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Schlaganfall: So funktioniert die Versorgung im Allgäu

Gesundheit

Schlaganfall: So funktioniert die Versorgung im Allgäu

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    Regelmäßige Bewegung ist nach einem Schlaganfall wichtig. Thomas Ulmer besucht gerne die Sportstunden der Selbsthilfegruppe.
    Regelmäßige Bewegung ist nach einem Schlaganfall wichtig. Thomas Ulmer besucht gerne die Sportstunden der Selbsthilfegruppe. Foto: Matthias Becker (Archiv)

    Es ist 2014. Der Kinder- und Jugendarzt Thomas Ulmer fühlt sich während eines Patientengesprächs plötzlich komisch. „Und dann ging nichts mehr“, erinnert er sich. In der Praxis wird der damals 48-Jährige erstversorgt, die Arzthelferinnen wählen den Notruf, er kommt ins Krankenhaus. Diagnose: Schlaganfall. Mehrere Tage liegt Ulmer auf der Intensivstation. Dann folgen zwei Jahre Reha. „Ich konnte nicht laufen, nicht sprechen und mich auf nichts konzentrieren“, sagt Ulmer.

    Seine Geschichte ist kein Einzelfall. Nach Angaben der Deutschen Schlaganfall-Hilfe erleiden bundesweit etwa 270.000 Menschen pro Jahr einen Schlaganfall – Tendenz steigend. Bei Ulmer wurde eine Hirnblutung festgestellt. Die weitaus häufigere Ursache ist allerdings eine verstopfte Arterie. In der Folge werden Teile des Gehirns nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt. „Es kommt zu plötzlichen Ausfällen von Hirnfunktionen. Das passiert auf einen Schlag – deswegen heißt es auch Schlaganfall“, erläutert Professor Elmar Pinkhardt, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Kempten. Häufig treten dann Lähmungserscheinungen oder Sehstörungen auf.

    "Time is Brain"

    Viele Betroffene sprechen auch verwaschen, finden keine Worte mehr oder verstehen ihr Gegenüber nicht. „Wenn man den Notruf wählt, ist es wichtig zu sagen, dass die Symptome plötzlich aufgetreten sind“, sagt Pinkhardt. Das sei ein wichtiger Hinweis – denn bei der Versorgung zähle jede Minute. Die Devise lautet: „Time is Brain“, also „Zeit ist Hirn“. Je schneller ein Patient behandelt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, bleibende Schäden und Behinderungen einzudämmen.

    Im Falle eines verstopften Gefäßes kommt laut Pinkhardt meist ein starker Blutverdünner zum Einsatz, der die Verstopfung auflösen soll. „Das sollte spätestens vier bis fünf Stunden nach dem Vorfall passieren.“ Später könnte das Medikament eher schaden als nutzen. „Es besteht das Risiko, dass es zu einer Blutung im Gehirn kommt.“ Die Diagnostik und Gabe des Blutverdünners passiere in der Regel in der Notaufnahme, schildert Pinkhardt. In größeren Kliniken wie Kempten werde der Neurologe vor Ort in die Entscheidung eingebunden. In kleineren Häusern wie in Immenstadt, Ottobeuren oder Mindelheim, in denen es keine Neurologie gibt, werden Experten aus einem Versorgungsnetzwerk hinzugezogen. Via Telemedizin, also zum Beispiel per Telefon oder Videoschalte, kann der Patient rund um die Uhr einem Schlaganfallspezialisten vorgestellt werden, der dann gemeinsam mit dem Arzt vor Ort das weitere Vorgehen bestimmt. Ist ein großes Gefäß verschlossen und reicht ein Blutverdünner nicht aus, kommt laut Pinkhardt eine sogenannte Thrombektomie in Frage. Dabei wird der Verschluss mit einem Katheter aufgelöst. Diese Technik wird im Allgäu nur in Kempten angewandt, sagt Pinkhardt.

    Verlegungen sind möglich

    Bei akuten Blutungen muss operiert werden, heißt es seitens des Klinikverbunds Kaufbeuren-Ostallgäu. Das ist allerdings nicht überall möglich. Wird ein Patient beispielsweise in Füssen eingeliefert, könne er je nach Verfügbarkeit nach Kaufbeuren, Günzburg oder Großhadern verlegt werden.

    Nach der ersten Behandlung kommen oft die „Stroke-Units“ ins Spiel – Spezialstationen zur Behandlung von Patienten mit akuten Schlaganfällen. Im Allgäu gibt es diese in Kempten, Kaufbeuren und Memmingen. Dort findet eine engmaschige Überwachung der Betroffenen statt. „In den ersten zwei bis drei Tagen nach einem Schlaganfall ist das Risiko für einen erneuten Schlaganfall am höchsten“, sagt Pinkhardt. Sein Fazit: „Die wohnortnahe Versorgung im Allgäu ist gut.“ Der eigentliche Kampf beginnt oft erst danach.

    "Man muss am Ball bleiben"

    Thomas Ulmer war nach seinem Schlaganfall zunächst auf einen Rollstuhl angewiesen, dann auf einen Rollator und einen Gehstock. Mittlerweile kann der 55-Jährige kurze Strecken wieder frei laufen. Auch sprechen hat er erneut gelernt. Noch heute geht er regelmäßig zur Logopädie und zur Krankengymnastik. Als Arzt arbeiten kann er nicht mehr. „Dazu reicht die Konzentration nicht aus.“ Ulmer ist Zweiter Vorsitzender der Schlaganfall-Selbsthilfegruppe Benningen (Unterallgäu) und will als Schlaganfallhelfer nun andere Betroffene unterstützen. „Man darf nicht resignieren und muss am Ball bleiben. Ich mache heute noch Fortschritte.“

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