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Voith schließt Werk trotz guter Zahlen

Sonthofen

Voith schließt Werk trotz guter Zahlen

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    Voith Turbo Sonthofen
    Voith Turbo Sonthofen Foto: Benjamin Liss

    Über den Plan des Voith-Konzerns, sein Werk in Sonthofen in einem Jahr zu schließen, schütteln viele den Kopf: 25 Prozent Umsatz-Plus machte der Standort im Geschäftsjahr 2018/2019, das jetzt am 30. September endete. Auch weitere Kennzahlen haben sich gegenüber den zwei Vorjahren erheblich verbessert. Zugleich gibt es Gerüchte, unter den Kunden hätten bereits namhafte Firmen dem Voith-Konzern angedroht, Neuaufträge zu stornieren, sollte der Standort Sonthofen wirklich dicht gemacht werden. Eben das Vorhaben hatte die Geschäftsführung am Montag angekündigt – wohl für die meisten Mitarbeiter völlig überraschend.

    Gestern hat der Konzern die Zahl der Betroffenen nach oben korrigiert: Zu den bisher gemeldeten 420 Arbeitsplätzen kommen in Sonthofen noch rund 40 Auszubildende dazu. Ob sie in der Region andere Jobs finden? Grundsätzlich sei der Markt noch aufnahmefähig, sagt Norbert Mack von der Agentur für Arbeit. Entscheidend sei, welche Qualifikationen die Menschen haben. Gerade sehr spezialisierte Mitarbeiter finden einen neuen Job nicht immer gleich um die Ecke.

    Nach den vorläufigen Geschäftszahlen machte das Sonthofer Werk im vergangenen Geschäftsjahr 97 Millionen Euro Umsatz – knapp unter dem 100-Millionen-Ziel. Das wird in der Konzernzentrale weder bestätigt noch dementiert („Wir kommunizieren keine Standortzahlen“), steht aber in einem internen Newsletter des Standorts. Auch der Auftragseingang erreichte demnach etwa die 100-Millionen-Euro-Marke. In dem Voith-Schreiben dankt Standortsprecher Christian Natterer den Mitarbeitern: „Diese Leistung haben wir durch ihr hohes Engagement mit vielen Überstunden, der Hilfe von Kollegen aus anderen Voith-Standorten und mit unseren Kollegen der Arbeitnehmer-Überlassung geschafft.“ Weiter heißt es, man habe Marktanteile zurückgewonnen und sei mit dem Wettbewerber, dem „weltweit führenden Hersteller von Turbogetrieben“, etwa gleichauf.

    Gerüchte, dass jetzt Kunden mit Stornierung von Aufträgen drohen, hat auch Betriebsratsvorsitzende Birgit Dolde gehört. Was dran ist, weiß sie noch nicht. Branchenkenner halten das allerdings für sehr glaubwürdig: Denn in Sonthofen entstehen auch Getriebe in Einzelfertigung, exakt ausgerichtet auf kundenspezifische Anforderungen. Konstruktion und Produktion im eng verzahnten Kundenkontakt ließen sich nicht einfach trennen und verlagern, heißt es. Dazu passt, dass die Sonthofer eben schon seit 1927 Getriebe bauen, der Voith-Konzern das BHS-Werk aber erst 80 Jahre später (2007) übernahm.

    „Da grummelt es mir nicht nur im Magen“, wundert sich Sonthofens Bürgermeister Christian Wilhelm über das Aus für einen offenbar gut wirtschaftenden Standort. Ihn stört auch die Vorgehensweise, erst gute Zahlen und eine solide Auftragslage zu vermelden, um dann wenig später die Mitarbeiter vor vollendete Tatsachen zu stellen. Und das ohne konkrete, tragbare Angebote. Man könne beispielsweise nicht von einer möglichen Weiterbeschäftigung „in der Region“ sprechen, wenn die nächsten Voith-Standorte in Ravensburg, München und Crailsheim seien. Wilhelm sieht die geplante Werksschließung in Sonthofen vor allem wegen der menschlichen Schicksale kritisch. Die vom Konzern vor Ort gezahlte Gewerbesteuer sei in Sonthofen nur von untergeordneter Bedeutung.

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