Massenhaft Corona-Ausbrüche wegen der Arbeit auf engstem Raum und ein Bett für 300 Euro monatlich in einer heruntergekommenen Unterkunft: Zum Inbegriff für katastrophale Arbeitsbedingungen wurde während der Pandemie der Schlachtbetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück (Nordrhein-Westfalen). Er hat auch eine Tochterfirma in Kempten, die „A.F.G. Allgäu Fleisch GmbH“. Hier ruhte die Arbeit wegen coronabedingter Ausfälle für fünf Tage. Auch bei Vion in Buchloe musste die Produktion eingeschränkt werden. Mittlerweile müssen die Fleischkonzerne ihre Schlachter und Zerleger direkt anstellen, Subunternehmer mit Bezahlung unter dem Mindestlohn sind verboten. Neben Tönnies mit etwa 120 Mitarbeitern betreibt im Allgäu unter anderem die niederländisch-deutsche Vion-Gruppe einen Schlachthof – mit über 400 Mitarbeitern in Buchloe. Gewerkschafter sagen, dass sich die Lage in Schlachthöfen grundsätzlich verbessert habe, aber noch längst nicht alles gut sei.
Gesetz
Verbesserungen für die überwiegend ausländischen Mitarbeiter sollte vor allem ein Arbeitsschutz-Kontrollgesetz bringen – es wurde schon vor Corona diskutiert und trat vor zwei Jahren in Kraft. Es verbietet sowohl Leiharbeit wie auch sogenannte Werksverträge, bei denen ein Unternehmen oder ein einzelner Selbstständiger mit einer bestimmten Aufgabe beauftragt wird. Zudem werden die Betriebe verpflichtet, ihren Mitarbeitern „angemessene Unterkünfte“ zur Verfügung zu stellen.
Gewerkschaft kritisiert Verträge
„Im Kern ist es ein gutes Gesetz, aber es gibt noch Knackpunkte“, sagt Thomas Bernhard von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Er wirft Schlachtbetrieben unter anderem vor, dass ausländische Mitarbeiter die Verträge nicht in ihre Muttersprache übersetzt bekommen: „Die wissen oft nicht, was sie da unterschreiben.“ Hilfe biete die Gewerkschaft an.
„Mehrere Versuche von uns, mit den Leuten zu reden, sind aber gescheitert“, sagt Claudia Weixler von NGG Allgäu. Als Gründe nennt sie „Sprachbarrieren“ bei den vor allem osteuropäischen Mitarbeitern, aber auch ein Misstrauen gegenüber Gewerkschaften. Mit Blick auf Tönnies in Kempten kritisiert Weixler, dass es dort keinen Betriebsrat als Interessenvertretung der Arbeitnehmer gibt – obwohl das gesetzlich vorgeschrieben sei.
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Die Kritik kann Dennis Keller, Geschäftsführer von Tönnies in Kempten, nicht nachvollziehen: „Bei uns sind selbstverständlich alle Möglichkeiten der Bildung eines Betriebsrats gegeben. Die Belegschaft in Kempten hat diese Option bislang aber nicht gewählt.“ Im gesamten Konzern gebe es jedoch mehr als 170 Betriebsratsmitglieder. Vion in Buchloe hat indes einen Betriebsrat – seit 30 Jahren, aktuell mit elf Leuten besetzt, sagt Personalchef Roger Legath.
Integration ausländischer Mitarbeiter
Beide großen Allgäuer Schlachtbetriebe versuchen zudem nach eigenen Angaben, die ausländischen Mitarbeiter besser zu betreuen. Tönnies beschäftigt dafür ein „Integrationsteam“. „Es unterstützt bei Fragen, Behördengängen und Angelegenheiten, die weit über normale Arbeitgeber-Pflichten hinausgehen, wie Arztbesuche oder Konto-Eröffnungen“, sagt Geschäftsführer Dennis Keller. Solche Betreuer gibt es auch bei Vion in Buchloe. Dort ist zwar die Hälfte der Belegschaft deutsch, die andere Hälfte stammt aber aus 27 Nationen – überwiegend aus Polen, Rumänien und der Türkei.
Die NGG bezweifelt, dass Betriebe und Unterkünfte ausreichend kontrolliert werden – weil zum Beispiel beim Zoll und der Gewerbeaufsicht Personalmangel herrsche. „Das birgt die Gefahr von Missbrauch und schlechten Bedingungen“, sagt Bernhard. Seine Kollegin Weixler ergänzt: „Was nutzt ein Gesetz, wenn niemand da ist, der es kontrolliert?“
Keine genauen Zahlen zu Kontrollen
Genaue Zahlen zu Kontrollen in Schlachthöfen kann das zuständige Hauptzollamt in Augsburg nicht nennen. Für das Allgäu sind unter dem Begriff „Schlachten und Fleischverarbeitung“ insgesamt 226 Betriebe erfasst, teilt die Regierung von Schwaben als zuständige Gewerbeaufsicht mit: „Die Überwachung erfolgt nach risikoorientierter Schwerpunktsetzung. Darüber hinaus finden Kontrollen anlassbezogen zum Beispiel aufgrund von Beschwerden statt.“ Die Kontrollen würden nicht angekündigt. Zu Mängeln speziell in Schlachtbetrieben könne man sich nicht konkret äußern, weil es keine „betriebsspezifische Mängelauswertung“ gebe. Nach eigener Aussage wird Vion etwa einmal im Jahr kontrolliert: „Dabei hat es bis heute keine wesentlichen Beanstandungen gegeben.“ Man habe alle Kontrollen bestanden, heißt es auch bei Tönnies in Kempten.