In einem einzigartigen Projekt gehen Forscherinnen und Forscher dem Bodensee auf den Grund. Sie erfassen Wracks von Schiffen und Flugzeugen in dem 64 Kilometer langen Gewässer, die zu unterschiedlichen Zeiten untergingen.
„Wir suchen keinen Goldschatz. Ein Jahrtausende alter Einbaum ist für die Geschichte des Sees und seiner Anrainer mindestens genauso spannend“, sagt Archäologin Dr. Renate Ebersbach vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart unserer Redaktion. Ziel des vierjährigen Vorhabens „Wracks und Tiefsee“ ist es, bisher unentdeckte Wracks zu orten und zu dokumentieren.
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Ausgewertet werden in Kooperation mit dem Institut für Seenforschung in Langenargen unter anderem aktuelle Side-Scan Sonar-Daten sowie bathymetrische Daten. Bei beiden Verfahren, werden mittels Schallimpulsen Gegenstände unter Wasser geortet. Die akustischen Signale werden in (zwei- bzw. dreidimensionale) Bilder umgewandelt. Besonderes Interesse gilt den bislang unerforschten Bereichen des „Schwäbischen Meers“, das bis zu 250 Meter tief ist. Auch Tauchroboter sollen die Untersuchungen unterstützen. Die Wissenschaftler erhoffen sich einen Überblick, welche schützenswerten Objekte im See liegen.
Gehoben werden sollen nur solche Wracks, deren Fortbestand gefährdet sei. Als Faustregel gelte: „Wo sie sich über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende gehalten haben, sind sie auch am besten geschützt“, sagt Ebersbach.
Vom steinzeitlichen Einbaum bis zum neuzeitlichen Schiffs- und Flugzeugwracks: Auf dem Grund des Bodensees liegen womöglich Hunderte von Wracks aus allen Epochen der menschlichen Seefahrtsgeschichte. So wurde vor fünf Jahren im Seerhein bei Konstanz (Baden-Württemberg) ein über 4000 Jahre alter Einbaum entdeckt. Das acht Meter lange „Ur-Boot“ aus Lindenholz gilt als das älteste, bislang bekannte, Wasserfahrzeug auf dem Bodensee.
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Auch das älteste Boot Bayerns stammt vom Bodensee: Ein über 3150 Jahre alter Einbaum aus der Bronzezeit wurde 2015 vor Wasserburg (Landkreis Lindau) von einem Schnorchler gesichtet. Unter Tauchern bekannt ist das Wrack des 1864 versunkenen bayerischen Dampfschiffs „Jura“: Es liegt 36 Meter unter der Wasseroberfläche vor Bottighofen (Schweiz).
Wracks am Bodensee: Forscher bauen auch auf Hinweise von Tauchern - doch es gibt Grenzen
Hinweise auf weitere Wracks und historische Objekte erhoffen sich die Wissenschaftler auch von Unterwassersportlern. Gleichzeitig ruft Dr. Ebersbach in Erinnerung: Wracks gelten unabhängig von ihrem Zustand als Kulturdenkmäler und sind durch das Denkmalschutzgesetz geschützt.
„Ein untergegangenes Schiff ist wie eine Zeitkapsel, die so gut wie alles, was am Tag des Untergangs an Bord war, mit in die Tiefe genommen hat“, unterstreicht Mitarbeiterin Alexandra Ulisch die Bedeutung der Wracks für die Forschung.