Bundesweiter Warntag 2020: Am Donnerstag werden die Sirenen auch überall im Allgäu heulen.
Bild: Rolf Vennenbernd, dpa (Symbolbild)
Bundesweiter Warntag 2020: Am Donnerstag werden die Sirenen auch überall im Allgäu heulen.
Bild: Rolf Vennenbernd, dpa (Symbolbild)
Am Donnerstag heulen erstmals seit 30 Jahren überall im Bundesgebiet wieder die Sirenen. Im Rahmen des 1. bundesweiten Warntag werden am 10. September 2020 um 11 Uhr vormittags zeitgleich in allen 16 Bundesländern in den Landkreisen und Kommunen die Warnmittel ausgelöst.
Auch wenn es laut wird, besteht kein Grund zur Sorge. Es handelt sich um einen Probe-Alarm.
Aber durchaus nötig, meint das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn. Sein Präsident Christoph Unger sagt: "Wir glauben, dass es ungemütlicher werden wird." Stichwort Klimawandel. "Es gibt konkrete Erfahrungen, wie beispielsweise die Jahrhundertflut 2002 an der Elbe, die unzählbaren Starkregenereignisse der letzten Jahre." Sogar Erdbeben seien denkbar, etwa in der Kölner Bucht. Die Konsequenz der Katastrophenschützer: "Die Menschen müssen besser vorbereitet sein."
Der bundesweite Warntag, der in dieser Form zum ersten Mal stattfindet, soll die Bevölkerung über Warnungen in Notlagen sensibilisieren. Ziel ist, dass mehr Menschen wissen, wie sie sich nach einer Warnung verhalten sollen.
Im Allgäu testen dazu ab 11 Uhr die Kommunen und Städte ihre Warnkonzepte unter Einbindung aller vorhandenen Warnmittel. In erster Linie gehören dazu Sirenen-Alarm und -Signale und Durchsagen über Lautsprecher (Lesen Sie hier: Sirenen-Alarm in Kempten: Brandmeldeanlage am ZAK schlägt an). Auch Radio und Fernsehen können eine Probe-Warnung übermitteln.
Am Warntag werden zudem die Smartphone-Warn-Apps "Nina", "Katwarn" und "Biwapp" einen zentral vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe aktivierten Probealarm anzeigen. Bei Schadensereignissen können auf diese Weise schnell Informationen verbreitet werden.
Die Entwarnung wird auf gleichem Wege an die Bevölkerung übermittelt. Sie soll um 11.20 Uhr erfolgen.
Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Christoph Unger, rief dazu auf, sich unter anderem die Warn-App NINA auf das Smartphone herunterzuladen. "Am Warntag gehen wir bewusst an die Belastungsgrenzen der Warnungssysteme. Wir verzeichnen in den letzten Monaten auch einen sehr starken Anstieg bei der Warn-App. Derzeit liegen wir nach den neuesten Zahlen bei rund 7,6 Millionen Nutzerinnen und Nutzern in Deutschland. Im März waren es noch 6,1 Millionen."
Damit habe fast jeder Zehnte in Deutschland die App im Gebrauch - dies soll nach den Worten Ungers jedoch nur der Anfang sein. Möglichst jeder Smartphone-Nutzer sollte die schnelle "Warnung in der Tasche" bei sich tragen.
Auch das Landratsamt Lindau verweist auf die Probewarnmeldung, die mit der Warn-App NINA (Notfall-Informations- und Nachrichten-App des Bundes) am 10. September versendet wird. Die Sirenen im Westallgäu werden außerdem bei Firma Liebherr Aerospace in Lindenberg heulen, die sich an der Aktion beteiligen.
Der Landkreis Oberallgäu, der heute beim Probealarm nicht dabei ist, hat dazu ein anderes Verfahren. Laut Kreisbehörde wird im Oberallgäu „hauptsächlich still alarmiert“. Die zuständigen Einsatzkräfte werden über Taschenalarmgeräte in Kenntnis gesetzt. Die Bevölkerung erfährt jedoch ebenfalls über Funk und andere Kanäle, wie sie sich zu verhalten hat. Der Landkreis will künftig die Warnapp „Nina“ einführen, eine App des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die Warnmeldungen aufs Smartphone sendet.
Der bundesweite Warntag soll einen möglichst großen Teil der Bevölkerung ansprechen. "Die Sommerferien enden in allen Bundesländern spätestens im September. Somit ist am zweiten Donnerstag im September der größte Teil der Bevölkerung im alltäglichen Umfeld potentiell erreichbar", heißt es von der Bundesregierung.
Nach Beschluss der Innenministerkonferenz wird der bundesweite Warntag ab dem Jahr 2020 jährlich an jedem zweiten Donnerstag im September stattfinden.
Der Psychologe Andreas Hamburger von der International Psychoanalytic University Berlin hat den Einsatz von Sirenen an dem für diesen Donnerstag geplanten bundesweiten Warntag kritisiert.
"Die Menschen, die selber noch als Kinder Luftangriffe erlebt haben, sei es in Deutschland im Krieg, seien es Geflüchtete, die aus Kriegssituationen kommen, werden ganz unmittelbar und sehr intensiv mit Gefühlen von Panik auf solche Signale reagieren. So dass man sich schon die Frage stellen muss oder sollte: Ist es notwendig, und welchem wirklichen Zweck dient es denn, diese Reflexe bei Menschen, die solche Erfahrungen gemacht haben, zu triggern?", sagte der Psychologie-Professor der Deutschen Presse-Agentur.
Er erinnere sich aus seiner Kindheit selbst noch an die Luftschutzübungen des Kalten Krieges, die ihm immer einen Schauder über den Rücken gejagt hätten. "Ich verstehe nicht ganz, warum man diese Inszenierung braucht, jetzt so die gute alte Luftschutz-Sirene wieder auszumotten, denn heutzutage gibt es natürlich wesentlich effizientere und auch geräuschärmere Formen."
Die Bundesregierung begründe dies damit, dass die Bevölkerung sensibilisiert werden solle, doch so ganz leuchte ihm das nicht ein. "Wir machen ja auch keinen Tag der Müllabfuhr, um die Bevölkerung für die Abfallentsorgung zu sensibilisieren. Es kommt mir vor wie eine Art Demonstration."
Voraussetzung für eine solche Katastrophenübung wäre nach seiner Meinung eine umfassende vorherige Aufklärung der Bevölkerung, so dass wirklich niemand von dem plötzlichen Sirenenalarm überrascht werde. Der Informationsvorlauf vor dem Warntag sei aber nicht allzu lang gewesen.
Er frage sich auch, wer mit den gellenden Sirenen erreicht werden solle. Dabei könne es sich ja eigentlich nur um Menschen handeln, die fast keine mediale Anbindung hätten. Gerade diese Menschen - etwa Senioren - hätten dann aber auch nicht die Möglichkeit, sich darüber zu informieren, was eigentlich los sei. Sie könnten dann denken, dass es sich um einen Ernstfall handle.
Erstmals seit der Wiedervereinigung wird in Deutschland an diesem Donnerstag (ab 11 Uhr) ein bundesweiter Warntag abgehalten. Dabei sollen unterschiedliche Warnmöglichkeiten für den Katastrophenfall getestet werden, etwa Sirenen, Durchsagen per Lautsprecher, Mitteilungen über die sozialen Medien und Warn-Apps sowie digitale Werbetafeln. Der Probealarm beginnt um 11 Uhr. Um 11.20 Uhr soll die Entwarnung erfolgen.