Im Memminger Bürgerstift kommt es zu einer kleinen, rührenden Begegnung am Rande, als Albrecht Wenzel Eusebius von Wallenstein samt Gefolge dem Seniorenheim einen Besuch abstattet: Die 107-jährige Bewohnerin Elisabeth Wallhäuser zeigt auf den weißen Kragen des Generalissimus und sagt, „den hab ich genäht und umhäkelt.“
Wallenstein zu Besuch im Seniorenheim
Natürlich hält dann Robert Junger, der diesmal den Wallenstein während Memmingens historischer Wallenstein-Woche verkörpert, einen kleinen Plausch mit der Dame, die 30 Jahre lang in der Nähstube des Fischertagvereins mitgeholfen hat, die 4000 Mitwirkenden mit originalgetreuen Kostümen auszustatten.
Es ist eine besondere Geste, dass Wallenstein außerhalb seiner beiden großen Lager in der Memminger Altstadt, wo er sich normalerweise aufhält, vor den Senioren auftritt. Die genießen im Innenhof des Bürgerstifts den Aufmarsch, die wehenden Fahnen, die Trommelwirbel und die kleine Rede Wallensteins sichtlich. Zum dank werden er, seine Leibwache und „Prinz Ulrich von Dänemark“, der sich dem Ausflug mit seiner Leibwache angeschlossen hat, an dem heißen Nachmittag mit kühlen Getränken und einer herzhaften Stärkung bewirtet.
Zwielichtige Gestalten warten auf eine Chance zuzuschlagen
Nichts davon bekommen allerdings ein paar zwielichtige Gestalten und ungebetene Gäste ab, die auf einmal wie aus dem Nichts aufgetaucht sind: Es sind Marodeure, die plündernden Nachzügler von Wallensteins Heer, verschrieen als gesetzlose Landplage und Geißel des Dreißigjährigen Krieges, während dem Wallenstein einst für fünf Monate Quartier in der Stadt genommen hat.
Und auch während der historischen Woche „Wallenstein 1630 in Memmingen“, in der über 4000 Bürgerinnen und Bürger diese Ereignisse nachspielen, folgen die Marodeure dem Feldherrn auf Schritt und Tritt. „Wir wissen immer, wo er ist, irgendwann schlagen wir zu“, sagt einer. Ihn zu entführen wäre natürlich der größte Triumph, aber sie würden sich auch damit zufriedengeben, eine Fahne oder sonstige Insignien des Generalissimus zu stehlen, um ihre Beute dann gegen ordentlich Bier wieder einzutauschen.
Generalissimus Wallenstein ist viel unterwegs und wird in jedem Lager mit viel Begeisterung begrüßt
Doch dafür müssten sie erst an Wallensteins Leibwache vorbeikommen, die ihn eigentlich nie aus den Augen lässt. Sie begleiten „Euer Liebden“, wie Wallenstein offiziell angesprochen wird, rund um die Uhr, egal wo er hingeht, nehmen ihn stets schützend in ihre Mitte, sobald er ihr eingezäuntes Lager in der Grimmelschanze verlässt. Etwa 40 Soldaten, darunter Trommler, Fahnenträger und Offiziere, gehören dazu, sowie Frauen und Kinder. Ein bisschen etwas von Wallensteins Glanz fällt natürlich auch auf seine Leibgarde ab – dafür bleibt ihnen wenig Zeit, das „normale“ Lagerleben zu genießen, weil „der Chef“ ziemlich viel unterwegs ist.

Schutztruppe passt rund um die Uhr auf Wallenstein auf
„Aber das macht richtig Spaß“, betonen seine Beschützer. Weil sie natürlich überall willkommen sind und mit offenen Armen empfangen werden – sofern ein Bote den Generalissimus vorher angekündigt hat. Denn egal, welche Gruppe er besucht (jede hat ihr eigenes kleines Lager aufgebaut), erwartet ihn ein großer Bahnhof. Kommandanten ziehen den Hut und machen Kniefälle, Musketiere feuern ihre Musketen ab, die Pikeniere – bei denen Junger normalerweise mitmacht – treten mit ihren Piken an oder das fahrende Volk zeigt ein paar Kunststückchen.

Wenn Wallenstein aufbricht aus dem Lager, stellt sich seine Schutztruppe in Reih und Glied, nimmt die Waffen auf und marschiert mit ihm im Mittelpunkt los. So wie an diesem Nachmittag: Da geht es von der Grimmelschanze durch die ganze Fußgängerzone bis zum Lager des „Tross Butler“ im Reichshain, mit Stopp im Seniorenheim. Die Menge teilt sich, wenn die Formation mit Fahnen und Trommeln anmarschiert, Handys werden gezückt, Kinder freuen sich, „da kommt der Wallenstein!“, hier und da klatscht jemand ehrfürchtig in die Hände.
Viel Applaus für Wallenstein beim Freilichttheater auf dem Memminger Marktplatz
Den meisten Applaus erntet der Friedländer aber jeden Abend im Wallenstein-Freilichttheater auf dem Memminger Marktplatz, in dem er die Hauptrolle spielt. Bis dahin muss er auch an diesem Tag fit bleiben, denn da ist höchste Konzentration gefragt. Die Premiere am Vorabend sei super gelaufen, erzählt Junger. Allerdings habe er nach der Premierenfeier kein Taxi mehr nach Hause bekommen – da waren alle Privilegien plötzlich wieder dahin.

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