Corona

Landrat Stegmann befürchtet eine „absolute Notlage“ im Landkreis

In den Kliniken des Landkreises werden die Betten knapp. Und es fehlt Pflegepersonal.

In den Kliniken des Landkreises werden die Betten knapp. Und es fehlt Pflegepersonal.

Bild: Ralf Liendert (Symbolfoto)

In den Kliniken des Landkreises werden die Betten knapp. Und es fehlt Pflegepersonal.

Bild: Ralf Liendert (Symbolfoto)

Nach einem Austausch mit Verantwortlichen im Katastrophenschutz appelliert der Landrat, Kontakte zu vermeiden. Wen die überlasteten Kliniken um Hilfe bitten.
18.11.2021 | Stand: 17:47 Uhr

Seit Wochen macht Landrat Elmar Stegmann auf die sich verschärfende Corona-Lage im Landkreis aufmerksam. Jetzt hat er einen dringenden Appell an alle Bürgerinnen und Bürger verfasst. Die Lage sei so ernst wie noch nie in der Pandemie. „Ohne Maßnahmen steuern wir direkt in eine absolute Notlage“, so Stegmann laut einer Pressemitteilung des Landratsamts nach einem Online-Treffen der Verantwortlichen im Katastrophenschutz. So droht beiden Kliniken im Landkreis eine Überlastung. Sie fordern vor allem Intensivpflegekräfte im Ruhestand auf, sich zu melden.

Infektionszahl steigt immer weiter

Die Infektionen steigen im Landkreis seit Wochen massiv an. Tatsächlich sind die Zahlen noch höher, nimmt Landrat Stegmann an. Als Grund nennt er die Verzögerung, mit der die Labore die Ergebnisse von PCR-Tests übermitteln. Aktuelle Tests schlagen sich also erst mit Verzögerung in der Sieben-Tage-Inzidenz nieder. Stegmann bedauert, dass auf Bundes- oder Landesebene immer noch keine Maßnahmen getroffen wurden, „die die Infektionen nachhaltig eindämmen“. Die Ausrufung des Katastrophenfalls erleichtere zwar die Organisation von Patientenverlegungen oder den Wiederaufbau der Impfmöglichkeiten, verhindere aber keine einzige Infektion. Der Landrat sieht deshalb die Bürgerinnen und Bürger gefordert. Sie sollten „auf jeden unnötigen Kontakt“ verzichten, eine FFP2-Maske tragen und sich impfen lassen, falls das noch nicht geschehen ist.

So beurteilen die Fachleute verschiedener Bereiche die Lage:

  • Kliniken: Nach Angaben der Verantwortlichen sind die Betten in beiden Kliniken im Landkreis knapp. Zudem gehen die Prognosen von einer Verdoppelung der Patientenzahl innerhalb der nächsten zwei Wochen aus. Deshalb fordern Dr. Martin Hessz, Ärztlicher Leiter der Rotkreuzklinik Lindenberg, und sein Kollege in der Asklepios-Klinik Lindau, Dr. Fabian Heuser, Pflegekräfte auf, sich zur Unterstützung in den Kliniken zu melden. Das betrifft vor allem Intensivpfleger im Ruhestand. Auswirkungen hat die Lage auf Routineeingriffe: Sie werden nach Auskunft der Fachleute fast nicht mehr vorgenommen. Als „wenig zielführend“ stuft der Krisenstab die Einbeziehung von Pflegeheimen oder Privatkliniken ein. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fehlten die fachlichen Anforderungen an Intensivpflegekräfte.
  • Rettungsdienst: Die Lage beim Rettungsdienst im Landkreis ist „sehr herausfordernd, aber noch beherrschbar“. Das schildern Michael Fackler von der Integrierten Leitstelle Allgäu und Roman Gaißer vom Bayerischen Roten Kreuz. Insbesondere Intensivverlegungen seien sehr anspruchsvoll. Problematisch sei nicht nur die große Zahl an Verlegungen. Sie erfolgen oft auch in weiter entfernte Kliniken. Das binde zusätzliche Kapazitäten im Rettungsdienst. Hinzu kommen laut Gaißer und Fackler immer wieder krankheitsbedingte Personalengpässe. Der Rettungsdienst bittet deshalb die Bevölkerung dringend, ihn nur in Notfällen zu alarmieren.
  • Hausärzte: Die Praxen im Landkreis sind voll mit Patienten, die über Erkältungskrankheiten klagen. Das berichten Dr. Franz-Joseph Sauer, Vorsitzender des Gesundheitsnetzes Westallgäu, und Matthias Pfeifer von der Ärztegemeinschaft „AGiL“ in Lindau. Fast jede zweite Erkältung stelle sich derzeit als Corona-Infektion heraus. Auch Impfdurchbrüche bemerken die niedergelassenen Ärzte vermehrt – allerdings verliefen sie meist mild. Trotz Sonderschichten können die Praxen laut Sauer und Pfeifer die große Impfnachfrage nicht vollständig bedienen. In vielen Praxen sind die Impftermine bereits bis ins neue Jahr hinein vergeben. Engpässe gibt es im Bereich des Personals, unter anderem, da krankheitsbedingt Mitarbeiterinnen ausfallen. Bei den Auffrischungsimpfungen halten sich die niedergelassenen Ärzte laut Sauer und Pfeifer weiter an die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission und der Impfstoffhersteller. Davon weichen sie nur in „medizinisch begründeten Einzelfällen“ ab. Das führe zu vielen Diskussionen mit Patienten und binde Zeit, die „sowieso aktuell in den Praxen kaum vorhanden“ sei.
  • Polizei: Die Polizei wird ihre Kontrollen zur Einhaltung der 2G-Regel „massiv ausweiten“. Das kündigte Thomas Steur von der Polizeiinspektion Lindau an. Die Kontrollen sollen täglich erfolgen und zwar auch in Betrieben außerhalb der Gastronomie.