Ein kurzes Kommando, eine Geste oder sogar nur ein Blick von Annalena Fichtl genügt – und ihre Hündin "Ice" weiß, was zu tun ist. Blitzschnell windet sie sich durch Slalomstangen, überspringt Hindernisse oder flitzt durch einen Stofftunnel. Gekonnt meistern die beiden jeden Agilty-Parcours.
Bei der Hundesportart geht es darum, dass der Vierbeiner so schnell wie möglich, fehlerfrei und in vorgegebener Reihenfolge einen Hindernisparcours überwindet (mehr dazu unten). Der Hund fetzt, der Hundeführer zeigt ihm verbal und mit Körpersprache den Weg, ohne ihn oder die Hindernisse zu berühren.

Was sich im ersten Moment kompliziert anhört, ist in Wahrheit ein Riesenspaß für Tier und Mensch. "Es entwickelt sich eine unglaubliche Bindung", sagt Annalena – und wer sie und "Ice" beobachtet, erkennt sofort: Die vierjährige Hündin folgt ihr sprichwörtlich "blind". Dieses Zusammenspiel bescherte ihnen gemeinsam mit Trainerin Cordula Geretshauser vom IRJGV Leutkirch und Teamkameradin Larissa Polz den dritten Platz bei der deutschen Mannschaftsmeisterschaft in Lübbecke/Nordrhein-Westfalen. Über 45 Teams waren angetreten. Ein riesiger Erfolg, denn Annalena und "Ice" bestritten in diesem Jahr ihre erste komplette Wettkampfsaison überhaupt.
Auf Agility wurde die Unterallgäuerin im Internet aufmerksam. Dort und in Büchern hat sie sich ihr ganzes Wissen über Hunde angeeignet – und dabei macht Annalena so schnell niemand was vor. "In meiner Familie hatten wir schon immer Hunde. Mit 13 wollte ich meinen eigenen und habe mich schlau gemacht, welche Rasse für mich in Frage kommt." Aufmerksam, treu, personenbezogen, bewegungsfreudig und schlau sollte er sein – Eigenschaften, die perfekt auf einen Australian Shepard passen. Bei einer Züchterin in Reutlingen fand sie "Ice".
"Einen Hund kauft man nicht einfach so. Man sollte sich vorher erkundigen und einige Tests machen, ob man wirklich zusammenpasst", rät die Hundeexpertin. "Australian Shepards sind anfällig für Augenkrankheiten und Gendefekte, deshalb niemals ohne Papiere kaufen", weiß Annalena. Und: Der Hund muss sofort erkennen, wer der Chef ist. "Ich habe sie gleich nach dem Kennenlernen auf den Rücken gelegt, um zu sehen, ob sie gehorcht."
Ohne mit der Wimper zu zucken, spricht die 18-Jährige davon, den Hund zu "unterwerfen". Wer nun glaubt, das sei zu streng, begehe schon den Kardinalfehler in der Hundeerziehung: "Ohne Konsequenz und Durchhaltevermögen geht nichts. Ein Hund braucht einen Rudelführer, an dem er sich orientieren kann", sagt die Unterallgäuerin. "Wer lasch ist, tut ihm nichts Gutes – im Gegenteil!"
Am Anfang musste sie sogar hart dafür kämpfen, um von "Ice" als "Boss" akzeptiert zu werden. "Mein Papa ist für Hunde der geborene Rudelführer. Sie hat sich früh in seine Richtung orientiert, bis ich ihm zeitweise sogar verboten habe, ihr etwas zu sagen. Ich musste ihr lernen, mir zu gehorchen…"
Sitz! Platz! Bleib! Sieh hier Annalenas Tricks für den "Hausgebrauch":
Geholfen hat dabei das gemeinsame Erlebnis Agility. Bei den "Allgäuer Hundepfoten" in Leutkirch ist Annalena inzwischen selbst Trainerin für die Spaß- und Anfänger-Gruppe. "Zu uns kann jeder kommen, der Lust hat, mit seinem Hund etwas zu machen. Die einzigen Bedingungen: Der Hund sollte sich sozial verhalten und nicht auf andere losgehen. Und: Agility eignet sich nicht für die ganz großen Hunde, weil es auf die Gelenke geht. Mit einer deutschen Dogge sollte man sich etwas anderes überlegen", sagt sie lachend.
Für Annalena und "Ice" aber gilt: Mit Platz drei bei der Deutschen Meisterschaft soll noch lange nicht Schluss sein! Über den Winter wird weiter fleißig trainiert, ab nächstem Frühjahr geht es wieder fast jedes zweite Wochenende auf Wettkämpfe. "Mein Ehrgeiz ist groß, weil ich merke, dass es die perfekte Beschäftigung für sie ist. Sie wird immer besser – inzwischen muss ich sogar aufholen und lernen, ihr noch mehr zu vertrauen. Sie macht das", sagt die Unterallgäuerin über ihre Hündin.
Ein Leben ohne Agility wäre für "Ice" wohl nicht mehr denkbar – genauso wie für Annalena ein Leben ohne Hunde nicht in Frage käme. Aktuell absolviert die 18-Jährige ihre Ausbildung zur Erzieherin an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Kempten. Ihr Traumberuf später? "Ich könnte mir vorstellen, in die tiergestützte Therapie zu gehen. Gerne würde ich auch Assistenzhunde ausbilden." Ein Job, der wie maßgeschneidert für sie scheint...
Für alle Hundehalter empfehlen wir wärmstens Annalenas Tipps für den Hausgebrauch (Video oben). Damit es mit dem "Sitz!" doch noch was wird... :-)
Agility-Wettkämpfe - darum geht's:
Bei
Agility
nach den Regeln des Internationalen Rasse-Jagd-Gebrauchshundeverbands (IRJGV) gibt es eine "Mini"- und eine "Maxi"-Klasse. In letzter starten alle größeren Hunde über 43 Zentimeter Schulterhöhe – so wie Annalenas "Ice".
Ein
Wettkampf
besteht aus zwei Läufen. Im
A-Lauf
gibt es bis zu 22 Hindernisse und Kontaktzonengeräte wie Wippe, Steg oder Schrägwand. Sie haben Farbmarkierungen, die der Hund mit mindestens einer Pfote berühren muss. Ansonsten bekommt er Strafpunkte. Über die Einhaltung der Regeln wacht ein Leistungsrichter, der auch die benötigte Zeit für den jeweiligen Lauf misst. Wer mit den wenigsten Fehlern am schnellsten durchkommt, liegt vorne.
Beim
B-Lauf
, als Jumping bezeichnet, gibt es keine Kontaktzonengeräte, sondern Hürden und Slalomstangen. Hier kommt es eher auf die Geschwindigkeit an. Die Gesamtwertung aus beiden Läufen entscheidet über das Endergebnis.
Die
süddeutschen Titelkämpfe
, bei denen sich Annalena als Fünfte im Einzel für die Deutschen Meisterschaften qualifizierte, wurden in diesem Jahr an neun Wochenenden ausgetragen.
Voraussetzung
für die Teilnahme an offiziellen Agility-Wettbewerben ist die bestandene
Begleithundeprüfung
, die Annalena mit "Ice" im vergangenen Jahr mit der Note "sehr gut" meisterte.