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Wenn das Risiko hoch ist

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Wenn das Risiko hoch ist

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    Menschen mit Diabetes gehören zur Corona-Risikogruppe. Bei ihnen ist die Gefahr größer, sich eine Infektion einzufangen. Auf unserem Bild misst eine Patientin ihren Blutzucker-Wert.
    Menschen mit Diabetes gehören zur Corona-Risikogruppe. Bei ihnen ist die Gefahr größer, sich eine Infektion einzufangen. Auf unserem Bild misst eine Patientin ihren Blutzucker-Wert. Foto: Foto: afp

    „Hi, wir sind’s. Die Risikogruppe“, postete jüngst Raul Krauthausen auf dem sozialen Netzwerk Instagram. Der an der Glasknochen-Krankheit leidende Aktivist forderte dazu auf, ein Foto von sich hochzuladen und damit der von Corona besonders bedrohten Gruppe ein Gesicht zu geben. Viele Menschen aller Altersklassen beteiligten sich. Denn sie und ihre behandelnden Ärzte sehen sich zurzeit einer doppelten Herausforderung gegenüber: Einerseits müssen die Patienten weiterhin gut versorgt und andererseits vor einer Ansteckung geschützt werden.

    Ein „Corona-Hochsicherheitstrakt“ sei derzeit das Medizinische Versorgungszentrum Dres. Heigl, Hettich in Kempten. Zumindest nenne es so der Hygienearzt und Virologe, der die Fachpraxis betreut, sagt Dr. Franz Heigl. Er und seine Kollegen behandeln Diabetiker sowie Menschen mit Herz- und Gefäßerkrankungen und Spenderorganen. Viele von ihnen zählen zur Corona-Risikogruppe. Patienten mit einer Spender-Niere etwa bekommen dauerhaft Medikamente, die ihr Immunsystem unterdrücken, sodass das Organ nicht vom Körper abgestoßen wird, erläutert Heigl. Das Risiko, sich eine Infektion einzufangen, ist dadurch höher. Ähnlich gefährdet sind Dialyse-Patienten, deren Nieren den Körper nicht mehr ausreichend entgiften können. Dreimal pro Woche müssen sie in der Praxis erscheinen. „Genau die Patienten, die wir gerne in Quarantäne hätten, müssen herkommen“, sagt Heigl.

    Wie berichtet, hat die Praxis eine Schleuse am Eingang eingerichtet, in der jeder Patient und jeder Mitarbeiter sich einem „Corona-Screening“ unterziehen muss. Wer Symptome hat, werde nicht weggeschickt, betont Heigl. „Diese Patienten bedürfen ja dringend ärztlicher Hilfe.“ Derjenige werde in Schutzkleidung gehüllt, in einem separaten Raum behandelt – und auf Corona getestet. „Wir müssen aufpassen, dass wir trotz der berechtigten Sorge um die Ausbreitung des Virus nicht medizinisch notwendige Leistungen unterlassen.“ Angst in Vertrauen umwandeln, sei das Ziel. Das verfolgt auch Sandra Zumpfe vom Bundesverband der Organtransplantierten. Selbst herz- und nierentransplantiert, leitet sie die Regionalgruppe München-Augsburg, zu deren Einzugsgebiet das Allgäu gehört. „Wir hätten in drei Wochen ein Treffen, das wir absagen müssen“, sagt sie. Dazu gehe ein Brief an die Mitglieder raus mit Informationen zum Coronavirus. „Uns ist wichtig, sinnvolle Empfehlungen zu geben.“ Dabei greift sie auf das Robert-Koch-Institut und die Medizinische Hochschule in Hannover zurück, eines der größten Transplantationszentren in Deutschland. „Daheim bleiben“ sei die oberste Devise. Ist aber ein Arztbesuch notwendig, rät sie, vorab den Ablauf abzusprechen.

    Absolutes Betretungsverbot herrscht in den Wohnheimen der Lebenshilfe Ostallgäu. Dort leben viele Menschen mit Down-Syndrom, die ebenfalls zur Corona-Risikogruppe gehören. „Weil die Werkstätten geschlossen sind, sind die Wohnheime am Überlaufen“, sagt Johanna Zwick, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Sonst habe es nur vereinzelt Tag-Dienste gegeben, jetzt brauche es eine 24-Stunden-Betreuung. Damit das funktioniert, hilft das Personal aus den Werkstätten aus. „Derzeit haben wir einen 14-tägigen Schichtrhythmus mit fixen Teams, die sich beim Wechsel nicht begegnen“, sagt Zwick. Auf diese Weise soll das Übertragungsrisiko kleiner werden. Die Bewohner können entscheiden, ob sie im Wohnheim bleiben oder zu ihren Familien fahren wollen. Allerdings gilt: Wer zu seiner Familie geht, darf danach nicht wieder ins Wohnheim zurückkehren.

    Genau abwägen

    In den Kliniken des Klinikverbunds Allgäu beschränken sich die Ärzte derzeit auf das Notwendigste, sagt Sprecherin Kirsten Boos. Es gehe bei jeder Behandlung darum abzuwägen, welches Risiko das größere ist: sich mit dem neuartigen Coronavirus zu infizieren oder gesundheitlich Schaden zu nehmen. Dieses Abwägen sei jedes Mal eine Einzelfallentscheidung. „Vor allem bei Krebspatienten muss das Risiko sehr genau abgewogen werden.“

    Das Gesundheitsamt der Stadt Memmingen beurteilt das ähnlich: „Je schwerer die Erkrankung, umso unverzichtbarer ist die Therapie.“ Risiko-Patienten rät das Amt, sich im Alltag mit besonderer Aufmerksamkeit zu schützen, also unnötige Kontakte zu meiden, nicht selbst einkaufen zu gehen oder auch mehrmals am Tag die Hände sehr gründlich zu waschen. „Das Händewaschen ist unspektakulär, aber sehr effektiv.“

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