Die Inzidenzwerte steigen auch im Allgäu teils sprunghaft an, gleichzeitig gerät die Impfkampagne ins Stocken. Ein Überblick über die Corona-Situation in der Region.
Wie hoch sind die Zahlen im Allgäu und was bedeutet das?
Den höchsten Inzidenzwert in der Region verzeichnet derzeit das Ostallgäu mit 44,6 (Stand Donnerstag). Im Unterallgäu ist die Zahl mit 33,7 fast doppelt so hoch wie am Vortag (17,2). Spätestens ab dem 23. August gilt in Deutschland die sogenannte 3-G-Regel. Zutritt beispielsweise zur Innengastronomie haben dann nur noch Menschen, die geimpft, genesen oder getestet sind. Diese Regel kann unter anderem ausgesetzt werden, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in einem Landkreis stabil unter 35 liegt. So hat es die Ministerpräsidenten-Konferenz beschlossen. Die genauen Regeln befänden sich derzeit allerdings noch „in der finalen Phase der Abstimmung“, teilte das bayerische Gesundheitsministerium auf Anfrage mit. Voraussichtlich am heutigen Freitag wolle man „gesammelt über die geplanten Änderungen informieren“.
Werden die Zahlen weiter steigen?
Die steigenden Inzidenzwerte sind für Dr. Jan Henrik Sperling, Corona-Koordinator in Memmingen, nicht überraschend. „Nach den Sommerferien werden sie noch weiter nach oben gehen“, glaubt er. Sperling geht aber davon aus, dass die Situation beherrschbarer bleibt als in den vergangenen Wellen. Ähnlich sieht es der Kemptener Virologe Dr. Matthias Lapatschek. Dafür sei es allerdings wichtig, weiter zu impfen, um schwere Krankheitsverläufe zu verhindern. „Man muss sich auch gut überlegen, in welchen Bereichen Geimpfte und Getestete gleichgesetzt werden“, sagt er. Denn Tests seien nicht so zuverlässig wie eine Impfung.
Corona im Allgäu: Wer sind die Pandemietreiber?
Die aktuellen Pandemietreiber sind vor allem Reiserückkehrer, wie ein Blick ins Unter- und Ostallgäu zeigt. So entfielen die Neuinfektionen im Unterallgäu in den vergangenen Tagen fast ausschließlich auf Heimkehrer, sagt eine Sprecherin des Landratsamtes. „Viele waren davor im Kosovo, aber vereinzelt auch in klassischen Urlaubsländern wie Spanien, Kroatien, Italien, Österreich oder der Türkei.“ Die Kontakte der Infizierten nachzuverfolgen, sei inzwischen aber deutlich schwieriger, da die Menschen beispielsweise wieder ins Fitnessstudio gehen oder sich mit Freunden treffen. Auch im Ostallgäu sorgen offenbar vor allem Rückkehrer aus dem Urlaub für steigende Zahlen. Einem Sprecher zufolge gibt es dort zwölf kleinere Cluster, von denen man neun auf Reiserückkehrer zurückführen könne – „unter anderem auf Busreisen in den Kosovo und zu Sommerfestivals in Kroatien und Slowenien“.
Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU, Memmingen) spricht dagegen von einem landesweit „diffusen Geschehen“. Reiserückkehrer hätten ihren Anteil, aber beispielsweise in manchen Gegenden Bayerns auch Saisonarbeiter. Wenn nun die Infizierten-Zahlen steigen, passiere genau das, was vorhergesagt worden sei: „Die Delta-Variante breitet sich aus.“ Der Weg zurück zur Normalität führe nur über das Impfen. (Lesen Sie auch: Debatte um Impfungen für Kinder an Schulen)
Welche Kriterien sind künftig dafür ausschlaggebend, ob es zu Corona-Einschränkungen wie der Schließung von Hotels und Gaststätten kommt?
Das stehe für Bayern derzeit noch nicht fest, sagt Holetschek. Denkbar sei aber, dass auch die Krankheitsverläufe und die Impfquote eine Rolle spielen. Im Freistaat waren bislang die Sieben-Tage-Inzidenzen das alleinige Kriterium. Daran gab es viel Kritik – mit dem Hinweis darauf, dass diese Werte nicht aussagekräftig genug seien. Einzelne Vertreter aus der Allgäuer Tourismusbranche kündigten gar an, dass sie ihre Häuser einfach nicht mehr zusperren werden, falls es wegen der Inzidenzen zu einer weiteren Schließung kommen sollte.
Wie ist die aktuelle Lage in den Krankenhäusern?
Im Klinikverbund Allgäu werden derzeit drei Corona-Patienten auf den Intensiv-Stationen behandelt, in den Krankenhäusern in Memmingen und Kaufbeuren jeweils einer. „Die Patienten, die dort um ihr Leben ringen, sind in der Regel ungeimpft“, sagt Dr. Marcus Koller, Ärztlicher Direktor des Kaufbeurer Klinikums. Eine Immunisierung schütze zu 95 Prozent vor schweren Verläufen. Koller hielte es für „absolut sinnvoll“, künftig beim Erlass neuer Einschränkungen auch die Auslastung der Krankenhäuser zu berücksichtigen.
Wie sieht die Zukunft der Impfzentren aus?
Laut Gesundheitsminister-Konferenz gibt es die Zentren mindestens bis 30. April 2022. Der Fokus soll ab Herbst allerdings auf mobilen Impfteams liegen. Der Landkreis Lindau schließt Ende September sein Impfzentrum in Lindenberg. Der Raum Kaufbeuren/Ostallgäu werde dagegen zunächst mit zwei Häusern weitermachen, sagt Referatsleiter Thomas Zeh von der Kaufbeurer Stadtverwaltung. Zum einen seien sie die Basis für die mobilen Impfteams, zum anderen müsse man bei einer Schließung gewährleisten, „binnen vier Wochen wieder ein Impfzentrum aufbauen und 500 Menschen pro Tag impfen zu können“. Auch in Kempten geht man nach Angaben eines Sprechers der Stadt vom Erhalt des Impfzentrums aus – auch, weil das Testzentrum daran angeschlossen ist. Man könne den Betrieb außerdem flexibel an den Bedarf anpassen.
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