Im Mai 2015 spürt Jürgen Kaiser urplötzlich starke Schmerzen im Brust- und Herzbereich. Ihm wird schwarz vor Augen. Dann sackt er auf seinem Bett im Schlafzimmer zusammen. Der Arzt wird später einen Herzinfarkt diagnostizieren.
Kaiser erzählt, dass er für etwa eine halbe Stunde das Bewusstsein verlor - und in eine andere Welt vordrang. In dieser Phase habe er "Momente von unglaublicher Schönheit" erlebt.

"Es war, als ob ich aus meinem Körper heraustrete und mich selbst von oben sah. Alles war hell und warm. Ich sah Lichtstraßen voller Menschen, die vernügt auf ein wunderbar, scheinendes Zentrum zuliefen. Ich sah die Schönheit von Landschaft und Tieren. Den Frieden unter allen Kreaturen. Jegliches Raum- und Zeitgefühl war verloren. Ich wollte nicht mehr weg."
Für Kaiser war es die zweite Nahtod-Erfahrung. Drei Jahre zuvor hatte er ein ähnlich aufwühlendes Erlebnis. Der Diabetiker vergaß seine Insulin-Spritze zu setzen. Im Bad erlitt er einen Schwächeanfall, knallte mit dem Kopf gegen die Toiletteschüssel und lag mehrere Stunden bewusstlos in einer Blutlache. Auch damals wähnte er sich in einem paradiesischen Ort - und er hörte eine tiefe, warme Stimme, die ihm den Weg wies.
"Für mich war es Gottes Stimme. Ich hätte so eine Erfahrung früher nie für möglich gehalten. Ich bin seinerzeit aus der Kirche ausgetreten", sagt der Diplom-Physiotherapeut. Die Stimme habe ihn beide Male auch zurück ins Leben geschickt. "Du hast eine Aufgabe", habe sie ihm gesagt. "Du musst den Menschen erzählen, dass sie keine Angst vor dem Tod haben müssen. Die Seele lebt weiter."
Nach diesen spirituellen Erlebnissen begann Kaiser zu malen - und später Bücher darüber zu schreiben. Ihr esoterischer Inhalt erklärt sich wohl einzig und allein ihm selbst. Er verpürt einen inneren, fast schon missionarischen Drang. Was andere darüber denken, ist ihm egal. "Wenn Menschen, mit etwas konfrontiert sind, was sie nicht kennen, blocken sie ab. Das ist ganz normal."
Andererseits steht er mit seinen Nahtod-Erfahrungen längst nicht allein da. So veröffentlichte der amerkanische Gehirnchirurg Eben Alexander 2012 nach einem eigenen Grenzerlebnis zwischen Leben und Tod den Bestseller: „Proof of Heaven: A Neurosurgeon’s Journey into the Afterlife“ (hierzulande als „Blick in die Ewigkeit“ erschienen). Ähnlich wie Kaiser spricht er von einem unglaublichen Energieschub, das die Erlebnisse in ihm auslösten. In einem Interview bekannte der Wissenschaftler aber auch, dass die "Verschiebung der Wahrnehmung" im realen Leben auch Schwierigkeiten mit sich bringe. Vereinfacht gesagt: Was er erlebte (oder zu erleben glaubte), bleibt selbst wohlgesonnenen Menschen ein verstörendes Rätsel, von dem sie als Dauer-Thema irgendwann aber auch genug haben...
Hirn-Tsunami - das sagt ein Wissenschaftler

Bleibt die Frage nach einer wissenschaftlichen Einordnung des Phänomens. Mögliche Antwort: Hirn-Tsunami! Diesen Begriff bringt der Berliner Neurologen Prof. Jens Dreier ins Spiel (ein ZDF-Video über ihn und seine Arbeit siehst Du hier). Zusammen mit Forschern aus den USA hat er weltweit die Hirnaktivitäten von Sterbenden aufgezeichnet und ausgewertet.
Etwa drei bis fünf Minuten nach einem Herzstillstand verzeichneten die Forscher starke elektrische Veränderungen im Hirn von Sterbenden. Die Rede ist von einer Riesenwelle, die durch das Gehirn der Patienten braust und Nervenzellen tötet.
Dreier hält es für möglich, dass genau diese Welle Phänomene wie die Lichterfahrungen hervorruft, über die Menschen mit Nahtod-Erfahrungen - genau wie Jürgen Kaiser - häufig berichten.
Bis zu einem gewissen Zeitpunkt ist die Welle reversibel: Die Nervenzellen können sich erholen, wenn die Durchblutung rechtzeitig einsetzt.
Bei Jürgen Kaiser ist genau das offenbar zwei Mal geschehen. Bei seinem Herzinfarkt 2015 und bei seinem schweren Unfall im Bad zwei Jahre zuvor. Allerdings glaubt er nicht daran, dass ihm sein Gehirn in den lebensbedrohlichen Situationen etwas "vorgegaukelt" hat.
Für ihn sind die Nahtod-Erfahrungen vielmehr real. Er sagt: "Irgendwann wird jeder von uns dorthin kommen, wo ich schon war. Und dann wird jeder erkennen: Es ist wunderschön dort."