Ständig dieser nervtötende Lärm: Gerade in Ballungsräumen kann so mancher Bewohner von den Geräuschen der anderen gestört werden. Doch ab welchem Geräuschpegel gilt Lärm eigentlich als Belästigung? Ab wann dürfen gestresste Mieter oder Nachbarn die Polizei rufen? Unsere Redaktion hat anlässlich des Tags gegen Lärms bei Holger Stabik, Pressesprecher der Polizei Schwaben Süd-West, nachgefragt.
Er verrät, welche Mittel und Wege es für die Beamten gibt, für Ruhe zu sorgen, welche teils kuriosen Einsätze sie erleben und ob die Menschen im Allgäu schnell mit einer Anzeige zur Hand sind.
Lärm bei der Polizei melden: Ab welchem Geräuschpegel ist es Lärmbelästigung?
Ab wann und vor allem wie die Polizei wegen Lärmbelästigung einschreitet, ist laut Stabik von Fall zu Fall unterschiedlich. Eine feste Definition der Lärmbelästigung, nach der sich die Beamten richten, gebe es nicht. Immerhin sei das jedes Mal eine "subjektive Geschichte", was genau als zu laut definiert werde. Nicht bloß für die Beteiligten, sondern auch für die Polizei selbst: "Wir als Beamte können auch nur unsere subjektive Bewertung abgeben und danach handeln." Eine gesetzliche Ruhepflicht zwischen 22 und 6 Uhr gebe es nicht, das sei ein Mythos.
Eine Ausnahme gebe es allerdings.
Rasenmähen am Sonntag: Bis zu 50.000 Euro Strafe möglich
An Sonn- und Feiertagen seien bestimmte Aktivitäten aufgrund ihrer Lautstärke verboten. Als "Klassiker" führt Stabik Rasenmäher und Motorsäge an. Wer diese und ähnliche Geräte an genannten Tagen nutze, könne unabhängig von deren Lautstärke wegen Lärmbelästigung angezeigt werden.

Obendrein müssen Störenfriede, die am Sonntag rasenmähen, mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro rechnen. Das gibt der Bußgeldkatalog 2022 an. Derartige Geldstrafen werden allerdings nicht von der Polizei erteilt, sondern von den sogenannten "Verfolgungsbehörden", also den Städten und Landkreisen, informiert Stabik.
Anruf bei der Polizei wegen Lärm: So reagieren die Beamten im Allgäu
Gläser klirren, Korken knallen, es wird laut gelacht: Die Gartenparty bei den Nachbarn ist zu laut und man entscheidet sich dazu, bei der Polizei anzurufen. In solch einem Fall geht die Polizei laut Stabik den "Standardweg". Er sagt: "Zuerst fragen wir nach, ob das persönliche Gespräch bereits gesucht worden ist." Denn vor allem nachts und am Wochenende, wenn die Polizei ohnehin viel Arbeit hätte, würden solche Anrufe kommen. Falls ein Gespräch bereits stattgefunden habe, rücke die Polizei aus.
Im Beispiel der Gartenparty ermahne die Polizei die Menschen vor Ort zur Ruhe, erklärt der Pressesprecher. Müsse die Polizei dann nochmal kommen, gebe es eine Anzeige, welche die Beamten an die Verfolgungsbehörden weiterleiten.
Was kann die Polizei gegen Lärm tun?
Neben einer Anzeige kann die Polizei Platzverweise erteilen. Auch zu laute Geräte wie Radio und Fernsehen dürfen laut Stabik im Einzelfall von der Polizei mitgenommen werden. Ihre Besitzer könnten sie dann aber wieder auf der Dienststelle abholen.
Zur Not dreht die Polizei im Haus auch mal den Strom ab. Das seien aber "absolute Einzelfälle", betont Stabik.
Beamten erfahren teils kuriose Situationen wegen Lärmbelästigungen
"Man kann generell sagen: Es gibt nichts, was es nicht gibt", sagt der Polizist. Als kuriosen Fall hat er die Kuhglocken-Challenge an Silvester in Erinnerung. Wegen Corona hatten Allgäuer mit Schellen statt Raketen das neue Jahr gefeiert. Stabik bekam daraufhin die Anfrage, ob die Kuhglocken-Challenge zur Lärmbelästigung zähle. "Eine Anzeige kam aber nicht zustande", berichtet er.

So manche ebenso skurrile wie amüsante Situation erleben seine Kollegen zudem durch verliebte "Turteltäubchen", die die Polizisten "auch mal in flagranti erwischt haben." Das käme aber äußerst selten vor, sagt Stabik.
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Lärmbelästigung: Wie viele Anzeigen gab es im Allgäu?
Im Jahr 2021 verzeichnete die Polizei im Allgäu 107 Anzeigen. Um auf den Einstieg zurückzukommen: Wie viel zu lauter Sex nun darunter war, geben die Zahlen der Polizei nicht her, sagt Stabik. Warum jemand eine Anzeige wegen Lärmbelästigung stelle, sei in dieser Anzeigenstatistik nicht aufgelistet.
"2022 liegen wir derzeit bei 32", sagt Stabik. Im Vergleich zu Neu-Ulm und Illertissen seien die Zahlen aus 2021 in der Region damit deutlich niedriger. Der Allgäuer sei also "eher ruhiger", was Anzeigen anbelange. Stabik vermutet: "Das kommt wahrscheinlich daher, dass man sich in ländlichen Regionen noch eher kennt." Da falle es dann leichter, wegen Lärms das Gespräch zu suchen.
Lärm im Allgäu: Füssen und Memmingen 2021 Hotspots, dieses Jahr bisher Immenstadt Ausreißer
Wo gab es besonders viele Anzeigen wegen Lärmbelästigung im Allgäu? Die Hotspots aus 2021 entwickeln sich im aktuellen Jahr bisher positiv, so Stabik. In Immenstadt dagegen gebe es eine Zunahme an Beschwerden. Alle anderen Dienststellen meldeten einstellige Zahlen für 2021.
- Füssen: 2021: 22 Anzeigen. April 2022: 1 Anzeige.
- Memmingen: 2021: 22 Anzeigen. April 2022: 0 Anzeigen.
- Immenstadt: 2021: 9 Anzeigen. April 2022: 14 Anzeigen.
Im ganzen Allgäu rechnet Stabik über den Sommer jedoch mit einem Zuwachs der Anzeigen, wenn "die Menschen wieder mehr draußen sind."
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