Dicke Bäckchen, ein süßes Stupsnäschen und große Kulleraugen: Das Baby des Allgäuer Fußballprofis Mario Götze haben mittlerweile wohl Tausende Menschen gesehen. Dank mehrerer Post auf der Instagram-Seite seiner Frau Ann-Kathrin kennen unzählige User das Gesicht des kleinen Rome – und das obwohl der Götze-Nachwuchs wohl noch nicht einmal Social Media kennt.
Was Stars und Influencer vormachen, ahmen auch immer mehr Menschen im eigenen Bekanntenkreis nach: Sie posten Fotos ihrer Kinder auf Social Media. Dieses sogenannte „Sharenting“ (ein zusammengesetzter Begriff aus „to share“ (teilen, verbreiten) und „parenting“ (Elternschaft)) ist jedoch nicht nur rechtlich problematisch, sondern kann auch zur Gefahr für die Kinder werden.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Mi amigo 💙 Ein Beitrag geteilt von 𝑨𝒏𝒏-𝑲𝒂𝒕𝒉𝒓𝒊𝒏 (@annkathringotze) am Okt 4, 2020 um 9:41 PDT
Auch Kinder haben Persönlichkeitsrechte
„Wenn Eltern ihre Kinder in nahezu allen erdenklichen Situationen fotografieren und solche Bilder hochladen, verletzen sie damit die Persönlichkeitsrechte des Kindes“, schreibt die Gewerkschaft der Polizei auf ihrer Webseite. Dabei sind wohl viele Eltern einfach nur stolz auf ihre Kinder und wollen das mit dem Bekanntenkreis teilen. Doch wann werden Foto-Postings des Nachwuchses in den sozialen Netzwerken problematisch?
„Es kommt darauf an, ob der Account beschränkt oder öffentlich zugänglich ist“, sagt Holger Stabik, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West. Wenn ein Account auf einer Social-Media-Plattform öffentlich ist, müssen die Menschen, die auf dem Bild zu sehen sind, einwilligen, bevor ein Foto von ihnen gepostet wird.
Einwilligung durch die Eltern vs. Recht am eigenen Bild?
Bei Minderjährigen müssen Eltern dem Posting zustimmen. Wenn die Eltern ein Foto ihres eigenen Kindes auf einem Social-Media-Profil veröffentlichen, geben sie sich folglich selbst die notwendige Einwilligung.
Je nach Alter und Einsichtsfähigkeit reicht es jedoch nicht aus, wenn nur die Eltern zustimmen. Dann ist auch die Einwilligung des Kindes gefragt, sagt Stabik. Denn das Recht am eigenen Bild steht jedem Menschen zu und hängt nicht vom Alter ab. Laut dem Polizeisprecher haben Kinder die nötige Einsichtsfähigkeit, wenn sie einschätzen können, was das Posting von Fotos bedeutet. Kurz gesagt: Sobald die Kinder verstehen, was so ein Bildpost bedeutet und welche Konsequenzen er haben kann, muss der Nachwuchs um Erlaubnis gefragt werden. Vorher dürfen Eltern das Foto nicht im Internet veröffentlichen.
Meist wird davon ausgegangen, dass Kinder ab dem vollendeten 14. Lebensjahr die Konsequenzen solcher Foto-Postings verstehen können. Spätestens ab diesem Alter müssen Eltern ihre Kinder also fragen, ob sie ein Bild von ihnen in den sozialen Netzwerken posten dürfen.
Gesicht unkenntlich machen reicht nicht immer
Und wie sieht es aus, wenn man das Gesicht des Kindes auf dem Bild unkenntlich macht? Laut Holger Stabik reicht das in manchen Fällen nicht aus, da man das Kind auch anhand von beispielsweise Kleidung oder auch der Umgebung identifizieren kann.
Wenn Eltern zudem Fotos ihrer Kinder veröffentlichen, auf denen der Nachwuchs weitestgehend unbekleidet oder gar nackt ist, ist das Persönlichkeitsrecht des Kindes erst recht in Gefahr. Der Polizeisprecher rät daher, solche Postings nicht zu machen. „Hier appellieren wir besonders an die Vernunft der Eltern.“
Wenn Kinderbilder in die falschen Hände geraten
Wer Bilder des eigenen Kindes in den Sozialen Netzwerken postet, läuft Gefahr, dass sie in die Hände der falschen geraten: Pädophile zum Beispiel. „Pädophil geneigte Personen suchen explizit auch solche Bilder, um sich daran zu ergötzen“, sagte Thomas-Gabriel Rüdiger, Cyberkriminologe an der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg einst im Gespräch mit unserer Redaktion.
„Ich würde die Bilder nur denen zur Verfügung stellen, denen ich auch meine Kinder anvertrauen würde.“ Für Rüdiger betreffe das nur das direkte Umfeld. „Meine Familie und vielleicht mein engster Freundeskreis.“ Private WhatsApp-Gruppen seien kein Problem, bei anderen Plattformen fordert er schlicht: „Keine Kinderbilder posten.“
Völlig auf das Posten von Kinterfotos zu verzichten, mag vermutlich nicht für jeden in Frage kommen. Rüdiger wünscht sich aber zumindest Maßnahmen, um das Netz für Kinder sicherer zu machen. Man müsse über eine Regelung nachdenken, die festlegt, dass man Kinderbilder erst posten darf, wenn die Kinder ein bestimmtes Alter erreicht haben. Noch lieber als ein Verbot wäre dem Cyberkriminologen jedoch, „wenn die Eltern sich überzeugen ließen“.
Eltern sollten auf sozialen Netzwerken ein Vorbild sein
Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei fragen viele Eltern ihre Kinder nicht, bevor sie Fotos von ihnen auf Instagram, Facebook und Co veröffentlichen. „Dabei haben die Eltern als Erwachsene eine zentrale Vorbildfunktion für die Kinder und sollten ihnen einen verantwortungsvollen Umgang mit persönlichen Daten im Internet vermitteln“, heißt es weiter von der Gewerkschaft. „Sonst machen sich die Kinder später ebenfalls kaum Gedanken über Privatsphäre und Datenschutz.“
Auch das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) rät von schnellen Kinderfoto-Posts auf Social Media ab und macht Eltern mit den Kampagnen „#ErstDenkenDannPosten“ und „#DenkenFragenPosten“ darauf aufmerksam. Damit möchte das DKHW „Eltern Wege aufzeigen, einen verantwortungsvollen Umgang mit Kinderfotos in der Familie zu finden.“
- Denken: Zeigt das Foto etwas Persönliches oder Privates, das eigentlich nicht ins Internet gehört?
Eltern sollten erst überlegen, wie sie ihr Kind zeigen wollen. Schließlich können durch ein Foto auch sehr persönliche und private Details preisgegeben werden. Oft finden Kinder auch peinlich, was Erwachsene süß finden.
- Fragen: Wurde das Kind gefragt, ob ihm das Foto gefällt und es geteilt werden darf?
Eltern sollten ihre Kinder immer erst fragen, bevor sie ein Foto des Nachwuchses veröffentlichen. Die Kinder haben ein Recht darauf mitzubestimmen. Außerdem ist es wichtig, mit dem Kind darüber zu sprechen, was es bedeutet, ein Foto im Internet zu teilen. Wenn das Kind nicht will, dass ein Foto von ihm gepostet wird, sollten die Eltern dieses Nein akzeptieren.
- Posten: Wenn alle Folgen überdacht wurden, kann gepostet werden.
Eltern sollten darüber nachdenken, wie viele Menschen das Foto vermutlich sehen werden. Ist ein Foto einmal online, kann es leicht weiterverbreitet werden. Eltern sollten die Privatsphäre-Einstellungen ihrer Accounts so anlegen, dass nur Freunde und Bekannte Zugriff auf die Fotos haben.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Kennt ihr schon unseren GIF-Sticker für die Instagram Stories? Damit könnt ihr allen zeigen, dass ihr euer Kind vorm Posten eines Fotos gefragt habt und es damit einverstanden ist! Tippt einfach in der Instagram-Story-Funktion auf den Smiley-Post-it oben rechts. Um den Sticker zu finden, gebt ihr im Suchfeld einen der folgenden Begriffe ein: #denkenfragenposten #vonmeinemkindgenehmigt #dkhw Ein Beitrag geteilt von Deutsches Kinderhilfswerk e.V. (@deutscheskinderhilfswerk_e.v) am Nov 26, 2019 um 3:06 PST
Eine ausführliche Checkliste zum Posten von Kinderfotos finden Sie hier.
Darf man also gar keine Kinderfotos mehr posten?
Laut dem Deutschen Kinderhilfswerk gehören Kinder zur Gesellschaft dazu und das soll auch auf Social Media zu sehen sein. Wichtig sei aber, dass von den Eltern verantwortungsvoll entschieden wird, welche Fotos im Internet landen. Das betreffe nicht nur das Risiko, „dass Kinderbilder für pädophile Zwecke missbraucht werden könnten, sondern auch Fotos, die den Kindern später möglicherweise unangenehm oder gar peinlich sein könnten“, heißt es von Seiten des Kinderhilfwerks.
Bei ElternTalks Medienkonsum besprechen
„Man sollte sich als Elternteil vor jedem Post genau überlegen, was man preisgeben möchte“, sagt auch Julia Decker, Sozialpädagogin der Stadt Kempten. Doch was kann man auf Social Media bedenkenlos von sich und seinen Kindern zeigen, und wo wird eine Grenze überschritten?
Solche und weitere Fragen zum Medienkonsum werden bei den ElternTalks besprochen und diskutiert. Die Gesprächsrunden sind ein bayernweites Projekt und werden auch im Allgäu von Moderatoren organisiert und angeleitet. Im lockeren Rahmen können sich Eltern dabei untereinander austauschen. „Der Umgang mit Social Media wird auch bei den ElternTalks immer mehr zum Thema“, sagt Decker.
Im Allgäu finden die Treffen regelmäßig in Kempten und Kaufbeuren sowie im Landkreis Unterallgäu statt. Wer an einem ElternTalk teilnehmen und Erfahrungen mit anderen Eltern austauschen möchte, kann sich beim jeweiligen Koordinator melden.
Julia Decker, Stadtjugendamt Kempten, Telefon: 0174/1507394
Alexandra Beck, Familienstützpunkt Hand in Hand / St. Peter und Paul im Haken, Telefon: 08341/9082383
Ludmilla Peil, Stadt Kaufbeuren / Abteilung Kinder, Jugend und Familie, Telefon: 08341/437657
Lisa Hofmann, Landratsamt Unteralllgäu, Telefon: 0173 /8546781