Kühe werden in dem Video von Mitarbeitern eines landwirtschaftlichen Großbetriebs in Bad Grönenbach im Unterallgäu mit einer Eisenstange traktiert und an einem Traktor durch den Stall geschleift. Die Vorwürfe wiegen schwer, ein Vereinsmitarbeiter spricht von einer „besonderen Rohheit und Brutalität der Hof-Mitarbeiter“. Auch das Unterallgäuer Veterinäramt rückt in den Fokus. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, der Landwirt schweigt. Hier gibt es alle Hintergründe zum aufsehenerregenden Fall.
Dieser Großbetrieb ist außergewöhnlich in jeder Hinsicht. Etwa 1.800 Milchkühe hält der Landwirt aus Bad Grönenbach, dazu sollen nach Schätzungen von Insidern noch mindestens 1.000 Jungtiere kommen. Im gesamten Freistaat gibt es laut Landwirtschaftsministerium nur fünf Betriebe mit mindestens 500 Kühen. Jetzt ist der Bad Grönenbacher Landwirt aber nicht wegen solcher Zahlen, sondern wegen eines mutmaßlichen Tierskandals in die Schlagzeilen geraten.
In einem Video, das die „Soko Tierschutz“ in Umlauf gebracht hat, sind verstörende Bilder zu sehen. Friedrich Mülln als Vertreter dieses Vereins spricht von einer „besonderen Rohheit und Brutalität der Hof-Mitarbeiter“. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen den Unterallgäuer Großbauern aufgenommen.
„Die Tiere werden mit Eisenstangen und einem spitzen Gegenstand geschlagen, getreten, an den Ohren gezogen, mit einer an einem Traktor befestigten Klammer durch die Gegend geschleift“, schildert Mülln einige Inhalte des Videos. Eine präzise Antwort darauf, wie der Augsburger Verein an diese Aufnahmen gekommen ist, gibt er nicht: „Das haben wir von anonymen Quellen erhalten und anschließend überprüft.“ In dem Video sehe man „Kühe, die nicht mehr gehen können, sich selbst überlassen sind, kein Wasser und Futter bekommen und keine medizinische Versorgung – bis zu neun Tage lang“, schüttelt Mülln den Kopf.

Landrat Hans-Joachim Weirather stellt sich vor Mitarbeiter und droht mit Anzeige
Die Vorgänge in Bad Grönenbach würden auch „kein gutes Licht auf die Schlagkraft“ des Unterallgäuer Veterinäramtes werfen, moniert der Vertreter der „Soko Tierschutz“. Dies weist Landrat Hans-Joachim Weirather entschieden zurück: Gegen Aussagen, Mitarbeiter des Landratsamtes würden vor Kontrollbesuchen gezielte Vorwarnungen herausgeben, werde er „mit allen mir zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln vorgehen“, heißt es in einer am Dienstagabend verschickten Pressemitteilung.
In dem mutmaßlichen Tierskandal hat jetzt die Memminger Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufgenommen. Bei der Behörde sei eine Anzeige eingegangen, sagt Oberstaatsanwalt Johann-Peter Dischinger. Die Staatsanwaltschaft überprüft nun, ob Verstöße gegen das Tierschutzgesetz vorliegen. In so einem Fall seien auch Freiheitsstrafen theoretisch möglich, sagt Dischinger. „Eine schnelle und lückenlose Aufklärung“ fordert Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU). „Für nachgewiesene Straftaten fordere ich harte Strafen, die auch abschreckend wirken sollen – Tierschutzverstöße sind nun mal keine Kavaliersdelikte.“
Bauernverband: nicht hinnehmbar
Eine ähnliche Reaktion kommt vom Bayerischen Bauernverband (BBV): Verstöße, wie sie in Medienberichten geschildert würden, seien „weder hinnehmbar noch in irgendeiner Art und Weise zu entschuldigen“. Landwirtschaftsministerin Kaniber wehrt sich allerdings auch dagegen, dass „solche Fälle zum Anlass genommen werden, alle Tierhalter zu verunglimpfen“.
Ein früherer Berufskollege kennt den Unterallgäuer Landwirt seit vielen Jahren. Er hat mitbekommen, wie der Betrieb in den vergangen 20 Jahren gewachsen ist und inzwischen mehrere Standorte umfasst. Und er war bei dem Großbauern zu Besuch. „Da hatte ich den Eindruck, dass er die Kühe gut behandelt. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, dass auf dem Hof möglicherweise gegen Tierrecht verstoßen wird.“ Der Landwirt, gegen den jetzt ermittelt wird, will sich gegenüber der Allgäuer Zeitung nicht zu den Vorwürfen äußern.
Strenge Kontrollen gefordert
Das Bayerische Verbraucherschutzministerium hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine unangekündigte Sonderkontrolle des Betriebs durch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) sowie das Landratsamt angeordnet. „Ein grob tierschutzwidriger Umgang des Personals mit den Tieren konnte dabei nicht festgestellt werden“, sagte eine Sprecherin gestern. Am Montag habe eine weitere unangekündigte Betriebskontrolle begonnen.
Der Deutsche Tierschutzbund stufte die Vorgänge im Unterallgäu gestern als „besonders schwerwiegenden Tierschutzverstoß“ ein. Er forderte eine Überarbeitung gesetzlicher Rahmenbedingungen, speziell der Vorgaben zu Haltung, Transport und Schlachtung der Tiere. „Dies beinhaltet auch strenge, häufige Kontrollen.“
Für Letzteres seien die Weichen schon Anfang 2018 gestellt worden, heißt es beim Verbraucherschutzministerium: Seitdem gibt es eine Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. 70 neue Stellen wurden dafür geschaffen, weitere 20 wurden vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit verlagert. Um auch die Landratsämter zu stärken, fehle aber ein Landtagsbeschluss.