Was macht ein Junge, wenn er in Edmonton aufwächst? Na klar, er spielt Hockey. Wayne „The Great One“ Gretzky hat bei den Edmonton Oilers gespielt, Mark Messier kommt aus und spielte in der kanadischen Stadt – und derzeit scoren zwei der vermutlich besten Eishockeyspieler der Welt, Connor McDavid und Leon Draisaitl aus Köln, für die Oilers. Insofern schlug der in Edmonton geborene Tyler Spurgeon fast einen vorgezeichneten Weg ein, als er mit Eishockey anfing – und nun mit 35 Jahren als Kapitän des ESV Kaufbeuren Vorreiter auf dem Eis ist.
50 Grad minus - aber Sonne gibt es auch
Edmonton liegt in der Mitte des Bundesstaates Alberta und in einer Übergangszone: Im Norden fangen die Nadelwälder vor der Eiszone an, im Süden liegen die Ausläufer der Prärie und die Olympiastadt Calgary – eine Region mit extremen Temperatur-Umstürzen. Davon sei seine Heimat auch nicht verschont: „Bei uns gibt es Blizzards, und die kälteste Temperatur, die ich erlebt habe, waren 50 Grad minus“, erzählt Spurgeon. „Aber es gibt auch viele Tage mit Sonne“, fügt er an. Denn Edmonton, das am North Saskatchewan River liegt, sei natürlich auch ohne Hockey lebenswert.
Stress mit dem Bruder - wer darf zu den Oilers?
Spurgeon hat eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder. Mit Jared spielte er schon in frühester Kindheit Hockey. „Wir trainierten im Keller und im Garten. Dort hatte unser Vater einen Eisplatz angelegt“, erzählt Tyler. Und der Opa hatte eine Dauerkarte für die Oilers, zu denen ihn ein Kind begleiten durfte: „Da gab es immer Streit mit meinem Bruder.“ Doch letztlich kamen beide zum Hockey: Tyler Spurgeon zu den Kelowna Rockets, einer Talentschmiede in British Columbia, bei der später auch Draisaitl anfing, der jüngere Jared (32) ging zu den Spokane Chiefs.
Mit Duncan Keith oder Shea Weber auf dem Eis
Beide wurden später gedraftet: Tyler von den Edmonton Oilers, Jared von den New York Islanders. Doch die Brüder mussten sich zunächst wie üblich in den Farmteams beweisen. Jared gelang es schließlich, nach einem Vorspiel bei den Minnesota Wild einen Vertrag zu erhalten – dort spielt er noch heute und ist Kapitän.

Tyler machte einige Testspiele für die Oilers und hatte prominente Begegnungen. „Ich habe einige Spieler in den Camps kennengelernt“, erinnert er sich: den zweifachen Olympiasieger Duncan Keith von den Oilers, Weltmeister und Olympiasieger Ryan Smyth oder den Weltmeister und Kapitän der Montreal Canadiens, Shea Weber. Doch Tyler Spurgeon wurde durch Verletzungen zurückgeworfen: Erst durch eine lädierte Schulter alsdann durch einen Ellbogencheck: „Ich hatte mehrere Brüche im Gesicht.“
Eine ziemlich große Familie
Seine Karriere geriet ins Stocken, er wechselte zwischen Teams aus der ECHL und der AHL. Doch ein Hockeytrainer aus Edmonton brachte sie wieder in Fahrt: Emanuel Viveiros, Coach beim Klagenfurter AC, rief an: „Er fragte, ob ich es mal in Europa versuchen will.“ Vier Jahre blieb Spurgeon beim KAC, es folgten Intermezzi in der AHL und der Schweiz, ehe er für fünf Jahre nach Innsbruck ging. Dort lernte er John Lammers kennen. „In den zehn Saisons vor Kaufbeuren spielte ich acht mit John zusammen“, berichtet Spurgeon. Auch andere Joker kreuzten früher seinen Weg: Joey Lewis oder Neuzugang Mikko Lehtonen. „Hockey ist eine Familie“, meint Spurgeon lachend.
Oilers und Joker im Jojo-Modus
Insofern gebe es sogar Gemeinsamkeiten der Joker mit den Oilers: „Da geht es ebenfalls auf und ab“, sagt Spurgeon. Edmonton startete famos in die Saison, kassierte dann 13 Niederlagen in 15 Spielen, jetzt scheinen sich die Oilers zu fangen. Beim ESVK ist es ähnlich – die Krise scheint dort auch überwunden. „So ist Sport. Da spielen viele Dinge rein.“ Der Sieg gegen Bayreuth war wohl ein Wendepunkt: „Da haben wir uns Selbstvertrauen geholt.“
Die Play-offs müssen sein
Das Ziel für die Saison seien „ohne Frage die Play-offs. Die Krise macht uns hoffentlich stärker für die entscheidende Phase“ – und für das kommende Spiel am Mittwoch gegen Tabellenführer Dresden ab 19.30 Uhr in der Erdgas Schwaben Arena. Die jungen Spieler müssten zwar noch lernen, aber sie haben die Qualität. Und er müsse vorangehen - als Mannschaftsführer, wie er es auch schon seinen Teams zuvor getan hat.
Für den ESVK auf dem Eis, für Jared im Rogers Place
„Es ist eine Ehre, Kapitän zu sein. Deshalb muss man für das Team alles geben“, betont Spurgeon. Da sei ihm sein Bruder ähnlich – der will sein Team auch in die Play-offs der NHL führen. „Ich hoffe, dass es klappt“, sagt Tyler. Selbst wenn der ESVK bis in das DEL2-Finale vorstoßen sollte, kann er danach immer noch in aller Ruhe, die Play-offs in der NHL sehen. Und das will Spurgeon zu Hause im Rogers Place in Edmonton: am besten in einer Runde mit dem Duell der Oilers gegen die Wild - bei denen derzeit der Deutsche Nico Sturm spielt. So oder so, Hockey in Edmonton wird dann gewinnen – entweder mit den Oilers oder Jared Spurgeon.