Das Autobahnnetz in Deutschland ist mit etwa 13.200 Kilometern das zweitgrößte in ganz Europa. Auch durch das Allgäu verlaufen mit der A7 und der A96 zwei vielbefahrene Autobahnen - insgesamt 138 Kilometer Autobahn ziehen sich durch die Region.
Wer regelmäßig auf den Strecken unterwegs ist, stört sich vielleicht an anderen Verkehrsteilnehmern, die sich nicht an die Regeln halten - rechts überholen, das Rechtsfahrgebot nicht beachten, oder auf dem Beschleunigungsstreifen stehen bleiben. Wobei, sind Ihnen die Regeln denn wirklich geläufig? Oder bedarf es einer Auffrischung?
Wir sind einigen Mythen über das vermeintlich korrekte Fahrverhalten auf Autobahnen nachgegangen. Was sagt die Allgäuer Polizei dazu?
Rechtsfahrgebot auf der Autobahn in Deutschland - Muss ich immer rechts fahren?
Mythos 1: Bei einer dreispurigen Autobahn darf ich ständig den mittleren Fahrstreifen befahren, auch wenn auf der rechten Spur frei ist.
Grundsätzlich gilt laut Polizeisprecher Christian Lindstedt vom Polizeipräsidium Schwaben Süd/West auf der Autobahn das Rechtsfahrgebot. Bei einer dreispurigen Autobahn bedeutet das: "Ich muss den "rechtesten" verfügbaren Fahrstreifen benutzen." Ein Gericht habe dazu allerdings einmal ein Urteil gesprochen und folgende Faustregel aufgestellt: Wenn die rechte Spur mindestens etwa 20 Sekunden lang befahrbar ist, muss sie befahren werden. Sind die Zeitabstände geringer, darf auch der mittlere Fahrstreifen dauerhaft befahren werden.
Mythos 2: Ich darf auch mit minimalem Tempo-Unterschied überholen.
Hierzu liegt laut Lindstedt Paragraph 5 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zugrunde. Darin heißt es: "Überholen darf nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt." Auch zu dieser Frage habe es ein Gerichtsurteil gegeben. Das Oberlandesgericht Hamm erklärte im Jahre 2008, dass der Überholende mindestens zehn Kilometer pro Stunde schneller fahren müsse, als der zu Überholende. Dauern dürfe der Überholvorgang maximal 45 Sekunden.
Kein Tempolimit auf der Autobahn - wer ist Schuld bei einem Unfall mit großem Tempounterschied?
Mythos 3: Auf einer Autobahn ohne Tempolimit darf ich grundsätzlich so schnell fahren wie ich möchte. Wechselt ein Verkehrsteilnehmer unvermittelt vor mir auf meine Spur und es kommt zum Unfall, trifft mich keinerlei Schuld.
Auch zu diesem Punkt liege ein Gerichtsurteil vor. Das Münchner Oberlandesgericht besagte in einem Urteil von 2022, dass bei erhöhtem Tempo eine erhöhte Betriebsgefahr ausgehe. "Je schneller man fährt, desto mehr muss man damit rechnen, eine Gefahr darzustellen", sagt Lindstedt. Wer die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h deutlich überschreitet, stellt demzufolge eine deutlich erhöhte Gefahr dar.
Kommt es zum Unfall, könne es passieren, dass dem Überholenden eine Teilschuld zugesprochen wird, obwohl er bis auf die deutliche Übertretung der Richtgeschwindigkeit augenscheinlich nichts falsch gemacht hat. Es komme dabei jedoch immer auf den Einzelfall an, der individuell bewertet werde. Wie in diesem Fall eines Motorradfahrers, der kürzlich in einen schweren Unfall auf der A96 bei Memmingen verwickelt war.
Mythos 4: Wenn ich auf der rechten Spur am stockenden Verkehr auf der linken Spur vorbeifahre, ist das kein verbotenes Rechts-Überholen.
Dieser Punkt ist in Paragraph 7 der StVO geregelt. Darin heißt es: "Ist der Verkehr so dicht, dass sich auf den Fahrstreifen für eine Richtung Fahrzeugschlangen gebildet haben, darf rechts schneller als links gefahren werden." Allerdings ist dabei "äußerste Vorsicht" geboten, sagt Lindstedt. Man müsse immer darauf gefasst sein, dass ein Verkehrsteilnehmer von der linken auf die eigene Spur wechselt und nicht damit rechnet, von rechts überholt zu werden. Der Tempounterschied dürfe deshalb nicht groß sein.
Darf man auf dem Beschleunigungsstreifen rechts überholen?
Mythos 5: Wenn ich es am Ende des Beschleunigungsstreifens noch nicht geschafft habe, auf die Autobahn zu gelangen, darf ich auch den Standstreifen befahren.
"Grundsätzlich ist es verboten, den Standstreifen zu befahren", sagt Lindstedt. Das gelte auch für den Fall, dass der Beschleunigungsstreifen zu kurz ist. Einzig bei einer Panne sei dies erlaubt. Der Polizeisprecher empfiehlt: "Wenn Sie schon sehen, es wird knapp, um auf die Autobahn zu gelangen, werden Sie bereits vor dem Ende des Streifens lieber langsamer, um noch genügend Strecke für den Anlauf zu haben." Übrigens: Wer auf die Autobahn fahren möchte und sich auf dem Beschleunigungsstreifen befindet, darf rechts überholen.
Polizist Christian Lindstedt appelliert an die Autofahrerinnen und Autofahrer: "Ja, man darf so schnell fahren wie man möchte. Aber die Autobahn ist keine Rennstrecke und nicht der richtige Ort, um sein Auto auszufahren." Der Schwerlastverkehr auf den Autobahnen in Deutschland nehme stetig zu - und damit die Gefahr. Die Fahrweise sollte immer dem Verkehrsaufkommen angepasst werden. Je schneller man fährt, desto gefährlicher ist es. "Die größte Maxime im Straßenverkehr ist die gegenseitige Rücksichtnahme", sagt Lindstedt.