Ein Wolfsriss im benachbarten Landkreis Weilheim-Schongau hat auch im Allgäu für Aufregung gesorgt.
Bild: Sebastian Gollnow, dpa (Symbolbild)
Ein Wolfsriss im benachbarten Landkreis Weilheim-Schongau hat auch im Allgäu für Aufregung gesorgt.
Bild: Sebastian Gollnow, dpa (Symbolbild)
Vor einigen Wochen hat ein Wolf im benachbarten Landkreis Weilheim-Schongau ein Schaf gerissen. Besonders auffällig dabei: Der Wolf muss das Tier am Morgen gerissen haben, als es bereits hell war. Zudem soll er das Schaf nur etwa 20 Meter von einem Wohnhaus entfernt gerissen haben. Das berichtete der Münchner Merkur und auch unsere Redaktion schrieb über den Fall. Mittlerweile fordert der Vorstand des Bayerischen Schafhalterverbandes in einem Bericht des Bayerischen Rundfunks, den Schutzstatus des Wolfes zu senken und ihn zum Abschuss freizugeben.
Der Wolf sorgt auch immer wieder für Zündstoff im Allgäu. Unter dem Facebook-Post der Allgäuer Zeitung über den Wolfsriss im Landkreis Weilheim-Schongau finden sich über 2000 Kommentare. Dabei blieben auch Fragen offen, die wir hier beantworten möchten.
Im "Bayerischen Aktionsplan Wolf" des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) ist der Umgang mit dem Wolf geregelt. Zudem gibt es dort Informationen zur Biologie und Vorkommen der Tiere.
Wölfe sind demnach überwiegend in der Dämmerung und in der Nacht aktiv. Nach Angaben des LfU gehöre es allerdings zum "normalen Verhalten", wenn Wölfe auch tagsüber zum Beispiel von Gebäuden aus gesichtet werden.
Der Wolf ernährt sich laut LfU sowohl von Aas als auch von kleinen Wirbeltieren und großen Huftieren. Bei den Wildtieren jage der Wolf vor allem Rehe, Rotwild und Wildschweine.
Bei den Nutztieren seien kleine Wiederkäuer wie Schafe und Ziegen besonders gefährdet. Aber auch landwirtschaftliches Gehegewild könne gerissen werden. Welche Nutztiere der Wolf reißt, sei auch abhängig von der regional vorherrschenden Viehhaltung. Es könne sogar vorkommen, dass der Wolf Rinder - überwiegend Kälber - oder Pferde reißt.
Aber nicht nur durch die Tötung gefährde der Wolf die Nutztiere. Ein Wolf könne die Herde auch beunruhigen und dadurch Panikreaktionen hervorrufen, bei denen sich die Tiere verletzen können oder gar durch einen Absturz sterben.
Übergriffe von Wölfen auf Menschen sind sehr selten. Laut einer aktualisierten Studie zu Wolfsangriffen auf Menschen des Norwegischen Instituts für Naturforschung (NINA) hat es zwischen den Jahren 2002 und 2020 in Europa insgesamt acht Wolfsangriffe auf Menschen gegeben, keiner davon endete tödlich. Die erfassten Angriffe waren in Polen (4), Kroatien (1), Nordmazedonien (1), Kosovo (1) und Italien (1). Zudem soll ein Wolf im Jahr 2020 in Italien und im Jahr 2019 im Kosovo versucht haben, Kinder zu beißen, wurde aber in die Flucht geschlagen.
Nach Angaben des Bundesumweltministeriums gibt es drei Ursachen, die dazu führen können, dass ein Wolf Menschen angreift: Tollwut, Provokation und Futterkonditionierung. Da die Tollwut in Deutschland seit 2008 als ausgerottet gilt, sei hierzulande die am ehesten mögliche Ursache für einen Wolfsangriff eine starke Gewöhnung an den Menschen verbunden mit der Futterkonditionierung. Futterkonditionierte Wölfe würden sich aufgrund von positiven Reizen wie dem Füttern für die Menschen interessieren und aktiv ihre Nähe suchen. Nähere sich ein futterkonditionierter Wolf einem Menschen, werde von diesem aber nicht gefüttert, könne er aufdringlich, dreist und im schlimmsten Fall sogar aggressiv werden.
Wenn Sie einem Wolf begegnen, empfiehlt das LfU folgende Verhaltensweisen:
Herdenschutzmaßnahmen sind in Bayern ein zentrales Element des Wolfsmanagements. Zur Wirksamkeit von Herdenschutzmaßnahmen schreibt das LfU Folgendes: "Die Erfahrungen anderer Länder, insbesondere im Alpenraum, (...) zeigen, dass Maßnahmen zum Schutz von Nutztierherden grundsätzlich wirksam sein können." Herdenschutzmaßnahmen könnten zwar die Zahl der Übergriffe "wesentlich reduzieren", diese aber nicht vollständig verhindern.
Wenn ein Nutztier von einem Wolf gerissen wurde, gebe es in der Regel nur dann einen Schadensausgleich "wenn der Nutztierhalter die angesichts der gegebenen und erkennbaren Schadenswahrscheinlichkeit angemessenen und zumutbaren Präventionsmaßnahmen ergriffen hat", schreibt das LfU.
Allerdings würden Herdenschutzmaßnahmen den Aufwand für Nutztierhalter erhöhen. Es entstünden dadurch zusätzliche Kosten und Arbeitsaufwand. Regionale und topografische Gegebenheiten sowie die Herdenstruktur könnten zudem beeinflussen, wie wirksam oder wie gut die Maßnahmen umsetzbar sind. Es könne Fälle geben, in denen solche Schutzmaßnahmen trotz aller Bemühungen nicht möglich oder zumutbar sind.
Ob Präventionsmaßnahmen möglich sind, prüfe eine paritätisch besetzte Bewertungskommission aus Vertretern der Landwirtschafts- und Umweltverwaltung. Dabei werden auch die betroffenen Nutztierhalter einbezogen. Im Ober- und Ostallgäu gibt es bereits Weideland, das als "nicht zumutbar schützbar" eingestuft wurde. Das heißt, dass die Nutztierhalter im Falle eines Wolfsrisses Ausgleichszahlungen erhalten, auch wenn sie zuvor keine Herdenschutzmaßnahmen ergriffen haben.
(Lesen Sie auch: Bergbauern-Vertreter fordert: „Der Schutzstatus des Wolfes muss herabgesetzt werden“)
Wölfe leben laut LfU in der Regel in Rudeln zusammen. Diese setzen sich als Familienverband aus den Elterntieren und wechselnden Mitgliedern nachfolgender Wolfsgenerationen zusammen. Die Größe des Territoriums des Wolfsrudels sei abhängig von der verfügbaren Nahrung. In Polen seien die Reviere der Wolfsrudel zwischen 150 und 350 Quadratmeter groß. Die Territorien der überwachten Rudel in der Oberlausitz (Sachsen) erstreckten sich über 250 Quadratmeter.
Mit dem Erreichen der Geschlechtsreife im Alter von etwa zehn bis 22 Monaten (ein bis zwei Jahre) verlassen die Jungwölfe das Rudel und suchen alleine nach einem Paarungspartner und einem eigenen Territorium. Dabei könnten vor allem junge Rüden weite Strecken von mehreren hundert Kilometern zurücklegen.
Nach Angaben der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) gibt es in Deutschland im Monitoringjahr 2021/22 225 bekannte Wolfsterritorien. Es gibt Nachweise für 161 Rudel, 43 Paare und 21 territoriale Einzeltiere. In 145 Wolfsrudeln wurde Reproduktion nachgewiesen, es gibt in Deutschland insgesamt 550 bestätigte Welpen. In folgenden Bundesländern kommen Wölfe vor:
In Bayern gibt es im Monitoringjahr 2021/22 insgesamt drei Rudel, ein Paar und zwei territotiale Einzeltiere. In drei Rudeln wurde Reproduktion nachgewiesen, insgesamt sechs Welpen sind bestätigt. Im Allgäu ist ein territoriales männliches Einzeltier mit der Kennung GW999m registriert. Über diesen hat unsere Redaktion schon mehrfach berichtet. Der Wolf lebt im Bereich der Allgäuer Alpen, tritt aber grenzüberschreitend auch in Vorarlberg in Österreich auf (Stand: 28. November 2022).
(Lesen Sie auch: Wolf reißt Hirschkalb bei Görisried - Sorge im Ostallgäu)