„Ein Jäger aus Kurpfalz, der reitet durch den grünen Wald, der schießt sein Wild daher, gleich wie es ihm gefällt. Juja, juja, gar lustig ist die Jägerei.“ Wenn Paula Wölfle den Text des Volkslieds „Ein Jäger aus Kurpfalz“ hört, ist ihr ganz und gar nicht nach fröhlicher Festzeltstimmung zumute. Es stammt aus dem 18. Jahrhundert, seither habe sich viel verändert.
„Die Jagd ist kein Privatvergnügen und lustig schon gar nicht“, stellt die 64-Jährige klar, die selbst seit 20 Jahren aktive Jägerin ist. Heutzutage gehe es vor allem darum, den Wildbestand zu regulieren – auch weil es in der Region keine großen Beutegreifer wie den Wolf mehr gibt. Ein weiterer wichtiger Punkt sei, den Wald vor Verbissschäden zu schützen.

Welches Wild wird wann geschossen?
Im April beginnt das Jagdjahr, zeitgleich mit dem Landwirtschaftsjahr. Geschossen werden darf jetzt aber noch nicht. „Die Jagd fängt im Mai mit Schmalrehen und Rehböcken an, später folgen dann andere Wildarten wie zum Beispiel Hirsche, Raubwild und Kitze“, sagt Wölfle, die unter anderem Jagdpächterin in Krugzell (Kreis Oberallgäu) und in der Jägervereinigung Marktoberdorf für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Niemand könne jagen, wie es ihm gerade passt: Es gibt einen Abschussplan, an den sich die Jäger halten müssen und der regelmäßig überarbeitet wird.
Erstellt wird dieser von der unteren Jagdbehörde am zuständigen Landratsamt und wird vom Jagdbeirat genehmigt. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Vegetationsgutachten, auch Verbissgutachten genannt. Dabei wird stichprobenartig überprüft, wie viele Wildschäden es im Wald gibt, erläutert Wölfle. Auf dieser Basis werde dann festgelegt, wie viele Tiere erlegt werden müssen – damit das Ökosystem Wald geschützt ist.
„Wald mit Wild ist für mich der einzig praktikable Weg“
Beim Kreisjagdverband Kempten wurden die Quoten vergangenes Jahr „weitestgehend erfüllt“, hieß es bei der Hegeschau, die jüngst stattgefunden hat. Sie ist Pflicht, einmal im Jahr wird dort der präparierte Kopfschmuck unter anderem vom männlichen Reh- und Rotwild öffentlich ausgestellt. „Dabei kann man auch sehen, wie es um den Gesundheitszustand der Tiere steht“, sagt der zweite Vorsitzende Hannes Prestel. Denn überschüssige Energie schiebe das Wild ins Geweih. Während die bayerischen Jäger schon lange hitzig diskutieren, ob denn nur der Grundsatz „Wald vor Wild“ oder doch eher „Wild vor Wald“ gelten soll, hat Prestel eine klare Meinung: „Wald mit Wild ist für mich der einzig praktikable Weg.“
Trophäen oder Naturschutz: Was ist heutzutage das Ziel der Jägerschaft?
Doch nicht nur unter den Jägern selbst gibt es Debatten um die Ausrichtung der Jagd. „Für die einen schießen wir zu viel, für die anderen zu wenig, das war schon immer so“, sagt Wölfle. Die Tierschutzorganisation Peta beispielsweise bezeichnet die Jagd schlicht als „unnötig“. Sie sei aus „ökologischer und moralischer Sicht“ nicht zu verantworten. Weniger drastisch positioniert sich der Bund Naturschutz. „Die Jagd ist wichtig, um die Wildbestände in einem solchen Rahmen zu halten, dass die Wälder ohne weitere Schutzmaßnahmen bestehen können“, sagt Thomas Frey, Regionalreferent für Schwaben.
Dennoch müsse man grundsätzlich die Frage stellen: Was ist das Ziel der Jägerschaft? „Viele leisten einen wertvollen Beitrag für das Ökosystem. Es gibt aber auch diejenigen, die hauptsächlich an Trophäen interessiert sind und mit Gästen zum Vergnügen auf die Jagd gehen“, moniert Frey. Um aber überhaupt einen „kapitalen“ Hirsch schießen zu können, brauche man den entsprechenden Wildbestand, in dem ein solcher heranwachsen kann. „Mitunter ist dann zu viel Wild da, als dass es gut für den Wald wäre“, sagt Frey.
Jagd nach Trophäen - Kritik kommt von mehreren Seiten
Von der Jagd nach Trophäen hält auch Paula Wölfle wenig. „Als Jägerin habe ich eine Verantwortung für die Tiere und die Natur, die will ich erfüllen“, sagt sie. Dabei dürfe auch die Wertschätzung gegenüber dem Wild nicht zu kurz kommen. Zudem sei Wildfleisch ein hochwertiges Nahrungsmittel. Das verkaufen viele Jäger mittlerweile über die „Waldfleisch App“. Dort stellen sie ein, was gerade angeboten wird. Die Kunden können die Produkte dann online in ihren Warenkorb legen und machen einen Termin für die Abholung aus. „Das System ist nachhaltig“, sagt Wölfle. Und: „die Jagd ist kein Hobby. Ich habe einen Vertrag unterzeichnet und trage meinen Teil für eine gute Umwelt bei.“
Unsere monatliche Jagdserie: 159 Kreisgruppen und Jägervereine mit rund 50.000 Mitgliedern sind im Bayerischen Jagdverband aktiv. Viele davon kommen aus dem Allgäu. Doch längst nicht alle Menschen in der Region kennen die Aufgaben der Jäger, einige üben auch Kritik an deren Arbeit. In unserer neuen monatlichen Serie wollen wir das Jagdjahr beleuchten. Wann darf was geschossen werden, welche Rolle spielen Hunde bei der Jagd, wie verhält man sich bei Wildunfällen und was sagen Tierschützer? Der heutige Teil dreht sich rund um die Frage: Ist die Jagd noch zeitgemäß?