Für Radprofi Michael Schwarzmann aus Betzigau ist die Saison eine ganz Besondere: Im September des vergangenen Jahres wechselte er nach elf Jahren beim oberbayerischen Rennstall Bora-hansgrohe zum belgischen Team Lotto Soudal. Eines bleibt ihm allerdings weiterhin verwehrt: Auch in diesem Jahr wird der 31-Jährige nicht an der Tour de France teilnehmen.
Direkt gefordert im neuen Team
Für Schwarzmann war der Schritt zu Lotto Soudal der erste Wechsel seiner Profikarriere: „Zu Beginn war alles neu und man fängt gegenüber seinen Teamkollegen, Trainern und Chefs bei null an. Meine ersten Monate hier waren allerdings durchweg positiv und ich bin sehr zufrieden mit meiner Entscheidung.“ Viel Zeit, um sich beim neuen Team zurechtzufinden, hatte Schwarzmann nicht. Aufgrund vieler corona- und verletzungsbedingter Ausfälle innerhalb der Mannschaft war er sofort gefordert. Mit dem Giro d´Italia Anfang Mai kommt der Allgäuer bereits auf 57 Renntage im Jahr 2022. „Wegen der vielen Ausfälle waren die fitten Fahrer natürlich komplett ausgelastet. Im Normalfall komme ich im Jahr auf 80 bis 90 Renntage, ich war zu Jahresbeginn also nur selten zu Hause“, erzählt Schwarzmann. Die vielen Einsätze zu Beginn seines neuen Karriereabschnitts seien für ihn aber von Vorteil gewesen: „Um mein Können im neuen Team unter Beweis zu stellen, war es natürlich super, dass ich direkt so viel fahren durfte. Außerdem konnte ich dem Team beweisen, dass man sich auf mich verlassen kann.“ Essenziell dafür war, dass Schwarzmann die erste Jahreshälfte auch gesundheitlich gut überstanden und mit keinerlei Verletzungen zu kämpfen hatte.
Ein Schritt aus der Komfortzone
Eine große Umstellung war der Wechsel zum belgischen Rennstall für den Radprofi nicht: „Natürlich muss man sich daran gewöhnen, dass man jetzt Teil einer internationalen Mannschaft ist. Abgesehen von der Kommunikation funktionieren die Teams aber fast alle gleich. Zu Beginn verbrachte ich viel Zeit damit, das passende Material zu finden. Vom Sattel über die Kleidung bis hin zum Helm probiert man verschiedenste Dinge aus, bis man sich wirklich wohlfühlt.“ Am meisten habe er von der neuen Herausforderung und dem zusätzlichen Druck profitiert. „Es war für mich ein Schritt aus der Komfortzone. Der Wechsel war ein neuer Anreiz, ein Ansporn, weiterhin mein Bestes zu geben“, erklärt Schwarzmann. Am Standort des Teams Lotto Soudal in Belgien hält er sich nur vor und nach Rennveranstaltungen auf. Die Vorbereitung absolvieren die Fahrer selbstständig in der Heimat. Regelmäßige Reisen zurück zu seinen Wurzeln gehören für Schwarzmann, der im österreichischen Lochau wohnt, fest zum Programm. „Das Allgäu ist ja zum Glück nicht allzu weit weg. Da lohnt es sich sogar, für einen Abend vorbeizukommen“ schmunzelt der gebürtige Betzigauer.
Tour de France nicht mehr das "ein und alles"
Ein etwas ernsteres Thema bleibt dagegen die Tour de France. Das Fehlen beim bekanntesten Straßenradrennen der Welt bleibt weiterhin die einzige Lücke im ansonsten prall gefüllten Lebenslauf des Allgäuer Radprofis. „Ich habe mich auch in diesem Jahr intensiv auf die Tour de France vorbereitet, vom Team wurde mir kommuniziert, dass ich gebraucht werde. Mir war natürlich klar, dass eine Teilnahme mit 57 Renntagen und dem Giro d´Italia nahezu unmöglich ist, dennoch wollte und sollte ich es versuchen“, sagt Schwarzmann. Einige Wochen vor Beginn (am Freitag um 12 Uhr) des dreiwöchigen Rennens wurde er über seine Nicht-Nominierung informiert. „Ich sehe natürlich ein, dass die Tour mit der hohen Belastung zäh geworden wäre. Außerdem gab es innerhalb der Mannschaft einige Umstrukturierungen“, sagt Schwarzmann, der sich noch bis vor wenigen Tagen als Reservefahrer bereitgehalten hatte.
Seine Einstellung gegenüber der bedeutungsvollsten Tour des Rennkalenders habe sich über die Jahre verändert: „Natürlich bin ich enttäuscht, dass es nicht funktioniert hat. Aber damit gehe ich komplett professionell um.“ Für den 31-Jährigen sei die Tour de France mittlerweile nicht mehr das ein und alles: „Ich habe in meiner ersten Saison beim neuen Team direkt am Giro d´Italia teilgenommen. Das ist für mich ein großer Erfolg. Den Rest des Jahres sehe ich eher als Bonus. Ich bleibe aber weiterhin hartnäckig und glaube daran, dass es irgendwann klappen wird mit der Teilnahme in Frankreich“.
Erst Sommerpause, dann Saisonfinale
Über die Planung der letzten Monate der Saison hat sich Schwarzmann noch keine genauen Gedanken gemacht: „Die Polen-Rundfahrt ist auf jeden Fall eine Option.“ In den nächsten Wochen wird er es aber erst einmal etwas ruhiger angehen lassen, um sich dann mit voller Kraft auf die finale Saisonphase vorbereiten zu können. „Ich freue mich jetzt auf die Zeit mit Familie und Freunden. Neben zu werde ich, wenn ich nicht gerade selbst das schöne Wetter auf dem Fahrrad genieße, natürlich die Tour de France verfolgen“. Als Favoriten geht für ihn der zweimalige Gewinner Tadej Pogacar in die Rundfahrt.