Trainerwechsel sorgen in jeder Mannschaft für Aufregung. Das liegt in der Natur der Sache, weil natürlich jeder Spieler über den „Neuen“ was gehört und/oder mit dem „Alten“ supergute oder eben sehr schlechte Erfahrungen gemacht hat. In aller Regel vermeidet man mitten im Abstiegskampf solche Personalien, schließlich soll der ganze Fokus der Mannschaft ja nur aufs Wesentliche, also aufs Punktesammeln, gerichtet sein.
Beim ranghöchsten Allgäuer Fußball-Verein, dem FC Memmingen, sieht man das wohl ein klein wenig anders. Im Kampf ums Überleben in der Regionalliga Bayern vermeldete Vorsitzender Armin Buchmann jetzt gleich zweimal einen Trainerwechsel. Vergangenen Mittwoch den freiwilligen Rücktritt von Fabian Adelmann nach nur fünf Monaten und das Einspringen des Sportlichen Leiters Thomas Reinhardt.
An diesem Montagabend dann betrat Buchmann erneut die Kabine und verkündete, dass in wenigen Wochen wieder ein anderer Coach das Zepter am Trainingsplatz an der Bodenseestraße schwingen wird. Der Verein sorgt also für zusätzlichen Gesprächsstoff. Das alles nach dem überlebenswichtigen 1:0-Sieg am Samstag gegen den 1. FC Nürnberg II und vor dem Finalspiel um den Klassenerhalt am kommenden Wochenende beim FC Augsburg II. Buchmann dürfte in große und verwunderte Augen geblickt haben, denn der „Neue“ in Memmingen ist gleichzeitig ein alter Bekannter: Stephan Baierl. Der 45-jährige A-Lizenz-Inhaber trainierte bereits 2018 und 2019 die Memminger, wechselte dann aus privaten Gründen zum SSV Ulm als Sportlicher Leiter. Im März wurde er nach einer sportlichen Talfahrt beim württembergischen Verbandsligisten TSV Essingen als Trainer vorzeitig beurlaubt.
Spieler und Trainer des FCM sollen Planungssicherheit haben
Buchmann muss in hohem Maße davon überzeugt sein, mit dem neuen Übungsleiter Baierl noch zusätzliche Energien bei der Mannschaft freizusetzen. Sonst hätte er seine Wunschlösung erst mal noch für sich behalten – und dann ausgepackt, wenn die Relegation heil überstanden oder der Abstieg besiegelt und ein Neuanfang ohnehin vonnöten ist. Buchmann sagt gegenüber unserer Redaktion: „Mit der sofortigen Veröffentlichung möchten wir unseren Spielern und Trainern schon jetzt Planungssicherheit geben.“ Auch den Mitgliedern, Fans, Gönnern und Sponsoren des FCM wolle er wieder Perspektiven bieten, „die uns hoffentlich an Erfolge vergangener Tage anknüpfen lassen“.
Adelmann hat er genau das wohl nicht zugetraut, sonst hätte er ihn wohl kaum so kampflos ziehen lassen. (Lesen Sie hier den Bericht zu Trennung zwischen Adelmann und FCM). Baierl dagegen war für Buchmann so was wie ein „Verflossener“, er hatte schon im Herbst nach der Trennung von Esad Kahric mit einem Comeback des 45-Jährigen geliebäugelt. Dessen Bindung zum TSV Essingen habe das damals verhindert, erklärt Buchmann, der Baierl eine „hohe Reputation“ zuschreibt. Er habe 2018 den Klassenerhalt über die Relegation geschafft und in der darauffolgenden Saison für die erfolgreichste Spielzeit seit Zugehörigkeit zur Regionalliga Süd verantwortlich gezeichnet. Der FCM gehörte lange zur Spitzengruppe, wurde am Ende Sechster und nahm erstmals am Lizenzierungsverfahren zur 3. Liga teil. Auch die ersten Ideen zu einem Multifunktionsgebäude, das mittlerweile im Bau ist, entstanden zusammen mit Baierl.
Memmingens Vorsitzender widerspricht These vom hohem Verschleiß
Baierls Rückkehr ist für Buchmann auch ein Indiz dafür, dass zuletzt ein Zerrbild in der Öffentlichkeit entstanden sei. Von einem hohen Trainer-Verschleiß in den letzten Jahren könne nicht die Rede sein. Dass Übungsleiter mehrfach den Trainerposten innehatten, sei ja ein Zeichen dafür, dass der Job in Memmingen nicht spaßbefreit sei und viele eine ganz besondere Beziehung zum FCM aufgebaut hätten. Finanzielle Anreize, versichert Buchmann, hätten noch keinen Ex-Trainer wieder zum Verein gelockt, „also müssen es die nachhaltig positiven Eindrücke sein“.
Spricht man mit dem Rückkehrer Baierl, fühlt man sich ein klein wenig an SPD-Politiker Willy Brandt erinnert, der 1958 beschwor, „dass eines Tages zusammengefügt sein wird, was zusammengehört“. Denn Baierl hat sich schon in seiner ersten Zeit beim FCM „sehr, sehr wohl gefühlt. Ich hatte eine super Zeit in Memmingen“, sagte er auf Anfrage. „Die Entscheidung, den Verein zu verlassen, ist mir damals wirklich schwergefallen“. Er habe sie seinerzeit aus persönlichen Gründen getroffen. Die Kinder seien noch klein gewesen, und seine Frau berufstätig. Deswegen sei es ihm beim ersten Mal einfach zu viel geworden. Und er sei halt einer, der keine halben Sachen machen wolle, sagt Baierl, der hauptberuflich als Lehrer an der Adalbert-Stifter-Gesamtschule in Ulm arbeitet und in Oberelchingen lebt.
Baierl ist sich sicher, dass er Beruf, Familie und Fußball jetzt gut koordinieren könne. Er freut sich riesig darauf, wieder nach Memmingen zurückzukehren. „Denn der Verein hat eine Aura, der hat Strahlkraft.“ Der Klub sei sehr sympathisch, es sei dort ein angenehmes Arbeiten. Deswegen sei der Kontakt zu Armin Buchmann nie abgerissen. Und nachdem Trainer Fabian Adelmann in der vergangenen Woche seinen Rücktritt angeboten hatte, habe er mehrfach mit dem Präsidenten des FCM telefoniert und sich auch mit ihm getroffen, erklärt Baierl.
In den restlichen Spielen bleibt Reinhardt der Coach
In den aktuellen Abstiegskampf des FCM will sich Baierl nicht einmischen, da hält er sich zurück. Die Verantwortung im letzten Punktspiel und eventuell weiteren Relegationspartien liege weiter bei Thomas Reinhardt. In welcher Liga der FCM kommende Saison spiele, sei jetzt ohnehin erst mal zweitrangig. Denn: „Es liegt so oder so ein weiter Weg vor uns, auf dem schwierige Aufgaben auf uns warten.“
Baierl hat den FCM auch in der Ferne nie aus den Augen verloren: Nach den radikalen Schnitten und Umbrüchen im Team während der Corona-Zeit („So etwas kann nicht ohne Konsequenzen bleiben“) gehört es für den künftigen Coach des FCM zu den vordringlichsten Aufgaben, „wieder Konstanz in die Mannschaft reinzubringen“. Er wisse, dass in den kommenden Wochen viele Gespräche notwendig seien, was die Zusammenstellung des künftigen Kaders anbelange. „Es sind Veränderungen nötig. Aber ich weiß natürlich, dass das nicht von heute auf morgen geht.“ Eines möchte Baierl schnell anpacken: „Ich will die Aufbruchstimmung, die der Verein derzeit mit dem Bau des Multifunktionsgebäudes erzeugt, auch auf den Platz bringen.“