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Ukrainische Musiker in Fischen bangen um Rest der Familie

Krieg in der Ukraine

Ukrainische Musiker in Fischen bangen um Rest der Familie

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    Haben im Allgäu eine zweite Heimat gefunden: (von links) Nikolay Paskal, Liza Gudina und Vadym Paskal, die aus der ukrainischen Stadt Odessa stammen.
    Haben im Allgäu eine zweite Heimat gefunden: (von links) Nikolay Paskal, Liza Gudina und Vadym Paskal, die aus der ukrainischen Stadt Odessa stammen. Foto: Matthias Becker

    Die Flüge waren für den nächsten Tag gebucht, da ereilte Liza Gudina um fünf Uhr morgens ein Anruf ihrer Mutter: Es gebe Raketenangriffe auf Odessa. Es war der 24. Februar, der Tag als der russische Präsident Wladimir Putin mit seiner Armee die Ukraine angriff. Die 39-jährige Flötenlehrerin, die mit ihrem Mann Vadym Paskal in Fischen lebt, dachte zunächst, sie habe ihre Mutter falsch verstanden. So unfassbar sei das alles, was damals und seitdem in ihrem Heimatland geschehen ist. Mittlerweile ist ihre Mutter in Sicherheit. Aber die Sorge bleibt um viele Familienmitglieder und Freunde, die in der Ukraine geblieben sind oder bleiben mussten.

    Zusammen mit ihrem Mann Vadym und ihrem Schwager Nikolay Paskal will Liza Gudina am Montag, 11. April, um 18.30 Uhr bei dem Friedenschor mitwirken, den der Bezirk 2 des Allgäu-Schwäbischen Musikbundes (ASM) in Sonthofen auf dem Platz zwischen Rathaus und Feuerwehrhaus auf der Südseite des Oberallgäuer Landratsamtes veranstaltet. Geplant sei ein Gemeinschafts-Chor mit möglichst vielen Musikern der Mitgliedsvereine unter der Leitung verschiedener Dirigenten.

    Die Sorge um die Angehörigen der Familie Paskal und um den Dirigenten Maximilian Jannetti, der in Odessa lebt, habe die Idee zu diesen Friedenschor reifen lassen, teilt Josef Weber mit, Medienbeauftragter des ASM-Bezirks Sonthofen. Die Spenden, die dabei gesammelt werden, sollen über das Bayerische Rote Kreuz ukrainischen Flüchtlingen in der Region zugute kommen.

    Über Bekanntschaft mit dem Dirigenten Maximilian Jannetti haben die ukrainischen Musiker ins Allgäu gefunden

    Seit 2011 leben Vadym Paskal und Liza Gudina in Fischen. Maximilian Jannetti, der damalige Leiter der Bläserschule Fischen, habe sie ins Allgäu gelotst. „Wir haben uns sofort in die Gegend verliebt“, erzählt Liza Gudina. Sie und ihr Mann haben Maximilian Jannetti in Odessa kennengelernt. Er arbeitete dort als Gastdirigent und gründete ein neues Bläserensemble in der Stadt am Schwarzen Meer, in dem auch Liza Gudina mitspielte. Sie arbeitete damals als Querflötistin im Nationalen Sinfonischen Orchester und als Lehrerin für Kammermusik an der Musikhochschule. Als sich ihr Mann, der Bassposaune studiert hat, entschloss, seine Kenntnisse an der Musikhochschule in Köln zu vertiefen, folgte sie ihm nach Deutschland. Ein halbes Jahr lebten sie in Köln, dann wurden ihnen Stellen im Allgäu angeboten.

    Liza Gudina unterrichtet Querflöte an der Musikschule Oberallgäu-Süd, an dr Bläserschule in Fischen und an der Sing- und Musikschule Bad Hindelang

    Die Querflötistin unterrichtet heute an der Musikschule Oberallgäu-Süd, an der Bläserschule in Fischen und an der Sing- und Volksmusikschule in Bad Hindelang. Ihr Mann, der das Spiel auf tiefen Blechblasinstrumenten lehrt, ist außerdem noch an der Musikschule Kleinwalsertal tätig. Während seine Frau über 50 Schüler hat, beschränkt sich der 41-Jährige auf maximal 20. Denn sein Arbeitsschwerpunkt liegt woanders: Er leitet zwei Musikkapellen im Bezirk Sonthofen: die Blasorchester von Unterjoch und Untermaiselstein. Pro Kapelle habe er vor der Corona-Pandemie etwa 35 Auftritte gehabt. Das sei viel Arbeit. Und auch in diesem Sommer sei der Kalender schon wieder mit Terminen prall gefüllt.

    Mit Kleinbus nach Rumänien, um Mitglieder ihrer Familie aus der Ukraine nach Deutschland zu holen

    Ein halbes Jahr nach Vadym Paskal ist im Oktober 2011 auch sein Bruder Nikolay an die Bläserschule nach Fischen gekommen – als Klarinettenlehrer. Er habe hier eine zweite Heimat gefunden. Heute unterrichtet der 37-Jährige Klarinette und Saxofon auch an der Musikschule Oberallgäu-Süd und an der Oberstdorfer Musikschule. Außerdem leitet er als Dirigent die Musikkapelle Buchenberg. Er organisierte auch vor Ort im Oberallgäu alles nötige, als sich Vadim Paskal und seine Frau Liza Gudina in der zweiten Woche des Krieges mit einem Kleinbus nach Rumänien aufmachten, um dort ihre Mütter und weitere Mitglieder ihrer Familie aus der Ukraine aufzunehmen und sie nach Deutschland zu holen.

    Jeden Tag heulen die Sirenen in der Ulraine: Medikamente fehlen

    Es sei für ihre Mutter eine lange Reise gewesen, erzählt Liza Gudina. „Wir waren fast eine Woche unterwegs.“ Denn es sei schwierig gewesen, von einem Land ins andere zu kommen. So mussten sie zum Beispiel 16 Stunden warten, um die Grenze von Rumänien nach Ungarn zu passieren, so viele Autos und Busse standen vor ihnen in der Schlange. Jetzt halte man ständigen Kontakt mit den in der Ukraine verbliebenen Familienmitgliedern und Freunden. Sie wollen oder können das Land nicht verlassen. Einige Cousinen arbeiten in medizinischen Berufen, berichtet Vadym Paskal. Jeden Tag heulen in Odessa die Sirenen. Doch nicht alle Menschen können Luftschutzbunker aufsuchen, sagt Vadym Paskal. Manche Menschen schlafen im Keller, eine Cousine zum Beispiel in einer Tiefgarage. Man helfe mit Geld und Medikamenten, erzählt Liza Gudina. Denn für manche Krankheiten wie Diabetes oder Herzerkrankungen fehle es an Arzneien. Niemand wisse, was komme. Aber Liza Gudina, ihr Mann Vadym Paskal und ihr Schwager Nikolay hoffen, dass sich die Situation in den nächsten Monaten beruhige – und vor allem dass niemand von ihrer Familie und ihren Freunden stirbt.

    Konzert: Der Friedenschor tritt am Montag, 11. April, um 18.30 Uhr in Sonthofen auf (Platz zwischen Rathaus und Feuerwehrhaus auf der Südseite des Landratsamts). Möglichst viele Musiker der Mitgliedsvereine im ASM-Bezirk 2 werden erwartet. Es wirkt auch die Musikkapelle Buchenberg aus dem Bezirk 1 mit. Spenden kommen ukrainischen Flüchtlingen in der Region zugute.

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