "Christoph 17": Infos, Einsätze, Ausstattung und Crew)

    Letzteres sieht auch Michael Göschel so. Allerdings herrscht aus seiner Sicht konkret im Ostallgäu noch kein Notarztmangel. Er sieht sogar eher eine Überversorgung. „Statt der bisher fünf Standorte in Füssen, Pfronten, Buchloe, Kaufbeuren und Marktoberdorf würden auch zwei bis drei reichen.“

    Allgäuer Notfallsanitäter sieht das Allgäu sehr gut mit Notärzten versorgt

    Der DBRD fordert Rettungsdienstmitarbeiter auf, eine Protestkarte an einen Abgeordneten des Innenausschusses des Bayerischen Landtags schicken. „Eine Lösung lässt sich unseres Erachtens nur noch politisch herbeiführen“, sagt Desalm. Ziel sei, dass bundesweit gleiche Regeln gelten. Göschel wünscht sich vom bayerischen Innenministerium, dass wie zum Beispiel in Baden-Württemberg alle Beteiligten gemeinsam ein System entwickeln, wie der Rettungsdienst in zehn Jahren aussehen sollte.

    Dass alle im Rettungsdienst an einem Strang ziehen sollen, betont auch das Innenministerium. Die Staatsregierung unternehme „seit Jahren große Anstrengungen“, die beim jungen Berufsbild des Notfallsanitäters bestehende Rechts- und Handlungsunsicherheit auszuräumen, sagte eine Sprecherin. Die Protestkartenaktion des DBRD entbehre aber jedweder fachlichen Berechtigung. Denn es gebe schließlich umfangreiche Regelungen für die heilkundlichen Maßnahmen im Rettungsdienst, um bestehende Unsicherheiten auszuräumen.

    Die unterschiedlichen Helfer bei Rettungseinsätzen

    • Notärztinnen und Notärzte führen die erste ärztliche Hilfe am Notfallort durch. Dazu gehören die Wiederherstellung und Sicherung der Vitalfunktionen, die Überwachung der Rettung, die Vorbereitung und ärztliche Überwachung des Transportes. Ärzte die am Notarztdienst teilnehmen wollen, müssen gegenüber der KVB einen besonderen Befähigungsnachweis erbringen. Als Befähigungsnachweis wird üblicherweise der Fachkundenachweis Rettungsdienst verlangt.
    • Notfallsanitäter: Der Beruf Notfallsanitäter hat den Rettungsassistenten 2014 abgelöst und ist nun die höchste nichtärztliche Qualifikation im Rettungsdienst. Die Ausbildung zum Notfallsanitäter ist eine dreijährige schulische Ausbildung mit staatlicher Abschlussprüfung, die deutschlandweit durch das Notfallsanitätergesetz geregelt ist. Notfallsanitäter/innen führen medizinische Maßnahmen der Erstversorgung durch bzw. assistieren bei der ärztlichen Notfall- und Akutversorgung von Patienten. Außerdem stellen sie die Transportfähigkeit von Patienten sicher und überwachen deren medizinischen Zustand während des Transports.
    • Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten werden auf Rettungswagen zur Versorgung und Betreuung von Notfallpatienten eingesetzt. Auf Notarztwagen werden sie als Assistenten des Notarztes tätig. Die Ausbildung qualifiziert Rettungsassistenten auch zur selbstständigen Durchführung lebensrettender Maßnahmen, der Herstellung der Transportfähigkeit eines Patienten sowie zur Überwachung und Aufrechterhaltung lebenswichtiger Körperfunktionen während des Transportes. Die zweijährige Ausbildungbesteht aus 1200 Stunden Theorie mit Klinikpraktikum sowie 1600 Sunden Praktikum auf einer Lehrrettungswache und endet mit einer staatlichen Prüfung.
    • Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter werden im Krankentransport zur Betreuung des Patienten und auf Rettungs- und Notarztwagen als Fahrer eingesetzt. Die Ausbildung umfasst mindestens 520 Stunden, davon 160 Theorie, 160 Klinikpraktikum, 160 Rettungswachenpraktikum sowie 40 Stunden Abschluss- und Prüfungslehrgang.
    • Rettungshelferinnen und Rettungshelfer werden als Fahrer von Krankentransportwagen eingesetzt. Die 240 Stunden dauernde Ausbildung besteht aus 160 Stunden Theorie und 80 Stunden Rettungswachenpraktikum.
    • Sanitäter: Die Sanitätsausbildung ist die Grundausbildung. Sie umfasst 48 Unterrichtseinheiten á 45 Minuten und erlaubt Ehrenamtlichen als sogenannte „Dritte“ im Rettungswagen mitzufahren. Sie unterstützen dabei Notarzt, Rettungsassistenten und Rettungssanitäter und können Erfahrung für ihre Sanitätsdienste sammeln.

    (Lesen Sie auch: Muss man im Unterallgäu bald länger auf den Notarzt warten?)

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