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Oberstdorf: Johann Baptist Schraudolph stieg 416 Mal auf die Mädelegabel

Alpinisten-Legende

"Ein wilder Hund": Johann Baptist Schraudolph stieg 416 Mal auf die Mädelegabel

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    Blick auf die Oberstdorfer Gipfel von Einödsbach. Von links: Trettachspitze (2595 Meter), Mädelegabel (2645 Meter) und Hochfrottspitze (2649 Meter).
    Blick auf die Oberstdorfer Gipfel von Einödsbach. Von links: Trettachspitze (2595 Meter), Mädelegabel (2645 Meter) und Hochfrottspitze (2649 Meter). Foto: Tobias Schuhwerk

    Mächtig ragt ihr Felsen-Gipfel in den Himmel: Die Mädelegabel (2645 Meter) bei Oberstdorf ist der vierthöchste Berg in den Allgäuer Alpen. Bis heute gilt die Tour dort hinauf als schwierig. Umso erstaunlicher sind die Leistungen der Oberstdorfer Berglegende Johann Baptist Schraudolph (1826-1908). Sage und schreibe 416 Mal stieg der erste autorisierte Bergführer in Oberstdorf auf die Mädelegabel. „Öfter als Baptist Schraudolph war bis heute kein Mensch auf diesem Berg. Er war ein echtes Original, ein wilder Hund“, sagt der Oberstdorfer Heimatforscher Eugen Thomma (89).

    Umrahmt von Trettachspitze und Hochfrottspitze bildet die Mädelegabel das häufig fotografierte „Dreigestirn“ oberhalb von Einödsbach. Genau in diesem abgeschiedenen Winkel, weit hinten im Stillachtal, wuchs Johann Baptist auf.

    Oberstdorfer Berglegende Johann Baptist Schraudolph kletterte bereits mit zehn Jahren auf die Mädelegabel

    „Der Babischt, wie ihn alle genannt haben, war als uneheliches Kind ein armer Tropf“, sagt Thomma. „Da war die damalige Zeit knallhart.“ Doch der Bub lässt sich nicht unterkriegen. Bereits mit zehn Jahren klettert er erstmals auf die Mädelegabel. Eine Stange, die Landvermesser dort anbrachten, weckte seine Neugierde. Mit Leistungen wie dieser erarbeitet sich „Babischt“ schon bald den Ruf eines Allgäuer Berg-Originals.

    Obendrein hat er einen eigenwilligen Sinn für Humor: Als er 1855 seine Frau Genofeva heiratet, führt die „Hochzeitsreise“ auf die Trettachspitze. Und damit auf jenen berüchtigten „Spitz“, den Genofevas Brüder Urban, Alois und Mathias Jochum im selben Jahr als erste bestiegen.

    Johann Baptist Schraudolph (1826-1908) aus Oberstdorf war der wohl erste autorisierte Bergführer im Allgäu. Er stieg 416 Mal auf die Mädelegabel.
    Johann Baptist Schraudolph (1826-1908) aus Oberstdorf war der wohl erste autorisierte Bergführer im Allgäu. Er stieg 416 Mal auf die Mädelegabel. Foto: Familienalbum Ellmann

    Schraudolph baute das alte Bauernhaus seines Onkels zu „Schraudolphs Clubhütte“ um

    Vorausschauend ist „Babischt“ nicht nur am Fels, sondern auch in Sachen Finanzen. Als sein Onkel Vinzenz 1858 bei einem Arbeitsunfall tödlich verunglückt, übernimmt er dessen Bauernhaus und baut es zu „Schraudolphs Clubhütte“ um. Wohlhabende Sommerfrischler zählen schon bald zu seinen Gästen. In direkter Nachbarschaft steht schließlich die Jagdhütte von Prinzregent Luitpold (1821-1912).

    Der „Babischt“ wird zu einem gefragten „Guide“, wie man heute sagen würde. Ab 1876 ist er der erste autorisierte Bergführer in Oberstdorf und damit wohl auch im Allgäu. Der bekannte Bergsteiger Hermann von Barth beschreibt ihn als „eine untersetzte, sehnige Gestalt mit rotem Bart und hellen blauen Augen“. Der „Babischt“ raucht gerne Pfeife oder „Stumpen“ und trinkt, so erzählt es die Legende, nicht nur Quellwasser.

    Oberstdorfer Johann Baptist Schraudolph war mit über 70 noch Bergführer

    Dennoch besitzt er eine enorme Ausdauer und erhält sehr gute Bewertungen von seinen Gästen. Sein „Hausberg“ in Sachen Führungen ist die Mädelegabel. Sie ist für seine Gäste im Vergleich zu anderen Gipfeln etwas leichter zu meistern, wenngleich man dennoch einen langen Atem braucht. Zwischen neun und zehn Stunden dürfte die Tour laut Thomma ab Einödsbach gedauert haben.

    Ab 1876 sind 416 Touren im Bergführerbuch von „Babischt“ Schraudolph dokumentiert. Vermutlich waren es sogar viele mehr. Als der „Babischt“ offizieller Bergführer wurde und anfing, sein Buch zu führen, war er immerhin schon 50 Jahre alt. Gut möglich ist zudem, dass er „vergaß“ die eine oder andere Tour zu notieren.

    Grund genug dafür hätte es gegeben: Denn er musste pro Führung Steuern zahlen. Dass ihm die hundertfachen Auf- und Abstiege nicht geschadet haben, beweist die Tatsache, dass er mit über 70 Jahren noch als Bergführer aktiv war und ein für damalige Verhältnisse langes Leben führte. Im März 1908 starb er im Alter von 82 Jahren in Einödsbach. Fotos von Johann Baptist Schraudolph hängen heute noch in der Stube des beliebten „Gasthof Einödsbach“, den die Nachkommen des legendären Bergführers bis heute betreiben.

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