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Pflegestudium in Kempten soll gegen Notstand helfen: Bisher nur vier Studenten

Notstand in der Pflege

Nur vier Pflegestudenten an der Hochschule Kempten - ist der Studiengang noch sinnvoll?

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    Ob das Pflegestudium die Personalnot beseitigen kann, ist bisher fraglich.
    Ob das Pflegestudium die Personalnot beseitigen kann, ist bisher fraglich. Foto: Jana Bauch, dpa (Symbolbild)

    Acht Semester, Unterrichtssprache Deutsch und Englisch, Bachelor-Abschluss: Das sind die Eckdaten des Pflegestudiums an der Hochschule Kempten. Seit dem Wintersemester 2021/22 werde es angeboten, sagt Veronika Schraut, gelernte Altenpflegerin und Professorin für Pflegewissenschaften.

    Doch der Andrang hält sich noch stark in Grenzen. „Wir haben mit fünf Studierenden begonnen, davon sind noch vier da.“ Bayernweit sieht das nicht viel anders aus.

    Pflege studieren: In ganz Bayern hält sich das Interesse sehr in Grenzen

    An acht Hochschulen im Freistaat belegten lediglich 109 Menschen diesen Studiengang. Angesichts des Personalmangels in der Branche dürfte das nicht genügen. „Das Pflegestudium ist eine Maßnahme, um dem Pflegenotstand zu begegnen“, sagt Schraut.

    Alleine werde es nicht ausreichen, trotzdem sei es ein wichtiger Baustein. Bisher, räumt sie ein, „wird es aber nicht so angenommen, wie wir uns das in der Pflegewissenschaft wünschen würden“.

    Pflege-Studium in Kempten: Bedarf an Fachkräften mit fundiertem Wissen

    Ist der Studiengang also ein Beleg für eine Akademisierung, für die es gar keinen Bedarf gibt? Das sieht die Wissenschaftlerin anders. „Wir arbeiten in der Pflege mit vielen Hilfskräften, die das mit viel Herz machen, aber kein fundiertes Fachwissen mitbringen“, sagt Schraut.

    Die akademisierten Pflegekräfte seien deshalb wichtig: „Sie bringen Fachwissen und Methodenverständnis mit, hinterfragen Dinge kritisch und können Hilfskräfte und Angehörige schulen.“

    Die Hochschule in Kempten wünscht sich mehr Teilnehmer beim Pflegestudium.
    Die Hochschule in Kempten wünscht sich mehr Teilnehmer beim Pflegestudium. Foto: Ralf Lienert (Archiv)

    Eine Akademisierung um jeden Preis sehe auch sie kritisch, sagt Schraut. In diesem Fall sei sie jedoch sinnvoll, so habe in Deutschland nur ein Prozent der Pflegekräfte einen akademischen Abschluss. „Der deutsche Wissenschaftsrat empfiehlt aber einen Anteil von zehn bis 20 Prozent.“ Auch Axel Wagner, Pflegedirektor der Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren, die Berufsfachschulen für Krankenpflege in Kaufbeuren und für Krankenpflegehilfe in Buchloe betreiben, sieht im Studiengang eine Ergänzung zum bestehenden System.

    „Alles, was uns mehr Pflegekräfte bringt, ist gut.“ Dafür sorgt bislang jedoch vor allem die Ausbildung. „Bei uns sind in einer Klasse 25 Auszubildende, davon haben wir derzeit zwei.“ (Lesen Sie auch: "Impfpflicht ist ein No-Go": Eine Pflegedienstleisterin aus dem Oberallgäu wird viele Mitarbeiterinnen verlieren)

    Pflege-Notstand bekämpfen: Ausbildung wird bezahlt, Studium nicht

    Wagner sieht ein grundlegendes Problem: Das Studium dauert vier Jahre, die Ausbildung drei. „Die Auszubildenden bekommen eine Vergütung, die Studenten nichts, das ist problematisch“, warnt Wagner. Und das, obwohl beide gleich viele Praxiseinheiten leisten müssten, betont Schraut. Derzeit würden diese den Studierenden von den Einrichtungen aber nur freiwillig vergütet.

    Man müsse in den Häusern für die Zukunft ein Konzept finden, wer welche Aufgaben übernimmt, fordert Wagner. „Hier bilden sich bestimmt Berufsfelder, für die sich die studierten Pfleger eher anbieten. Ich habe hier bisher aber kein Konzept gesehen.“

    Arbeit in der Klinik: Schlechte Bezahlung oft das Problem

    Auch Schraut räumt Probleme beim Konzept ein. Schwächen wie die Bezahlung seien aber erkannt und würden von den zuständigen Ministerien angepasst.

    Aber auch die Kliniken seien in der Pflicht. „In unserer Branche arbeiten wir mit verschiedenen Qualifikationen und Fähigkeiten.Die Arbeitgebenden müssen lernen, das mitzudenken und die verschiedenen Aufgaben sinnvoll zu verteilen und entsprechend zu vergüten.“ (Lesen Sie auch: Impfpflicht im Gesundheitswesen: Eigene Vollzugsregeln für Bayern?)

    Notstand in der Pflege: "Wir brauchen hochqualifiziertes Personal"

    Die Gefahr, trotz Personalnot nur Führungskräfte heranzuziehen, sieht Wissenschaftlerin Schraut nicht. „Die meisten akademisierten Pflegekräfte wollen hochkomplexe Fälle betreuen. Genau dieses hoch qualifizierte Personal brauchen wir, um die Qualität der Versorgung hochzuhalten.“

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    Auch Pflegedirektor Wagner sieht Potenzial. „Wir profitieren von der Vielfalt, gerade wenn wir jemanden gewinnen können, der keine klassische Ausbildung machen möchte.“ Er hätte sich jedoch einen anderen Aufbau gewünscht.

    „Man hätte das stärker an das Medizinstudium andocken können, zum Beispiel beim Thema Anatomie. Das wäre für die Zusammenarbeit toll gewesen.“ Sein Resümee: „Es gibt zwar großen politischen Willen, tatsächliche Effekte sind bisher aber kaum spürbar“, klagt Wagner. (Lesen Sie auch: Lieferengpässe in Allgäuer Apotheken "bei allen Arzneien")

    Wissenswertes zum Pflegenotstand:

    • Steigender Bedarf: Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft waren 2015 etwa drei Millionen Menschen pflegebedürftig, rund 50 Prozent mehr als noch im Jahr 1999. Diese Zahl wird demnach bis 2035 auf etwa vier Millionen steigen.
    • Personalnot: Laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft sind bundesweit etwa 22.300 Pflegestellen nicht besetzt. Die Zahl habe sich damit seit 2016 verdreifacht. In der Altenpflege standen im Jahr 2020 laut der Bundesagentur für Arbeit 100 freien Stellen nur 26 arbeitslose Fachkräfte gegenüber.
    • Abwanderung: Viele Fachkräfte wechseln in andere Bereiche. So sind laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nach zehn Jahren nur noch 37 Prozent der Altenpflegenden in ihrer ursprünglichen Branche tätig.
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