Im ersten Prozess zum mutmaßlichen Allgäuer Tierskandal am Landgericht Memmingen haben die beiden Angeklagten am Freitag gravierende Fehler in Bezug auf Tierhaltung und Pflege eingeräumt. Sie seien „massiv überfordert“ gewesen.
Am neunten Verhandlungstag haben die beiden angeklagten Landwirte aus Bad Grönenbach (Landkreis Unterallgäu) erstmals Stellung zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft bezogen. Über ihre jeweiligen Anwälte ließen der ältere Landwirt und sein Sohn Erklärungen vortragen.
Der 68-Jährige brachte sein „ausdrückliches Bedauern“ zum Ausdruck, dass „einige seiner Tiere“ wegen seiner Fehler Leid und Schmerzen erleiden hätten müssen. Er habe „erhebliche Fehler“ bei Tierhaltung und Pflege begangen. Als Grund nannte er „massive Überforderung“. So seien Anfang 2019 wegen der extrem niedrigen Preise viele Kälber gekauft worden. Sie hätten teils auch Krankheiten eingeschleppt.
„Mir wuchs die Arbeit über den Kopf.“ Zumal er wegen des kurz zuvor auf einem andern Hof aufgekommenen Tierskandals keinen Tierarzt mehr bekommen habe. Das Ausmaß der Zustände auf dem Betrieb sei ihm zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst gewesen. Die Konfrontation mit Dokumenten wie Fotos und Videos im Laufe des Prozesses habe ihn „regelrecht geschockt“.
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Erster Prozess zum Allgäuer Tierskandal: Landwirte schämen sich für Fehler
Ähnlich äußerte sich sein Sohn. Er schäme sich für seine gravierenden Fehler, ließ er über seinen Anwalt mitteilen. Der 25-Jährige sagte, dass ihm die Arbeit unter anderem aufgrund der ab 2019 einsetzenden Kontrollen über den Kopf gewachsen sei. Er räumte ein, ein erkranktes Kälbchen in einer Box bei einer Polizei-Kontrolle durch ein anderes ausgetauscht zu haben, um das kranke Tier an einem anderen Ort zu betäuben und mit einem sogenannten Entblutungsschnitt zu töten. „Ich geriet in Panik und versuchte, den Fall zu vertuschen“, sagte er als Begründung.

Den beiden Landwirten wird laut Anklageschrift vorgeworfen, in 54 Fällen Kühe und Kälber nicht ausreichend versorgt zu haben, sodass die Tiere erheblich litten und einige sogar getötet werden mussten. Der Prozess gegen die beiden ist Teil des mutmaßlichen Allgäuer Tierskandals, in den insgesamt drei Betriebe verwickelt sind. Mit einem Urteil wird Mitte November gerechnet, hatte ein Sprecher des Landgerichts am Donnerstag auf Anfrage unserer Redaktion erklärt.
Inwieweit die jetzigen Stellungnahmen der Angeklagten sich auf das Verfahren auswirken, war am Freitag unklar. „Wir werden uns Gedanken machen, wie mit dem Beweisprogramm weitergemacht wird“, sagte der Vorsitzende Richter Christian Liebhart. Im Anschluss wurden weitere Zeugen vernommen.
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