Noch hat er nichts Schriftliches in Händen. Doch eine E-Mail des Landtagsvizepräsidenten Alexander Hold und die mündliche Versicherung der Petitionsausschuss-Vorsitzenden Stephanie Schuhknecht bestätigen die Entscheidung aus dem Innenministerium: Der seit vier Jahren in Lindau lebende Afghane Fereidon Azizi darf doch bleiben. Zumindest für die Dauer seiner Ausbildung zum Fachlageristen. Der 25-Jährige erhält eine Ausbildungsduldung. Wesentlich dazu beigetragen hat sein ehemaliger Deutschlehrer Wolfgang Sutter aus Niederstaufen.
Für Fereidon Azizi bedeutet es, dass er mit der praktischen Ausbildung bei der Firma Parrotta-Caffe beginnen kann, sobald die Zentrale Ausländerbehörde in Augsburg ihm die Ausbildungsduldung schriftlich bestätigt hat. „Und sie ihm wieder seinen Pass zurückgibt“, wie Sutter anfügt. Azizis künftiger Ausbildungschef habe ihn schon angerufen „und die Kollegen freuen sich, wenn ich endlich zurückkomme“, berichtet der 25-Jährige. Er hat ja bereits einige Zeit lang in der Firma gearbeitet und dort sein Faible für den Beruf des Fachlageristen entdeckt.
Aufatmen dürfen aber auch Mutter Sharifa und Schwester Farida. Nachdem im Sommer 2018 die Polizei den jüngsten Sohn Farid in der Früh abgeholt und die Behörden ihn nach Kabul abgeschoben hatten, waren die beiden Frauen wie in einer Art Schockstarre: „Ich wache jede Nacht auf und habe Angst, dass mein Bruder Fereidon auch abgeholt wird“, hatte Farida berichtet. Ihre Deutschkenntnisse zu verbessern, sei der jungen Afghanin deshalb immer schwerer gefallen.
Nun aber kann sie sich aber wieder intensiv um die Schule kümmern. Sie möchte Arzthelferin werden. Eine Aeschacher Praxis hat bereits signalisiert, dass sie dort eine Ausbildung machen kann. Auch die Mutter hofft, nun endgültig in Lindau Fuß fassen zu können: Sie lernt in der Kolping-Akademie Deutsch. Die Grundschullehrerin hat den Wunsch, in absehbarer Zeit den Nachwuchs in einem Kindergarten in Lindau oder der näheren Umgebung betreuen zu dürfen.
Ein weiterer Wunsch hat sich für die beiden Frauen übrigens erfüllt: Sie sind jetzt in Aeschach in eine Mietwohnung gezogen.
Nur eines trübt noch die Freude der Familie, die vor knapp 20 Jahren aus Afghanistan geflohen war, weil die Taliban sie bedroht hatten: das Schicksal des Jüngsten, Farid Azizi. Der hat sich nach seiner Abschiebung nach Kabul bis in die Türkei durchgeschlagen: „In Afghanistan haben wir keinerlei Familie mehr“, hat Fereidon Azizi seinerzeit gesagt. Sein mittlerweile 19-jähriger Bruder Farid sitze dort seit fast einem Jahr fest. Nur weil der große Bruder regelmäßig ein klein wenig Geld schickt, könne Farid dort überleben. Denn als Flüchtling dürfe der in der Türkei nicht arbeiten, sprich seinen eigenen Lebensunterhalt verdienen.
Das ruft nun Wolfgang Sutter wieder auf den Plan: Sobald Fereidon Azizi seine schriftliche Ausbildungsduldung hat, will Sutter dafür kämpfen, dass der jüngere Bruder trotz Abschiebung wieder zurück zu seiner Familie darf.