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Wie Phantom-Schildkröte Lotti die halbe (Medien-)Welt in Atem hielt

Vor 7 Jahren

Wie Phantom-Schildkröte Lotti die halbe (Medien-)Welt in Atem hielt

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    Lotti, die Schildkröte aus dem Oggenrieder Weiher, hielt vor sieben Jahren die halbe (Medien-)Welt in Atem. Ob es das Tier tatsächlich gab, ist bis heute unklar. Gefunden wurde Lotti nie - trotz aller bunten Berichte.
    Lotti, die Schildkröte aus dem Oggenrieder Weiher, hielt vor sieben Jahren die halbe (Medien-)Welt in Atem. Ob es das Tier tatsächlich gab, ist bis heute unklar. Gefunden wurde Lotti nie - trotz aller bunten Berichte. Foto: Mathias Wild

    Ach, was waren das für Zeiten damals. "Corona" war 2013 nur der Name für ein dünnes Bier. Der US-Präsident, in Deutschland sehr beliebt, kam nach Berlin und stieß mit der Kanzlerin auf gute Freundschaft an. Und der FC Bayern München wurde endlich wieder Deutscher Meister. Alles plätscherte mehr oder weniger friedlich vor sich hin.

    Und dann kam Lotti. Vielleicht.

    Genau sieben Jahre ist es her, als sich im Oggenrieder Weiher bei Irsee ein Achtjähriger beim Baden schwer am Fuß verletzte. Der Bub aus Nordrhein-Westfalen war körperlich bald wieder genesen und damit hätte die Sache eigentlich erledigt sein können.

    Doch es kam anders. Wissenschaftler schlossen nämlich nicht aus, dass der Biss einer Schildkröte mit kräftigen Kiefern die Wunde des Kindes verursacht haben könnte. Vielleicht ein ausgesetztes Tier? Damit jedenfalls begann ein beispielloses Medienspektakel. Reporter aus der halben Welt berichteten plötzlich aus Irrsee, beobachteten die ebenso fieberhafte wie vergebliche Suche nach dem möglicherweise existierenden Vieh.

    "Schildkröte beißt Jungen" titelte damals die Süddeutsche Zeitung, hielt sich ansonsten aber noch strikt an die Unschuldsvermutung. "Ein bissiges Reptil soll sein Unwesen in einem Weiher im Ostallgäu treiben", berichtete das Blatt. Soll.

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    Foto: Screenshot/AZ/Archiv

    Andere Medien wurden da schon deutlicher. Dass es Alligator-Schildkröte "Lotti" geben muss, war für sie so gut wie klar. Die Frage war nur, wo sich Lotti möglicherweise versteckt hält. Vielleicht habe sie sich im Schlamm vergraben, mutmaßte Focus Online:

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    Foto: Screenshot/AZ/Archiv

    Tatsächlich ließ die Gemeinde Irsee den See nämlich trockenlegen, setzte sogar eine Fangprämie aus. Lotti ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen, wie die Rheinische Post feststellte:

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    Foto: Screenshot/AZ/Archiv

    Wer würde den Wettstreit gewinnen, Mensch oder Schildkröte? Das wurde in den nächsten Tagen zu dem Thema im Sommerloch. "Kameras belauern Lotti", titelte der Nachrichtensender n-tv. "Obwohl das Tier nun auf dem Trockenen sitzt, hält es sich noch immer im Schlamm verborgen", waren sich die Reporter sicher. Und ergänzten schadenfroh, dass das nicht lange so bleiben würde: "Doch Lotti hat nicht mit dem Einfallstum der Menschen gerechnet":

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    Foto: Screenshot/AZ/Archiv

    Dumm nur: Lotti war der Einfallsreichtum der Menschen völlig egal. Denn die gefährliche Schnappschildkröte, die von Tag zu Tag - zumindest in den Medien - gefährlicher wurde, dachte gar nicht daran, sich blicken zu lassen.

    Und so zog sich die Suche nach dem "Beiss-Monster vom Badesee" (20min.ch) ergebnislos dahin:

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    Foto: Screenshot/AZ/Archiv

    Ja, auch die internationalen Medien wurden allmählich aufmerksam auf die ungeheuerlichen Ereignisse im beschaulichen Allgäu. "Deutsche jagen Schildkröte nach Angriff auf Buben", meldete die britische BBC:

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    Foto: Screenshot/AZ/Archiv

    Und selbst Fox News in den USA berichtete über Irsee und seine Schildkröte. Ob Donald Trump die Berichterstattung des Senders damals schon so intensiv verfolgte wie heute, ist allerdings unbekannt.

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    Jedenfalls: Auch Wochen später fehlte von dem Raubtier weiter jede Spur - trotz neuer Fangversuche, wie die Salzburger Nachrichten im Oktober vermeldeten:

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    Und so blieb es auch. Fast verzweifelt klangen inzwischen die Schlagzeilen. "Noch immer keine Spur von Alligator-Schildkröte Lotti", stellte Rosenheim24 im Folgejahr 2014 fest.

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    Foto: Screenshot/AZ/Archiv

    Auch die Exklusivmeldung der Bild im Juni 2014, wonach Schildkröte Lotti einfach nur in einen anderen Weiher umgezogen sei, erwies sich eher als Ente, denn als Schildkröte:

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    Foto: Screenshot/AZ/Archiv

    Und so ist das vermeintliche Monster aus dem Oggenrieder Weiher bis heute ein Phantom. "Was wurde aus Lotti, der Alligatorschildkröte?", fragte in den Folgejahren nicht nur der Spiegel.

    Die traurige Wahrheit ist: Wir wissen es nicht. Nur Lotti selbst könnte vielleicht Auskunft geben.

    Lotti war auf Anfrage unserer Redaktion nicht erreichbar.

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