Es gab da schon gewisse Anzeichen – noch lange bevor die Gladiatoren die Schanze betraten und sich in ihre engen Anzüge pressten. 19 Stunden vor den ersten Duellen im Oberstdorfer Schattenberg-Stadion gab es auf der kleinen Bühne im Kurpark am Freitagabend ein Kräftemessen, das zwar nur als Gaudi-Wettkampf tituliert war, rückblickend aber doch richtungsweisend war.
Die Top Ten des Weltcups sollten nicht nur das Skisprung begeisterte Publikum anheizen, sondern auch ihre Fähigkeiten im Fußball-Jonglieren unter Beweis stellen. Um es kurz zu machen: Ein gewisser Stefan Kraft siegte mit unglaublichen 61 Ballberührungen in 30 Sekunden. Die feine Klinge in Sachen Technik und Körperbeherrschung packte „Krafti“ dann auch an der Schanze aus und stand am Sonntag erstmals seit 2016 wieder ganz oben auf dem Stockerl eines Tournee-Auftaktspringens im Allgäu.
Doch auch im Lager der deutschen Skispringer lebt die Hoffnung auf den ersten Tournee-Gesamtsieg seit Sven Hannawald im Jahr 2002. Pius Paschke, der mit dem Gelben Trikot des Weltcup-Gesamtführenden ins Allgäu gereist war, erfüllte mit Rang vier nicht nur die hoch gesteckten Erwartungen der deutschen Fans, sondern auch die seines Trainers. „Er hat einen super Job gemacht heute. Er ist mit dabei. Ich bin sehr zufrieden mit Pius“, sagte Stefan Horngacher im ZDF.
Der 34-jährige Routinier vom WSV Kiefersfelden liegt nach seinem nicht glänzenden, aber überzeugenden Auftritt noch im Rennen um den Goldenen Adler. Doch aufgrund der rot-weiß-roten Dominanz der Österreicher muss Paschke schon nach der ersten Station hoffen, dass einer der ÖSV-Adler abstürzt und er selbst noch in einen Höhenflug kommt. 13,8 Punkte beträgt sein Rückstand auf Kraft. Das sind knapp acht Meter, die Paschke in den nächsten Springen gutmachen muss.
Das vorhergesagte Duell zwischen den Deutschen und den Österreichern fiel noch eindeutiger aus als erwartet. Und so durfte Österreichs Cheftrainer Andreas Widhölzl nach dem Dreifachsieg von Kraft, Jan Hörl und Daniel Tschofenig hinterher auch freudestrahlend behaupten: „Oberstdorf war die letzten Jahre unsere Angst-Station. Jetzt haben wir die Schanze geknackt. Es war ein Wahnsinns-Auftakt für uns.“
Sieger Stefan Kraft spricht von einem „feinen Klima“ im eigenen Team
Die überglücklichen Österreicher waren selbst überrascht, warum es ausgerechnet zum Tournee-Start so gut klappte. „Wir machen nix anderes als die anderen“, sagte Michael Hayböck fast entschuldigend. Sieger Kraft freute sich, dass sich die Favoritenlast in der ÖSV-Mannschaft auf drei oder vier Schultern verteile und im Team ein „richtig feines Klima“ herrsche. Am Samstag zur Qualifikation war die Überlegenheit der rot-weiß-roten Flugstaffel noch deutlich größer. Gleich fünf ÖSV-Springer lagen da im Klassement vorn, gefolgt von Paschke.
Tschofenig verdrängt Paschke vom Stockerl
Paschke selbst war mit Rang vier hochzufrieden. Trotz der großen Erwartungshaltung habe er es „gut hinbekommen mit der Lockerheit“. Vor 25.500 Zuschauern in der ausverkauften Arena sprang er 138 und 133,5 Meter weit. „Es war cool und es hat richtig Spaß gemacht“, sagte der beste Deutsche nach seinem ersten Sprung, mit dem er sich noch auf Rang drei platzierte. „Ich habe die Emotionen im Stadion nutzen können.“ Sein Sprung im Finaldurchgang sei „am Limit gewesen, sehr scharf, ich wusste, dass der Ski schon noch kommt und mich ein paar Meter trägt. Aber er war nicht gut genug fürs Podium.“ Paschke musste Tschofenig den Vortritt auf dem Podest lassen, der sich mit der zweitgrößten Weite von 140,5 Metern von Rang sieben auf Platz drei katapultierte und seinen Qualifikationssieg vom Vortag bestätigte.
Horngacher verzeichnet schmerzhafte Verluste: Drei DSV‘ler scheiden aus
Bundestrainer Horngacher sprach aber auch von „ein paar schmerzhaften Verlusten“: Stefan Leyhe wollte und konnte sich auch in diesem Jahr nicht mit der Oberstdorfer Schanze anfreunden (Rang 48), der junge Adrian Tittel (44.) schied im K.o.-Duell gegen Karl Geiger aus und auch Philipp Raimund vom heimischen SCO schaffte es mit nur 119,5 Meter nicht in den Finaldurchgang.
25.500 Zuschauer sehen einen spannenden Wettkampf
Der Stimmung in der Arena tat dies keinen Abbruch. Die Zuschauer sahen einen hochklassigen und kurzweiligen Wettkampf: Zwei eher unbekannte Japaner, Ren Nikaido, und Naoki Nakamura, glänzten dank verlängertem Anlauf zwischendurch mit den Bestweiten von 142 bzw. 140 Meter, Landsmann Ryoyu Kobayashi musste seine Hoffnungen auf eine Titelverteidigung mit Rang 18 früh begraben. Und Lokalmatador Karl Geiger versetzte nicht nur die Fans, sondern auch sich selbst in Verzückung. Mit seinem besten Sprung des Wochenendes auf 137 Meter stand er lange grinsend in der Leaders-Box und verbesserte sich von Rang 18 auf neun. Bedröppelt war einzig Andreas Wellinger als Zwanzigster: „Es ist nervig. Aber in Garmisch greife ich wieder an.“
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