Die Corona-Krise beschleunigt gesellschaftliche Diskussionen. Ganz unterschiedliche Themen drängen stärker als je zuvor auf die Agenda und schreien nach einer Lösung. Was muss sich in der Pflege verändern? Wie lassen sich die Touristenströme besser lenken, damit einige Hotspots nicht völlig überrannt werden und auch andere Allgäuer Regionen profitieren? Außerdem: Was gilt es zu tun, um den Handel in den Innenstädten zu retten? Denn jetzt wird noch mehr als je zuvor im Internet eingekauft.
Wie viel Verkehr vertragen die Allgäuer Innenstädte?
Die aktuelle Diskussion um die Zukunft des Handels in den Stadtzentren hat eine jahrzehntelange Vorgeschichte. Sie begann spätestens, als auf der grünen Wiese die Einkaufszentren aus der Erde schossen. Fortan hatten die Anbieter in den Innenstädten eine starke Konkurrenz – noch dazu eine, die Parkplätze direkt vor der Haustür anbietet. Womit wir bei einem Thema angekommen sind, das mit einigem ideologischem Eifer geführt wird: Wie viel Verkehr vertragen die Innenstädte noch? Schließlich sollen sie ja auch Aufenthaltsqualität bieten. Der Traum vom autofreien Stadtzentrum ist eine reizvolle Vision. Doch er scheitert – zumindest derzeit noch – an den Realitäten. Viele Einzelhandelskunden kommen aus dem Umland zum Einkaufen in die Allgäuer Städte. Sie sind in aller Regel mit dem Auto unterwegs und man sollte ihnen nicht das Gefühl vermitteln, in den Innenstädten nicht mehr willkommen zu sein.
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Es gilt also, erstmal woanders anzusetzen, um Autos aus dem Stadtzentrum zu bringen. Vor allem beim Öffentlichen Nahverkehr, der nach wie vor schwach auf der Brust ist. Vor wenigen Tagen gab es mal wieder einen Rückschlag: Das Oberallgäu hat sich zunächst von seinem Ziel eines 100-Euro-Tickets verabschiedet. Dahinter steckte die Idee einer Karte für Bus und Bahn, die ein Jahr lang gilt.
Warum Stadtbusse eine Zukunft haben
Der Nahverkehr hat es zwar in Corona-Zeiten schwer, weil viele potenzielle Nutzer lieber auf Abstand gehen. Doch mittelfristig bieten sich gute Perspektiven. Das hängt zum einen mit dem steigenden Umweltbewusstsein in unserer Gesellschaft zusammen. Zum anderen spielt der demografische Wandel eine Rolle. Für die immer größer werdende Zahl älterer Menschen ist der Öffentliche Nahverkehr die Alternative, wenn sie sich nicht mehr selbst hinters Steuern setzen wollen. Doch natürlich muss es attraktive Angebote geben. In Lindau wird jetzt ein Versuch gestartet. Immer samstags kostet ein Stadtbus-Ticket nur einen Euro. Solche Aktionen sind freilich nicht mehr als ein kleiner Anfang.
Doch man muss an noch mehr Schrauben drehen, um die Innenstädte zu retten. Kommunen haben die Aufgabe, Fußgängerzonen und Plätze ansprechend zu gestalten, damit die Menschen gerne in die Stadtzentren kommen. Hier ist im Allgäu auch schon einiges geschehen. Zudem sind Immobilienbesitzer gefragt: (Zu) hohe Mieten tragen nicht dazu bei, dass Händler in die Innenstädte drängen oder langfristig überleben können. Es ist schade, wenn fast nur noch Filialisten in den Zentren anzutreffen sind. Ein Schlüssel zur Lösung des Problems liegt logischerweise auch beim Handel. Die Kunden in den Innenstädten wollen heute mehr denn je ein Einkaufserlebnis geboten bekommen. Dazu gehört auch eine persönliche Ansprache und das Vermitteln des Gefühls, dass der Kunde wertgeschätzt wird. Dagegen ist gerade für viele kleine Ladenbetreiber der Ruf nach einer weiteren Ausdehnung der Öffnungszeiten wenig hilfreich. Sie stehen dann halt noch länger im Geschäft, ohne zwangsläufig mehr Umsatz zu machen.
Am Ende entscheidet der Verbraucher
Es wird ganz deutlich: Vieles muss angepackt werden, damit Innenstädte eine gute Zukunft haben. Der entscheidende Faktor wird aber immer der Verbraucher sein. Er hat es letztlich in der Hand, ob die Stadtzentren Stück für Stück veröden oder Stätten pulsierenden (Geschäfts)lebens sind. Die Innenstadt als Ort, wo Händler ihren festen Platz haben, wo man einkauft und sich gerne trifft: Das ist ein Kulturgut, das nicht untergehen darf.