Es gibt, so scheint es, an diesem Tag eigentlich nur Verlierer in der bayerischen AfD-Landtagsfraktion - und das Fiasko war auch abzusehen: Die beiden Vorsitzenden Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn überstehen am Mittwoch zwar ein Misstrauensvotum, bleiben im Amt. Doch ihr vermeintlicher Sieg ist vor allem eine Niederlage: Die Vorsitzenden haben nun, schriftlich und per Abstimmung bestätigt, die Mehrheit der Fraktion gegen sich.
AfD in Bayern: Fraktionsvorsitzende haben Mehrheit der Fraktion gegen sich
12 der insgesamt 20 AfD-Abgeordneten hatten vor wenigen Tagen einen Abwahlantrag unterschrieben, gegen die beiden Vorsitzenden und den stellvertretenden parlamentarischen Geschäftsführer Ferdinand Mang. In anderen Parteien und Fraktionen wäre das ein Grund für einen freiwilligen Rücktritt. Doch Ebner-Steiner und Hahn denken nicht daran und kämpfen - formal erfolgreich: In der Fraktionssitzung bleibt es bei exakt diesen 12 Stimmen - 14 wären aber nötig gewesen, eine Zwei-Drittel-Mehrheit, so sehen es die AfD-Regularien vor.
Dabei sah es zwischenzeitlich so aus, als seien die 14 Stimmen beisammen. Dem Bayerischen Rundfunk lag nach eigenen Angaben eine Liste mit 14 Unterzeichnern vor. Zwei davon springen in der geheimen Abstimmung dann wieder ab - und sichern Ebner-Steiner die Macht.
Wohl zwei Abweichler
Am Dienstag um 22.30 Uhr seien noch 14 Namen auf der Liste gestanden, bestätigt der Rosenheimer Abgeordnete Franz Bergmüller, seit langem einer der erbittertsten Widersacher Ebner-Steiners. Zusammen mit seinen Fraktionskollegen Markus Bayerbach und Josef Seidl wirft er zwei anderen, Roland Magerl und Stefan Löw, vor, den Abwahlantrag erst unterschrieben und dann das Gegenteil behauptet zu haben.
Ebner-Steiner und Hahn geben sich nach dem formal überstandenen Misstrauensvotum unbeirrt. "Es gibt immer ein Auf und Ab", sagt Hahn und unterstellt den zwölf Gegnern: "Es geht möglicherweise auch um persönliche Interessen." Er wolle aber nach bestem Wissen und Gewissen weiterarbeiten - bis zum Ende der Amtszeit im Herbst 2021. "Ich bin auch ganz zuversichtlich, dass wir das gut schaffen werden."
Ebner-Steiner: Unruhe in der AfD bundesweit
Ebner-Steiner argumentiert, es befinde sich ja bundesweit die ganze Partei in Unruhe - das schwappe auch nach Bayern. Man sei aber nicht zur privaten Nabelschau hier - es gehe nun allein um die Sacharbeit.
Offen lassen beide aber, wie die künftige Zusammenarbeit innerhalb der Fraktion aussehen soll, angesichts der nun zementierten tiefen Gräben. Wie soll eine Fraktion arbeiten können, wenn die Vorsitzenden nicht mehr die Mehrheit der eigenen Abgeordneten hinter sich haben?

Ebner-Steiner weicht auf die Frage wiederholt aus. Dann spricht sie von einer "Momentaufnahme". Deshalb gebe es die Zwei-Drittel-Sperre. Sie wolle in der Pfingstzeit nun mit allen einzeln sprechen. "Wir werden uns bemühen, mit unseren Abgeordneten in Kontakt zu treten."
Auf Rücktrittsforderungen, die mehrere Abgeordnete unmittelbar nach der Abstimmung über den Abwahlantrag stellen, geht sie im Übrigen nicht ein. Die Fraktion geht am Ende tief zerstritten auseinander.
Tiefe Gräben und erbitterter Machtkampf
Müsste sich die Fraktion nun nicht logischerweise spalten? Problem für mögliche Abtrünnige ist: Sie können dann keine neue Fraktion mehr bilden - das schließt die neue Geschäftsordnung des Landtags aus. "Ich hoffe, dass wir alle zusammen bleiben", sagt Ebner-Steiner. Aber auch ihre Gegner machen am Mittwoch keine Anstalten, auszutreten.
Dabei hatte die AfD-Fraktion seit ihrem Einzug in den Landtag quasi durchgängig mit internem Streit für Schlagzeilen gesorgt. Es gab zwei Fraktionsaustritte und schon viele erbitterte Machtkämpfe und Intrigen. Der bisherige Höhepunkt vor der jetzigen Krise: Im vergangenen Sommer stellten mehrere Abgeordnete Strafanzeige gegen Ebner-Steiner, wegen der Veröffentlichung privater E-Mails. Ende September wurde die Niederbayerin, die stets zum rechtsnationalen "Flügel" der AfD zählte und eine Vertraute des AfD-Rechtsaußens Björn Höcke ist, dann dennoch im Amt bestätigt - in der Sitzung waren aber nur zwölf Abgeordnete anwesend. Zum Co-Chef wurde Hahn gewählt. Der Dauerstreit war damit aber nicht beigelegt, sondern schwelte weiter.
AfD-Politiker Franz Bergmüller: "Es wird eisig"
Aber was waren die Hintergründe für den jetzigen Abwahlantrag? Da geht es drunter und drüber. Es sei jedenfalls kein Machtkampf zwischen den einstigen "Flügel"-Leuten und dem Rest gewesen, sagt einer. Tatsächlich richtete sich der Antrag ja auch nicht gegen alle Mitglieder des Fraktionsvorstandes, beispielsweise nicht gegen den Hardliner Christoph Maier, den parlamentarischen Geschäftsführer. Mangelnde Professionalität werfen Kritiker Ebner-Steiner schon lange vor, dass sie kein Interesse an einer geordneten Zusammenarbeit habe.
Die Gräben scheinen nicht mehr zu kitten. "Wie will ein Vorstand gegen die Fraktion die Fraktion führen?", fragt der Münchner Uli Henkel. Es scheine manchen eben nicht um die Partei, die Fraktion oder das Land zu gehen, "sondern offensichtlich um sich selbst".
Bergmüller sagt deshalb voraus: "Es wird eisig." Die 12er-Gruppe stehe jedenfalls, sie könne also jede Entscheidung blockieren. Und spätestens im Herbst 2021 werde Ebner-Steiners Amtszeit zu Ende sein. Tatsächlich hätte sie dann mit nur acht Stimmen keine Chance mehr.