Die Corona-Krise könnte den Wintertourismus auch im Allgäu durcheinanderwirbeln. Ob und wie die Bergbahnen geöffnet haben werden, kann wohl niemand mit letzter Sicherheit sagen. Selbst wenn der Betrieb durchgehend laufen sollte, dürfte es viele Skifahrer geben, die aus Angst vor einer Corona-Infektion den Gondel-Betrieb und die damit verbundenen Menschenmassen scheuen. Experten gehen davon aus, dass die Zahl der Menschen im "freien Skiraum" weiter zunimmt: Dazu gehören Skitourengeher und Schneeschuh-Wanderer. Doch auf was sollten sie beachten? Wir sprachen darüber mit dem Leiter der Lawinenwarnzentrale Bayern, Dr. Thomas Feistl.
Wie arbeitet die Lawinenwarnzentrale Bayern?
Dr. Feistl: Die Lawinenwarnzentrale Bayern ist im Bayerischen Landesamt für Umwelt angesiedelt. Sie koordiniert und organisiert den Lawinenwarndienst. Ab Dezember veröffentlichen wir täglich den Lawinenlagebericht, für den bayerischen Alpenraum. Unsere Zentrale in München hat sieben Mitarbeiter. Ganz wichtig ist der Bereich Ausbildung für uns: Wir schulen die insgesamt 350 Mitglieder der Lawinenkommission, die vor Ort ihre jeweilige Gemeinde beraten, sowie die 50 Beobachter, die uns in den Wintermonaten täglich mit Daten versorgen. Allein im Allgäu haben wir 15 Beobachter. mitteilen.
Wie schätzen Sie allgemein die Lawinengefahr in den Allgäuer Alpen ein?
Dr. Feistl: Die Allgäuer Alpen sind allein schon wegen ihrer Lage besonders. Wenn vollgeladene Regenwolken aus Nordwesten dort eintreffen, kann es zur sogenannten Nordstaulage kommen. Dieses Wetterphänomen im Gebirge bringt enorme Niederschlagsmengen - in Form von Starkregen oder eben Neuschnee. Dazu kommt, dass es im Allgäu viele steile Grashänge gibt. Das begünstigt den Abgang von Gleitschneelawinen, die sich selbst auslösen und die schwer vorherzusagen sind.
Bereits Ende September fiel in diesem Jahr in den Allgäuer Bergen kräftig Schnee. Wenig später folgte die erste Lawinenwarnung des Herbstes. Sind das Vorboten für einen heftigen Winter?
Dr. Feistl: Das lässt sich so nicht sagen. Der Schnee kann auch wieder wegschmelzen. Das müssen wir abwarten. Jeder Winter ist anders - auch was die Lawinengefahr betrifft. Im Durchschnitt verlieren pro Jahr ein bis zwei Menschen in Bayern ihr Leben in einer Lawine.
Wie wird sich die Corona-Krise auf den Wintersport auswirken?
Dr. Feistl: Darüber kann ich keine Aussage machen, das ist nicht unser Fachbereich. Ich denke, es wird ein spezieller Winter. Wir sind dafür gerüstet.
Was müssen Skitourengeher oder Schneeschuh-Wanderer in Bezug auf Lawinen beachten?
Dr. Feistl: Sie sollten immer das Wetter bei ihrer Planung einbeziehen und sich tagesaktuell über die Lawinenlage informieren: über die Internetseite des Lawinenwarndienstes, aber auch über Webcams oder Ansprechpartner wie Tourismusämter vor Ort. Anfängern empfiehlt sich, Touren mit erfahrenen Leuten zu unternehmen, beispielsweise mit Vereinsgruppen, und vorab an einem Lawinenkurs oder einem Lawinentag teilzunehmen.
Ab welcher Höhe ist besonders mit Lawinen zu rechnen?
Dr. Feistl: Die Höhenlage ist nicht ausschlaggebend, sondern die Hanglage. Ab einer Neigung von circa 30 Grad können Lawinen abgehen. Ohne entsprechendes Fachwissen sollte man sich nicht in steiles Gelände begeben.
Welche Sicherheitsausrüstung sollten Skitourengeher immer dabei haben?
Dr. Feistl: Lawinenverschütteten-Gerät, Sonde, Schaufel, Handy! Sonst hat man nur geringe Chancen in einer Lawine gefunden zu werden und kann vor allem Verschütteten nicht helfen. Allerdings sollte man immer bedenken: Die Sicherheitsausrüstung ist keine Garantie für eine Rettung. Deshalb sollte immer die Vorsicht ganz oben stehen.
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