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Treffpunkt am Gartenzaun

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Treffpunkt am Gartenzaun

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    Besuchsverbot
    Besuchsverbot Foto: Martina Diemand

    Wenn ein Kind auf die Welt kommt, ist das ein Anlass zur Freude. Verwandte und Bekannte besuchen Mutter und Kind oft schon im Krankenhaus, gerade innerhalb der Familie soll das Glück geteilt werden. Zurzeit heißt es aber in den Kliniken: Besuche sind, außer in Notfällen, verboten. Auch in Seniorenheimen sind die Türen für Angehörige wegen der Corona-Krise verschlossen. Für viele Betroffene ist das eine große Belastung, auch wenn größtenteils Verständnis für die Situation herrscht. Die Einrichtungen tun einiges, damit Familien in Kontakt bleiben können und niemand vereinsamt. Das reicht von zusätzlichen Angeboten wie Basteln und Singen bis zu Gesprächen mit Sicherheitsabstand über den Gartenzaun hinweg.

    Vergangenen Donnerstag hat Julia Schreiber im Klinikum Kempten ihr zweites Kind per Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Vier Tage musste die 29-Jährige dann im Krankenhaus bleiben. Ab Freitag durfte außer ihrem Mann niemand mehr zu ihr. Vor allem für die dreieinhalbjährige Tochter der Familie war das schwer zu verstehen. Sie hat sich seit Monaten auf ihr Geschwisterchen gefreut, durfte dann aber weder ihre Mutter noch ihren Bruder regelmäßig sehen. „Der Kopf versteht die Vorsichtsmaßnahmen natürlich, mein Herz hat aber einfach nur meine Tochter und meine Familie vermisst“, sagt Julia Schreiber. Eine große Unterstützung seien da die verständnisvollen und hilfsbereiten Klinik-Mitarbeiter gewesen. Noch bedrückender ist die Situation für ältere Menschen in den Allgäuer Seniorenheimen. „Viele Bewohner sind sehr betroffen, dass niemand mehr kommen darf“, sagt zum Beispiel Marianne Baur, Pflegedienstleiterin des Heinzelmannstifts in Kaufbeuren. Manche hätten Angst, weil die aktuelle Lage sie an Kriegszeiten erinnert. „Gerade jetzt ist sozialer Bezug von großer Bedeutung“, erläutert Baur. Das Heim bietet nun noch mehr Angebote an als sonst, unter anderem Gymnastik und Singen.

    „Momentan geht es nicht anders“

    Ähnlich ist es in den neun Pflege-Einrichtungen des Allgäu Stifts. Ablenkung und Gespräche seien jetzt wichtig, sagt Geschäftsführerin Yvonne Spöcker. Dass kein Besuch mehr erlaubt ist, mindere die Lebensqualität der Bewohner. Die meisten honorierten aber, dass Pfleger und Helfer alles tun, um den Senioren die Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten. Sei es durch Unterhaltungen oder Spiele. Für Bewohner, die psychisch besonders unter der Situation leiden, haben die Mitarbeiter des Allgäu Stifts eine ungewöhnliche Lösung gefunden: Im Kemptener Marienpark beispielsweise können sich Senioren und Angehörige am Gartenzaun treffen und sich dort mit zwei Meter Sicherheitsabstand über den Zaun hinweg unterhalten. „Das klingt für viele vielleicht absonderlich, aber momentan geht es nicht anders“, sagt Spöcker. Die Möglichkeit sei für Situationen gedacht, in denen die Mitarbeiter mit ihrer Fürsorge nicht mehr weiter kommen. In den Heimen gibt es auf Nachfrage auch Tablets, mit deren Hilfe die Bewohner mit ihren Angehörigen videotelefonieren können.

    Solche technischen Hilfsmittel, um die Distanz zu überbrücken, nutzen auch Angehörige und Bewohner des Seniorenheims St. Ulrich in Memmingen. Noch nähmen die Bewohner die Situation relativ gelassen und mit viel Verständnis auf, erzählt der Einrichtungsleiter Albert Madlener. Aber er sagt auch: „Es ist ruhig geworden im Haus.“ Altenheim-Bewohner seien „schnell vergessen“, sagt Fritz Funk, Vorsitzender der Bewohnervertretung von St. Ulrich. Er appelliert an die jüngeren Leute, nach der Corona-Krise wieder verstärkt an Freunde und Angehörige in den Heimen zu denken.

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