„Sami! Sami!“ Die Rufe, die am Nachmittag auf dem Schulhof der Städtischen Realschule in Kempten zu hören sind, gelten Sami Gözen, Träger des 7. Dan und Taekwondo-Großmeister. Seit diesem Schuljahr unterrichtet Gözen die koreanische Kampfkunst als Wahlfach an der Kemptener Schule. Für ihn geht damit ein großer Traum in Erfüllung.
Der Wunsch, ein solches Wahlfach anzubieten, bestand laut Schulleiter Dieter Gross seit einigen Jahren: „Wir wollten den Schülern eine Möglichkeit geben, Selbstverteidigung zu erlernen.“ In der Vergangenheit gab es für Kinder der fünften und sechsten Klassen die Option, im Rahmen der sportlich orientierten Ganztagsschule zwei Stunden wöchentlich einen Workshop für Selbstverteidigung zu besuchen.
Kampfkunst als Wahlfach
Seit diesem Schuljahr kann Taekwondo von allen Schülern belegt werden. „Ein Wahlfach ist nicht verpflichtend, das ist das Schöne daran. Die Kinder und Jugendlichen entscheiden sich aus freiem Willen, am Taekwondo teilzunehmen“, so Gross. Die anfängliche Skepsis, die der Direktor der Kampfkunst gegenüber hegte, war nach dem Besuch einiger Taekwondo-Vorstellungen und Trainingseinheiten schnell verflogen: „Die Atmosphäre war super und geprägt von einer gewissen Disziplin. Die Schüler gehorchen Sami, respektieren ihn und haben ein tolles Verhältnis zu ihm“.
Taekwondo-Legende als Lehrer
Gözen ist ein Urgestein der deutschen Taekwondo-Szene. Es begann im Alter von 13 Jahren, als er in Kempten erstmals ein Training besuchte. Kurz nach seiner ersten Schwarzgurt-Prüfung entschied sich Gözen, einen Verein in Kempten zu gründen. Der TCS (Taekwondo Club Sami Kempten) ist noch immer aktiv und bietet seinen Mitgliedern wöchentliche Trainingseinheiten. Während Gözen mit dem TCS von Wettkampf zu Wettkampf reiste, begann er von etwas Größerem zu träumen: Sein Ziel war, Taekwondo als Schulsport zu unterrichten. Um dieses zu realisieren, erwarb er 2012 die Lizenz zum „Taekwondo-Lehrer im Schulsport“. „Ich finde es gut, dass solche Lizenzen mittlerweile notwendig sind. Es ist ein wichtiger Schritt, um professionelles Training zu ermöglichen“, sagt der 63-Jährige.
Disziplin und Konzentration im Sportunterricht
Warum sich diese Sportart als schulisches Wahlfach bestens eignet, wird in Anbetracht der Inhalte deutlich. Gözen: „Es handelt sich um einen Vollkontakt-Kampfsport, der aber hauptsächlich der Selbstverteidigung dient.“ Gross: „Der Sport vermittelt wichtige Werte wie Disziplin, Anstand, Konzentration und Selbstkontrolle. Unsere Hoffnung ist es, dass die Schüler diese Werte verinnerlichen und sowohl auf das schulische als auch auf das private Leben übertragen.“ Aktuell wird das Wahlfach von 14 Schüler/innen besucht, Gross spricht von einer „tollen Bereicherung“.
Die Unterrichtsstunde beginnt Gözen mit Hand-Fuß-Techniken, gefolgt von Partner- und Pratzen-Training. Es werden immer wieder Gefahrensituationen simuliert, der Fokus liegt dabei auf der Verteidigung. Während des Unterrichts erwähnt Gözen immer wieder den „Do“ (koreanisch für Weg). „Alles was ihr macht, egal ob „Tae“ (was der Fuß macht) oder „Kwon“ (was die Faust macht), es geht nur über den „Do“ (beschreibt auch den körperlichen und geistigen Reifeprozess)“. Die Kampfkunst bringe den Kindern wichtige Lebensinhalte nahe und bietet ihnen die Möglichkeit, besondere sportliche Fähigkeiten zu erlernen. Ganz im Sinne des „Do“ werden hier Voraussetzungen für einen erfolgreichen weiteren Lebensweg geschaffen.