AfD, FDP, Union – in dieser Reihenfolge sitzen die Parteien von rechts in Richtung Mitte bisher im Bundestag. Nach der Wahl erneuerten die Liberalen aber eine Forderung, die sie bereits 2017 gestellt hatten: nach einem Sitzplatz in der Mitte. Dies stößt bei Allgäuer Abgeordneten auf unterschiedliche Reaktionen. Während Linken-Abgeordnete Susanne Ferschl (Kaufbeuren) den Vorstoß unterstützt, lehnt der Ostallgäuer CSU-Parlamentarier Stephan Stracke das Ansinnen der Liberalen ab.
Die Ursache scheint simpel: Die FDP sieht sich im politischen Spektrum nicht zwischen Union und AfD – man wolle deshalb nicht rechts der Union platziert werden, hieß es aus der Fraktion. Gleichzeitig klagt man in der FDP über sexistische Sprüche und vulgäre Sprache aus den Reihen der AfD, die für weibliche Abgeordnete nur schwer ertragbar seien. Hier habe die Union einen Vorteil: Durch die größere Fraktion sei es für Betroffene einfacher, innerhalb der eigenen Fraktion von der AfD wegzurücken.
Unterstützung von den Linken
Unterstützung erhält die FDP bei ihrem Vorstoß von der Linken. Die Liberalen hätten das härteste Los gezogen, sagt Susanne Ferschl. „Wir sitzen am weitesten von der AfD entfernt, aber bekommen trotzdem die Unruhe und das Stammtischniveau mit, das dort teilweise herrscht.“ Immer wieder werde gegrinst und gelacht, sobald Frauen ans Rednerpult kommen. Zudem gebe es abfällige Handbewegungen. Auch das höhnische Gelächter, wenn die Bundeskanzlerin spreche, sei falsch: „Respekt vor Personen und Institutionen gehört dazu, auch wenn man nicht einer Meinung ist“, sagt Ferschl.
Die Union will jedoch auf keinen Fall mit der FDP tauschen. Dass man nicht neben der AfD sitzen wolle, sei nachvollziehbar, sagt der Kaufbeurer CSU-Abgeordnete Stephan Stracke. Es gebe allerdings keinen sachlichen Grund, die Sitzordnung zu ändern – dies sei vielmehr politische Strategie. „Jede Koalition braucht eine Erzählung. Die Ampel soll angeblich die neue Mitte der Gesellschaft sein, das soll auch die Sitzordnung widerspiegeln“, klagt Stracke. Deshalb solle die Union mittels Bildsprache aus der politischen Mitte nach rechts in Richtung AfD gerückt werden. Das sei „natürlich Unsinn“. Die Sitzordnung sei immer auch politisch, sagt der Kaufbeurer. Nun würden Gründe gesucht, warum die FDP von der AfD weg wolle. „Auch wenn man sich neben der AfD unwohl fühlt, muss man das aushalten.“ Am Ende seien AfD und auch die Linke demokratisch gewählte Fraktionen, sagt Stracke. Damit müsse man umgehen.
In der AfD sieht man das Anliegen der Liberalen dagegen zwiespältig. Man fühle sich auf dem jetzigen Platz wohl, sagte der Oberallgäuer Abgeordnete Peter Felser: „Was die FDP abzieht, ist Kindergarten.“ Die Bürger hätten ganz andere Sorgen, während man in Berlin über die Sitzordnung streite. „Das Ganze ist bizarr und unverantwortlich.“ Politisch, räumt Felser jedoch ein, gehöre die FDP durchaus auf einen neuen Platz, „weil sie politisch nach links gerückt“ sei.
„Auf Augenhöhe“
Wer künftig neben der AfD sitze, sei Felser jedoch egal: „Ich hatte im Umgang mit anderen immer das Gefühl, dass man sich auf Augenhöhe und mit Respekt begegnet.“ Er weist auch Vorwürfe von frauenfeindlichem Verhalten der AfD-Fraktion zurück: Es gehe robust zu, das gelte aber für alle Seiten. „Die FDP hat hier meiner Ansicht nach eine eigene Wahrnehmung, ich bin hunderte Male dort gesessen und kann das nicht bestätigen.“
In der FDP wollte man die Debatte derweil nicht überbewerten. Die Sitzordnung sei kein Thema, mit dem „alles steht und fällt“, hieß es aus der Fraktion. Für die Liberalen gebe es derzeit deutlich wichtigere Anliegen. Ganz vom Thema lassen will man aber nicht. Die Sitzordnung, hieß es, sei dennoch keine Nebensächlichkeit.
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