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Abenteuer auf hoher See

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Abenteuer auf hoher See

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    Fünf Tage hat Kai Vogel auf dem russischen Viermaster "Sedov" angeheuert.
    Fünf Tage hat Kai Vogel auf dem russischen Viermaster "Sedov" angeheuert. Foto: Carsten Rehder
    Hoch hinaus geht's für Kai Vogel. Auf den Mast der Sedov.
    Hoch hinaus geht's für Kai Vogel. Auf den Mast der Sedov. Foto: Kai Vogel

    50 Meter über den Planken. Vor Kap Hoorn im Orkan. Die Baumwolle klebt am Körper. Kälte lähmt jede Bewegung. Wie sich die jungen Kadetten in der Takelage wohl gefühlt haben mussten. In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, mit der damaligen Ausrüstung? Die Sedov hat vielen jungen Anwärtern das Fürchten, vor allem aber Respekt gelehrt. An sie dachte Kai Vogel, als er selbst im Mast der Sedov hing, mal in den gähnenden Abgrund, mal in den unendlichen Horizont starrte. „Wenn man seinen inneren Schweinehund überwindet, kann man das sogar genießen“, sagt er.

    Vogel (50) hat auf dem Segelschulschiff der russischen Handelsmarine angeheuert. Fünf Tage reichten ihm für unvergessliche Eindrücke von den gigantischen Ausmaßen des weltgrößten Traditionsseglers in Betrieb, dem Zusammenhalt der 200 Matrosen. Darunter nautische Offiziere, Maschinisten, Funker und Fischereispezialisten. Männer und Frauen, die oft monatelang zusammen arbeiten und auf der Sedov ihr erstes seemännisches Praktikum absolvieren. Ein Teil der Kojen ist für Landratten reserviert, die sich als Trainees einbuchen, Rost- und Schrubbarbeiten eingeschlossen. „Es ist einfach faszinierend, sich mit diesem gewaltigen Schiff oft CO 2-neutral fortzubewegen“, sagt Vogel, „mit dem Wind und Muskelkraft zu arbeiten und dabei sogar Spaß zu haben.“

    Veteran der Weltmeere

    Die Sedov gilt als größtes noch segelndes Traditionsschiff. Vier Masten und mehr als 4000 Quadratmeter Segelfläche, 120 Meter Länge und 15 Meter Breite – das sind die beeindruckenden Daten der 1921 gebauten stählernen Bark mit Hilfsmaschine, benannt nach dem russischen Marineoffizier und Polarforscher Georgi Jakowlewitsch Sedov. Einst lief sie als Magdalene Vinnen II in Kiel vom Stapel. Der Veteran der Weltmeere war Frachtschiff und Filmstar: 2005 hatte sie ihre Hauptrolle in dem Fernsehfilm „Der Untergang der Pamir“. Die Sedov fährt heute als Segelschulschiff im Auftrag der Staatlichen Technischen Universität Kaliningrad für die russische Fischereiflotte. Ausgebildet werden dort Berufsseeleute aller Sparten.

    Der Trip, den sich Vogel zum 50. Geburtstag schenken ließ, führte den studierten Hydrogeologen von Warnemünde um Dänemark herum nach Hamburg. 1200 Kilometer Meerluft und Wellengang, Anpacken, Alltag mit den Lehrlingen zur See, ständig die Seglerregel „Eine Hand für das Schiff, eine Hand für dich“ im Kopf. Sprich: immer irgendwo festhalten. Und einer dramatischen Rettungsaktion in der Nordsee eingeschlossen. Bei Windstärke 7 holte eine Helikopterbesatzung eine Verletzte mit inneren Blutungen von Bord.

    Ganz unbedarft ging Vogel nicht an Bord. Der gebürtige Hamburger, der beim Unternehmen SEBA Hydrometrie in Neugablonz arbeitet, ist selbst Segler, Eigentümer eines Katamarans im Ammersee und hochseeerfahren. „Die Sedov ist kein Kreuzfahrt- oder Passagierschiff“, sagt Vogel. „Es gibt kein Freizeitprogramm für die Gäste, wenn man von den fantastischen Sonnenuntergängen absieht.“ Und auch keine Bar, denn Alkohol ist an Bord streng verboten. Dafür reichlich russische Hausmannskost. Für ihn bewahrheitete sich damit ein alter Seemannspruch: „Die wichtigsten Menschen an Bord sind der Kapitän und der Koch.“

    Auf dem Segelschiff packen alle mit an
    Auf dem Segelschiff packen alle mit an Foto: Kai Vogel

    Vogel war jedoch angesichts des kulturellen Programms der Mannschaft überrascht, das von Tänzen über Musizieren bis zum Vortragen von Gedichten reichte. Tauziehen gehört natürlich auch zum Sportprogramm. „Die Arbeit an Deck und in der Takelage war zeitweise hart“, sagt Vogel mit Blick auf die Schwielen an seinen Händen – Segel setzen und einholen zählen dazu, Rost klopfen, malen, Messing polieren und das Deck waschen. Bei der Arbeit in der Back immer die schweren Vorsegelblöcke im Blick, die aus gutem Grund „Witwenmacher“ heißen. Mut koste das Aufentern, erzählt Vogel. Eine Hand und einen Fuß nach dem anderen, Hände in Bauchhöhe. Immer gilt: Nur an den Wanten festhalten, niemals an den hölzernen Stegen. Wenn es um 23 Uhr „Lights out“ hieß, war nach einem harten Tag ohnehin längst Ruhe im Schiff.

    Der Norddeutsche aus dem Allgäu weiß bereits, dass er wieder einmal auf der Sedov einchecken wird. „Vielleicht mit meiner Gattin“, sagt er. Denn wenn es auf den Schiffslautsprechern „All hands on deck“ dröhnt, wird zwischen Männern und Frauen kein Unterschied gemacht.

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